OTH Regensburg forscht
Agrarroboter mit Künstlicher Intelligenz im Kampf gegen Unkraut

07.01.2020 | Stand 04.08.2023, 2:47 Uhr
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An der OTH Regensburg schrauben Studierende an einem intelligenten Roboter, der ohne Glyphosat und für den Preis eines neuen Handys, Bio-Felder von Unkraut befreien soll.

REGENSBURG Die Sonne brennt auf die schattenlose Weite, ein scharfer Wind schneidet über die Hügel. Unermüdlich surrt und knattert ein kleiner Roboter zwischen jungen Feldpflanzen umher und scannt mit zwei kleinen Kameraaugen die Umgebung. Immer, wenn die Künstliche Intelligenz (KI) in seiner Platine Unkraut erkennt, fährt ein Stecharm in den Boden und rupft wucherndes Unkraut aus der Erde. Keine tausend Kilogramm wiegt er und keinen Tropfen Glyphosat muss er dabei verteilen. Es ist eine Vision von smarter Landwirtschaft, die weit entfernt wirkt. Doch an der OTH Regensburg gibt es einen Idealisten, der seit einem Jahr an genau dieser Vision bastelt. Prof. Dr. Hermann Ketterl, Fakultät Maschinenbau, entwickelt mit seinen Studierenden einen kleinen Agrarroboter mit künstlicher Intelligenz, der nicht nur Biobauern eine Freude sein soll, sondern auch flexibel und vor allem erschwinglich.

„Seit das mit Glyphosat ein Thema ist, sind Viele motiviert, in diese Richtung zu gehen,“ erzählt Prof. Dr. Ketterl, während er zwischen dutzenden „wilden“ Erfindungen im Labor für Mess- und Steuerungstechnik steht. Erst vor einem Jahr startete das erste Agrartechnik-Projekt seines Labors überhaupt. Heute sind schon rund zehn Studierende dabei und einige Masterarbeiten in vollem Gange. Prof. Dr. Ketterl hatte schon Jahre zuvor das Thema angestoßen, hat er doch selbst ein paar Hektar Bioland mit zwei Kühen in Niederbayern. Mit dem Studenten Michael Engel startete es schließlich durch. Engel forscht an einem Konzept zur Reihenerkennung in Getreidefeldern. Im Sommersemester 2019 startete schließlich das Projekt „Agrarroboter“. Für den Anfang der großen Vision soll es erst einmal darum gehen, Futterrüben von Melden zu unterscheiden, einem hartnäckigen Fuchsschwanzgewächs, das vielen Bauern auf die Nerven geht.

Ziel wäre eine kleine Maschine, die sich vor allem auch kleine Biobetriebe leisten können. Die Bauteile sind deshalb günstig, zwei Motoren für je 50 Euro und ein „Raspberry Pi“-Rechner für noch einmal 50 Euro. Bislang liegt der Prototyp bei 300 Euro, am Ende sollte er inklusive GPS-Modul, Ladestation und einer schicken Hülle bei unter 1000 Euro liegen. Auch im Stromverbrauch soll er sehr sparsam sein. Damit ist die Maschine ein Gegenentwurf zu dem, was bislang auf dem Markt ist. Denn natürlich sind die Regensburger weit davon entfernt, die Ersten zu sein, mit der Idee eines intelligenten Unkraut-Vernichters. Viele technische Universitäten arbeiten bereits an dem Thema. Und auf den Feldern fahren bereits erste Hackgeräte herum. Diese sind jedoch für Großbauern angelegt, müssen noch von einem großen Diesel-Traktor gezogen werden und kosten einen sechsstelligen Betrag. An der OTH Regensburg forschen die Studierenden auf eigene Faust, ohne Zusammenarbeit mit Privatfirmen. „Industrielle Interessen sind da oft andere,“ weiß Prof. Dr. Ketterl, „die haben wenig Interesse an Low-Cost-Alternativen.“

Außerdem, und das will der Professor noch ausdrücklich betonen, ist der Agrarroboter in erster Linie ein Lehrforschungsprojekt. Es geht um die Ausbildung künftiger Ingenieure, die vielleicht in der Zukunft die Agrarwirtschaft verändern werden. Und nicht um den Bau eines marktreifen Produkts innerhalb weniger Monate. Und schon gar nicht um den Bau eines perfekten Roboters, der 100 Prozent des Unkrauts erkennt und sich nie mal irgendwo festfährt. Das ist für den Preis auch nicht möglich. Dennoch geht die Arbeit an der Optimierung des Roboters stetig weiter. Der erste ferngesteuerte Prototyp fährt mit seinen wackeligen Test-Reifen seit wenigen Wochen und auch der mechanische Hackarm ist bereits montiert.

Im kommenden Semester arbeiten Studierende wie der Masterand Clemens Hölscher an der GPS-Positionierung. Masterand Michael Dier will bis dahin die Abstandsermittlung mittels Triangulation mit den beiden Kameras optimiert haben. Und noch in diesem Frühherbst soll ein 50 Quadratmeter großes Testfeld zwischen den Testanlagen für Erneuerbare Energien entstehen. „Dann kann man das mal richtig testen,“ freut sich Prof. Dr. Ketterl bereits, „wenn‘s mal geregnet hat und er verschlammt, wenn Dreckbatzen auf der Linse sind, dann wird‘s erst spannend.“

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