Er rettete einem 15-Jährigen das Leben
Der Held, der keiner sein will

16.05.2018 | Stand 28.07.2023, 10:10 Uhr
−Foto: n/a

Ohne seine mutige Hilfe hätte das Drama an der Alz bei Garching nicht nur eines, sondern zwei 15-jährige Todesopfer gefordert

GARCHING/LK ALTÖTTING. Es war eine rührende Geste, als Markus Dapler im Gerichtssaal den Eltern und der Schwester der getöteten Sarah die Hand reichte, um sein Beileid zu bekunden. Es wirkte so, als wollte sich Markus Dapler dafür entschuldigen, dass er zwar Sarahs Freund Florian das Leben retten konnte, dem 15-jährigen Mädchen selbst aber nicht. Ihre Kopfverletzungen waren tödlich.

Sarahs Vater ergriff mit beiden Händen die Hand von Markus Dapler und bedankte sich herzlich bei ihm.

Mehrfach wurde Markus Dapler in dem Gerichtsprozess gegen den „Todesfahrer von der Alz“ als Held bezeichnet. Ein Wort, das der 41-jährige Garchinger nicht gerne hört. Es gab Versuche, Markus Dapler für seinen selbstlosen Einsatz eine Ehrung zuteilwerden zu lassen, aber er lehnte ab.

„Das was ich gemacht habe, war doch selbstverständlich. Das hätte doch jeder getan.“ Wenn es nur so wäre ...

Szenenwechsel: die Alzau bei Garching am 4. August 2017. Es ist 22.15 Uhr. Eine Gruppe von fünf Teenagern planscht in einem Warmwasserbecken neben der Alz. Es ist ein beliebter Treffpunkt und Badeort für die einheimischen Jugendlichen.

Markus Dapler ist mit seinem zehnjährigen Sohn dort. Minuten zuvor saßen die beiden selbst noch in dem Becken, das wie ein natürlicher Whirlpool wirkt und durch ein Warmwasserrohr des Freibads gespeist wird.

„Ich habe ein durchdringendes Geräusch gehört und plötzlich war das Auto da“, erinnert sich Dapler.

Ein 28-Jähriger hatte alkoholisiert die Kurve vor der Hangkante verpasst und war geradeaus in den Abgrund gefahren.

„Hatte das Gefühl, da sind noch Leute drunter“

„Ich habe nur meinen Sohn in Sicherheit gebracht und bin dann sofort zu dem Auto gerannt“, erinnert sich Markus Dapler.

Zuerst kümmert sich der 41-Jährige um die Beifahrerin. Er redet der jungen Frau gut zu, sagt ihr, sie soll vorsichtig ihren Gurt lösen, fängt sie auf und schafft sie aus dem Auto. Währenddessen weist Dapler den Fahrer an, sich um die zwei Mädchen auf der Rückbank zu kümmern.

„Ich hatte das Gefühl, dass da noch Leute unter dem Auto sind, aber keiner am Unfallort wollte mir das glauben.“

Dapler zieht sein T-Shirt aus, umwickelt damit seine Hände und reißt die verzogene Motorhaube auf, um einen Blick unter den dampfenden Motor zu bekommen, erkennt aber nichts.

Obwohl das Auto jederzeit nachrutschen kann, taucht er in die Brühe aus Öl und Kühlwasser, um nach Eingeklemmten zu tasten. Bei Sarah erkennt der Helfer, dass hier leider jede Hilfe zu spät kommt. Aber neben ihr spürt er eine Bewegung.

Es ist der 15-jährige Florian, der zunächst von dem Auto unter Wasser gedrückt worden war, sich aber dann durch eine Kopfdrehung Luft verschaffen konnte. Der Teenager hat mit dem Kopf gerade so viel Platz zwischen einem Reifen und einem großen Stein, dass er atmen kann. Er ist aber fest unter dem Auto eingeklemmt.

„Ich wusste, dass das Wasser aus dem Becken raus muss, damit Florian weiterhin Luft bekommt.“ Markus Dapler drückt mit den Füßen gegen einen der Steine und schafft es nach längerer Anstrengung, diesen heraus zu kippen. Dadurch fließt ein großer Teil des gestauten Wassers ab.

Bis zum Eintreffen der Sani die Hand gehalten

Es gelingt ihm nicht, den 15-Jährigen zu befreien, aber er hält seine Hand, und redet ihm Mut zu, bis nach einer halben bis dreiviertel Stunde die Rettungskräfte eintreffen.

„Florian hat immer wieder gesagt, dass er müde sei und nicht mehr könne. Ich hatte Angst, dass er einschläft und ertrinkt. Ich habe ihn angelogen und erklärt, dass es nicht mehr lang dauern würde. Dass ich schon das Blaulicht sehen könnte. Ich habe ständig von ihm verlangt, meinen Namen laut zu sagen. Max - so nennen mich meine Freunde.“

Als Florian geborgen und in Sicherheit ist, nimmt Markus Dapler seinen Sohn bei der Hand und geht mit ihm nach Hause. Sein Gesicht ist so mit Öl verschmiert, dass ihn niemand erkennt.

Am nächsten Tag kehren Vater und Sohn noch einmal an den Unglücksort zurück und legen eine Blume an der kleinen Gedenkstätte ab, die Sarahs Freunde für sie dort angelegt haben.

„Wir beide haben beschlossen, dass wir hier nicht mehr hergehen. Die Erinnerungen sind zu stark.“

Altötting