15-Jährige stirbt unter Auto
1 Jahr und 10 Monate Haft für Todesfahrer Patrick B.

07.05.2018 | Stand 28.07.2023, 17:57 Uhr
−Foto: Foto: tb21

Alkohol am Steuer, Verbot missachtet, zu schnell gefahren: Patrick B. muss ins Gefängnis

GARCHING/ALTÖTTING. Letztlich waren es nur zwei Meter, die über Tod oder Leben entschieden haben. Wäre Patrick B. langsamer gefahren oder hätte früher gebremst, wäre sein Auto an der Abbruchkante zum Stehen gekommen und nicht hinunter gestürzt. Dann würde die 15-jährige Sarah noch leben und ihre Freunde wären nicht verletzt worden.

Laut dem Gerichtssachverständigen hätte das Auto des Unglücksfahrers nur zwei Meter mehr Bremsweg benötigt, dann wäre alles gut ausgegangen. Hätte ... wäre ... könnte ...

Es ist anders passiert und der Unfall hat großes Leid über viele Familien gebracht - die des Todesfahrers eingeschlossen.

Blass, fast teilnahmslos, die Augen starr noch vorne gerichtet, sitzt Patrick B. im Gerichtssaal. Wenige Meter entfernt haben die Hinterbliebenen von Sarah Platz genommen. Vater, Mutter und Schwester. Sie halten sich an den Händen, die Frauen brechen immer wieder in Tränen aus.

Bis auf den letzten Platz ist der Verhandlungssaal des Altöttinger Amtsgerichts gefüllt. Der Fall bewegt die Menschen. Viele Freunde des Opfers haben sich von der Schule freistellen lassen, um an der Verhandlung teilnehmen zu können.

Patrick B. wirkt nicht wie das „Häuflein Elend“, das viele der Zuschauer erwartet hätten. Die Fragen des vorsitzenden Richters Günther Hammerdinger beantwortet er sachlich ohne Gefühlsregung. Auch über sein Leben nach dem Unfall berichtet er emotionslos. Er habe seinen Job als Elektroniker verloren und lebe seitdem wieder zuhause bei den Eltern. In der elterlichen Firma verdiene er 500 Euro im Monat.

Der Angeklagte zeigt sich vor Gericht emotionslos

Auch bei der Verlesung der Anklageschrift bleibt der 28-jährige Angeklagte verschlossen.

Manche Zuschauer rätseln, ob er tatsächlich so emotionslos ist, oder seine Gefühle nur nicht zeigen kann.

Polizeilich gesehen ist der Garchinger ein unbeschriebenes Blatt. Ein Vorstrafenregister existiert nicht und auch im Straßenverkehr ist er noch nie negativ aufgefallen. Ein Drogentest, der nach dem Unfall im Krankenhaus durchgeführt wurde, war ebenfalls negativ.

Ein „Mädelsabend“ markierte am 4. August 2017 den Anfang einer Verkettung von falschen Entscheidungen und unglücklichen Umständen, die schließlich zu dem tragischen Unfall führten.

In einem Garchinger Lokal feierten Patricks damalige Lebensgefährtin und drei ihrer Freundinnen mit reichlich Alkohol. Patrick wird später vor Gericht darauf bestehen, lediglich zwei Bier an diesem Abend getrunken zu haben. Die Blutprobe nach dem Unfall ergab bei ihm 0,69 Promille.

Die Mädchen hatten die spontane Idee, noch in der Alz zu baden, und fragten Patrick B., ob er sie denn dorthin fahren könne. Er fühlte sich, nach eigenen Angaben, noch in der Lage dazu. Eine Einschränkung durch den Alkohol habe er nicht gespürt. Trotz des Verbotsschilds, das er angeblich nicht gesehen haben wollte, befuhr er gegen 22:15 Uhr mit seinem Audi S6 Avant die Kiesstraße vorbei am Garchinger Freibad in Richtung Alz. Wie schnell er dabei unterwegs war, lässt sich nicht sagen, denn die vier Mädchen im Auto zeigten vor Gericht ähnliche Erinnerungslücken.

Fest steht, dass er noch 14 km/h auf dem Tacho hatte, als sein Auto die Hangkante erreichte. Die Kiesstraße beschreibt dort eine scharfe Rechtskurve, und der Garchinger fuhr, angeblich weil er nicht ortskundig war, geradeaus weiter.

Für die sechs Teenager, die sich in diesem Moment unterhalb der Hangkante in und neben einem Warmwasserbecken aufhielten, war das Auto plötzlich da. Sie hatten keine Zeit mehr zu reagieren.

Für die damals 15-jährige Sarah kam jede Hilfe zu spät. Sie wurde zwischen dem Auto und den Steinen eingeklemmt und erlitt schwerste Kopfverletzungen.

Ihr Freund Florian wurde mit dem Kopf zwischen einem Stein und dem Autoreifen eingeklemmt und unter Wasser gedrückt. Es gelang ihm jedoch, den Kopf so zu drehen, dass er nach Luft schnappen konnte. Sein Leben verdankt er dem 41-jährigen Markus Dapler, der einen Stein löste um das Wasser abfließen zu lassen und sich eine halbe Stunde um den eingeklemmten 15-Jährigen kümmerte. Bei dem Teenager bestand zunächst die Gefahr einer Querschnittlähmung. Er leidet noch heute schwer unter den Nachwirkungen des Unfalls. Die anderen Teenager und die jungen Frauen im Unfallauto erlitten nur leichtere Verletzungen.

Nachdem er ausgestiegen war, kümmerte sich Patrick B. in Absprache mit Lebensretter Markus Dapler zunächst um die zwei jungen Frauen auf der Rückbank und lief dann den Hang hoch, um die Polizei zu verständigen.

Mit einem Urteil von einem Jahr und zehn Monaten Haft folgte das Schöffengericht der Forderung des Staatsanwaltes.

Der Verteidiger hatte auf zwölf Monate mit Bewährung plädiert. Die Vertreter der Nebenklage hingegen hatten klargestellt, dass eine Bewährungsstrafe weder von den Eltern der getöteten Sarah, noch von dem gesundheitlich stark beeinträchtigten Florian akzeptiert werden könne.

Patrick B. wandte sich nach den Plädoyers noch einmal an Sarahs Eltern: „Ich möchte mich herzlich entschuldigen. Wenn jemals Redebereitschaft besteht, wäre ich bereit. Wenn ich den Unfall rückgängig machen könnte, egal was es kostet, würde ich es machen.“

Allerdings hat es der Angeklagte in den Monaten seit dem Unfall versäumt, sich an die Hinterbliebenen und Geschädigten zu wenden. Deshalb ging seine späte Entschuldigung im Gerichtssaal auch ins Leere.

Mit drei schwerwiegenden Pflichtverletzungen begründete Richter Hammerdinger das Urteil:

Nummer 1: Der Verurteilte hat sich mit mindestens 0,69 Promille („das sind eher drei als zwei halbe Bier“) hinters Steuer gesetzt.

Nummer 2: Er befuhr trotz eines ausdrücklichen Verbots die Straße hinunter zur Alz.

Nummer 3: Er fuhr nicht mit angepasster Geschwindigkeit und konnte so nicht rechtzeitig abbremsen.

Besondere Umstände, die eine Bewährung rechtfertigten, lägen nicht vor, so Hammerdinger.

„Ein besonderer Umstand wäre beispielsweise ein Mitverschulden der Opfer und das ist hier nicht vorhanden.“

Altötting