Ab Freising wird‘s ein Abenteuer
Viereinhalb Stunden Bahn-Tortur

15.08.2018 | Stand 13.09.2023, 0:45 Uhr
−Foto: Foto: Reilhofer

Seit Ferienbeginn gilt die Bahn-Sperre. Wir pendelten an einem Tag von Landshut nach München und zurück.

LANDSHUT. „Auf Gleis sechs fährt ein der Regionalexpress 4067 nach Freising, Endstation“. Am Bahngleis sitzen Reisende auf ihren Koffern, Familien mit Kindern und Männer mit Aktentaschen warten auf den Zug. Alle haben eines gemeinsam: Ihre Bahnfahrt wird in Freising enden. Und was sie dann erwartet, erklärt Peter S. aus Landshut, der nach München in die Arbeit will, so: „Ab Freising wird’s ein Abenteuer, keiner kann sagen, wann wir ankommen.“

Sommerzeit ist bei der Bahn Baustellenzeit: Von 28. Juli bis 10. September – während der Sommerferien – ist die Bahnstrecke zwischen Freising und Feldmoching komplett gesperrt. Die Bahn bietet hier Ersatzverkehr. „Die Züge von Landshut nach Freising fahren ganz normal wie bisher auch“, erklärt der Bahnhofsmitarbeiter am Schalter in Landshut. Er drückt jedem Fahrgast ein Informationsheft zum Schienenersatzverkehr in die Hand und sagt, man könne ab Freising entweder mit der S-Bahn oder dem Bus über den Flughafen nach München kommen.

Es führt kein Weg daran vorbei: Wer sich nicht auf der A92-Baustelle mit dem Auto vorwärts wälzen möchte, muss die Alternative mit dem Schienenersatzverkehr wählen. Also ab in den Zug. Und Überraschung: überfüllte Züge, überhitzte Abteils, gestresste Fahrgäste, Verspätung – Fehlanzeige. Zumindest nicht bis Freising. Draußen meldet der Wetterbericht fast 37 Grad, im Zug ist es kühl. Der Zug ist ungewöhnlich leer. Kein Sitzplatzgerangel. Die beiden Auszubildenden Michael K. und Robert F. unterhalten sich über die neuesten Nike-Modelle und darüber, wie „cool“ Zugfahren doch sei. „In dieser Stunde kann man super eine Serienfolge anschauen. Das geht im Auto nicht“, sagt Michael K.

Freising ist nach zwanzig Minuten erreicht. Gegenüber am Bahngleis 3 wartet die S8 zum Münchner Hauptbahnhof. Nach fünfzehn Minuten geht es weiter. Die S-Bahn fährt vorbei an gelben Baggern und mit Kies beladenen Lastwägen. Ab jetzt braucht man ganz starke Nerven. Der Zug bummelt von Station zu Station, die Fahrt zieht sich wie ein zäher Kaugummi. Nach weiteren fast eineinhalb Stunden und unsäglichen weiteren 13 Haltestellen ist das Ziel erreicht, die Tortur hat ein Ende. Jedenfalls was die Hinfahrt betrifft. Resümee: Die Fahrt von Landshut nach München dauerte summa summarum knapp zwei Stunden. Zum Vergleich: Normalerweise erreicht man München in etwa fünfzig Minuten.

„Momentan ist die Pendlerei eine absolute Zumutung! Ich brauche einfach oft zwei bis drei Stunden! Hier funktioniert gar nichts“, sagt Heiner B. aus Moosburg. Er ist Polizeibeamter in München und pendelt jeden Tag. Jetzt steht er am Marienplatz und wartet auf die S1 zurück nach Freising. Und da passiert es auch schon: „Verspätung“ dröhnt es aus dem Lautsprecher. Technische Störung. „Das war klar“, sagt der Polizist und verdreht dabei die Augen. Nach zwanzig Minuten rollt der Zug schließlich ein.

Ein ständiges „Stop and Go“ dann auf der Weiterfahrt wegen einer vorausfahrenden S-Bahn. Kein Schaffner weit und breit. „Ich glaube, die verstecken sich mittlerweile, weil sie keine Lust mehr darauf haben, ständig eine auf den Deckel zu bekommen“, flüstert eine ältere Dame ihrer Sitznachbarin zu.

Nach langen zwei Stunden erreicht die S1 die Endstation: Flughafen Besucherpark. Weiter geht es jetzt mit dem Schienenersatzverkehr. Der Bus ist voll, wer jetzt noch kommt, muss stehen. Die Sonne scheint durch die Fenster, die Luft ist stickig. Eine Frau mit zwei kleinen Kindern sieht ungeduldig auf die Uhr. Sie zieht ihr Handy aus der Tasche, tippt auf das Display und erklärt ihrem Mann, dass sie den Anschlusszug nach Landshut nicht mehr erreichen würden und bittet ihn, sie und die Kinder abzuholen.

Der Anschluss nach Passau über Landshut ist tatsächlich weg. Der nächste Zug geht erst wieder in 20 Minuten. Über gut zweieinhalb Stunden hat die Bahnfahrt von München nach Landshut letztendlich gedauert. Das sind viereinhalb Stunden für die Hin- und Rückfahrt. Bis zum Ende der Baustelle am 10. September werden die Bahnpendler noch starke Nerven brauchen.

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