Leitfaden zur sicheren Verwendung
Künstliche Intelligenz und Ethik im Gesundheitswesen – OTH Regensburg mit neuem Forschungsprojekt

13.01.2020 | Stand 03.08.2023, 21:23 Uhr
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Die Künstliche Intelligenz (KI) drängt in das Gesundheitswesen, doch es fehlt ein verlässlicher Leitfaden, wie viel Einfluss man ihr geben sollte. Prof. Dr. Karsten Weber von der OTH Regensburg will mit einem Forschungsprojekt heute vorsorgen, statt den heiklen Fragestellungen morgen hinterherzurennen.

REGENSBURG Die öffentlichen Meldungen sind spektakulär – „Künstliche Intelligenz (KI) erkennt Hautkrebs besser als Hautärzte“, „KI erkennt Darmkrebs-Vorstufen“. Forschungsteams weltweit führender Universitäten und Hochschulen feiern rapide Fortschritte in der Implementierung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin. Gleichzeitig fragen sich Ethiker und Ärzte, wie diese neue Form der Diagnostik das Gesundheitswesen verändern könnte. Die Möglichkeiten scheinen grenzenlos, doch kratzen sie auch an den Grenzen des moralisch Vertretbaren. Nicht zuletzt, wenn Algorithmen über die Expertise von Ärzten gestellt werden. Wo diese Grenzen liegen, dazu gibt es bislang weder einen wirklichen Konsens oder gar ein Nachschlagewerk. Prof. Dr. Karsten Weber von der OTH Regensburg erstellt aktuell mit Ärzten und KI-Forschern einen Leitfaden zur sicheren Verwendung von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen. Dabei setzt er auch einen besonderen Fokus auf Gespräche mit Medizinern in ländlichen Gebieten. „Für ein Flächenland wie Bayern ist das durchaus bedeutend“, stellt Prof. Dr. Weber fest. Als Leiter des Labors für Technikfolgenabschätzung und angewandte Ethik und einer der drei Direktoren des „Regensburg Center of Health Sciences and Technology“ an der OTH Regensburg untersucht er Langzeitkonsequenzen technischer Neuerungen. Für das aktuelle Projekt arbeitet er mit Prof. Dr. Christoph Palm zusammen, Experte für medizinische Bilderkennung und Deep Learning.

„Es ist die Frage: Wem vertraut man?“, wirft Prof. Dr. Weber auf, „Der Ärztin mit Erfahrung oder der KI, die von den Fallzahlen her mehr gesehen hat, als es je ein Mensch könnte?“ Diese Frage betreffe vor allem Ärzte in der Peripherie, die bestimmte seltenere Krankheitsbilder vielleicht ein oder zwei Mal in ihrer gesamten Berufslaufbahn auch nur zu Gesicht bekommen werden. Für sie bedeutet dieser Fortschritt potentiell eine komplette Veränderung ihres Berufsfelds. Doch die Frage „Wem vertraut man?“, ist nicht die einzige. Die Beispiele, die Prof. Dr. Weber bislang herausgearbeitet hat, sind zahlreich. Beginnend beim Datenschutz, über juristische Haftungsfragen bei Fehldiagnosen bis zum Potenzial versteckter Diskriminierung: Wenn beispielsweise Algorithmen mit Datensätzen weißer Menschen gefüttert werden und sie andere Ethnien deshalb schlechter diagnostizieren können. Bisherige Handlungsempfehlungen, wie beispielsweise der Ethikkommission der Bundesregierung, bleiben zu abstrakt, um da wirkliche, konkrete Lösungen anbieten zu können. Prof. Dr. Karsten Weber hofft deshalb, dass sein Projekt eine Debatte bereichert, die besser früher als später in den Sitzungsplänen der Gesetzgebung landet. „Am Ende ist Ethik ja eine tolle Sache, aber wenn es um die Durchsetzung von Ansprüchen geht, brauchen wir immer das Recht,“ weiß der Professor. Es ist ein schmaler Grat. Die Ansicht der Ärzte, die sich bislang herauskristallisiert hat: Die KI sollte eine zweite Meinung darstellen, die Entscheidungshoheit sollte aber auf Seiten des ärztlichen Personals liegen.

Erste genauere Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr folgen, sobald Prof. Dr. Weber zusammen mit dem Mitarbeiter Arne Sonar intensive Interviews geführt hat. Danach sollen sie veröffentlicht werden und eventuell in einer Fachtagung gipfeln. Bislang steht das Projekt noch auf theoretischer Basis. Doch schon im Verlauf soll es eine Wechselwirkung mit Prof. Dr. Christoph Palms aktuellem Projekt geben in Fragen der praktischen Anwendung durch die weiterhin menschlichen Ärzte. Damit der verantwortungsvolle Umgang mit der neuen Technik auch an den Grenzen des Machbaren gilt.

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