Die Geschichte des TSV Freilassing
„Aus der Knospe wurde eine Blüte“

25.04.2018 | Stand 21.07.2023, 7:38 Uhr
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Das Wochenblatt begab sich auf Spurensuche und beschreibt die ungewöhnliche Geschichte des TSV Freilassing.

FREILASSING. Mitunter lohnt ein Blick auf die Fußballplätze jenseits von Bayern München, Dortmund und Co.: Eine der ungewöhnlichsten Mannschaften Deutschlands dürfte mit Sicherheit der TSV Freilassing sein. 25 Spieler aus neun Nationen von Deutschland und Österreich, über Senegal, Somalia, Eritrea, Afghanistan bis nach Madagaskar, die eines verbindet: die Liebe zum runden Leder.

Nach dem Aus der Fußballabteilung des TSV erfolgte in dieser Saison ein Neuanfang in der untersten Liga – der C-Klasse. Dabei würde das Trainer-Team manchem Profi-Verein gut zu Gesicht stehen. Der gebürtige Saaldorfer Thomas Mooser (Sportwissenschaftler und Inhaber der UEFA-A-Trainer-Lizenz) dürfte vielen Fußballfreunden unter anderem als Kicker beim SV Kirchanschöring bekannt sein.

Mooser wird assistiert von Said Abdou aus Madagaskar. Quasi das Sahnehäubchen: Der TSV Freilassing hat einen eigenen Mental-Coach. Kein Geringerer als Bernard Payet, der unter anderem für das Skiteam der Vereinigten Staaten arbeitet. Die Situation am Anfang der Saison erinnerte an die berühmten „Cool-Runnings“. Die Jamaikaner hatten mit Sicherheit genau so wenig Ahnung vom Bobfahren wie die TSV-Kicker vom Fußball. Aber für alle ist es die große Leidenschaft.

„Null-Erfahrung auf einem Großfeld, die Allermeisten konnten einfach nicht schießen“, erinnert sich Thomas Mooser an die Anfänge. Mehr noch: Neun von zehn Einwürfen waren falsch oder landeten beim Gegner. Abseits? Was ist das bitte?

Dazu kamen Grüppchenbildungen, und das Hauptmanko war das fehlende Vertrauen in die eigene Leistung. Innerhalb weniger Monate gehören diese Momentaufnahmen definitiv der Vergangenheit an, nicht zuletzt wegen des Mental-Coaches Bernard Payet. Neben dem Abbau von Hierarchien ist Payet eines besonders wichtig: „Es geht um jeden Einzelnen, der sein eigener Leader sein muss und Verantwortung auf dem Platz aber auch im persönlichen Leben übernehmen kann“, so der Mental-Coach im Gespräch mit dem Wochenblatt. Leistungen, ob sie schwer oder leicht zustandekommen, müssten aufrichtig genossen werden.

Jeder einzelne Spieler sollte zunächst der maximalen Anstrengung und Aufmerksamkeit für sich selbst entschließen, bevor er der Leistung Aufmerksamkeit schenkt, so der gebürtige Seychellois.

Ein pikanter Aspekt am Rande: Durch den Mangel an Führungsqualität sieht Payet die Welt in einer großen Krise: „Wenn die Führungskräfte durch Freude, Weisheit und Selbstvertrauen zu Beständigkeit gelangen, würde dadurch auch Vertrauen in die Gesellschaft und weltweit weniger Spannungen geschaffen werden“, so Payets Vision.

Den Spielern des TSV Freilasing, die seit sieben Spielen ungeschlagen sind, ist inzwischen das Vertrauen an sich nicht abzusprechen. Die Gegner zollen ihnen hohen Respekt.

Am 3. Juni endet die Saison in der C-Klasse. Wenn es nach dem Trainerteam geht, ist der Juni bereits für die Aufstiegsrelegation verplant. Denn eines ist sicher: Der TSV, den Payet mit einer Knospe, die zur Blüte reifte, vergleicht, steht noch eine goldene Zukunft bevor.

Berchtesgadener Land