Gespräch mit Schulleiter
Wegfall von Berufen stellt Jugendliche und Berufsschulen vor Herausforderungen

07.12.2017 | Stand 13.09.2023, 1:52 Uhr
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Walter Karlstetter, Leiter des beruflichen Schulzentrums Pfarrkirchen, nennt im Wochenblatt-Gespräch Gründe für den Wegfall von einigen Berufen an seiner Schule und erklärt, wie es gelungen ist, die Schülerzahlen trotzdem konstant hoch zu halten.

PFARRKIRCHEN Josef will eine Lehre als Metzger beginnen. Bis vor einigen Jahren hätte der Rottaler dafür die Berufsschule in Pfarrkirchen besuchen können, doch inzwischen bietet diese den Beruf Metzger nicht mehr an, da die nötige Klassenstärke nicht mehr zustande kam. Josef muss zur Berufsschule in den Nachbarlandkreis Passau fahren. Eine Herausforderung für die Familie des 15-Jährigen, aber der Wegfall von Berufsausbildungen stellt auch die Berufsschulen vor die Aufgabe, ihre Zukunft zu sichern.

Walter Karlstetter, Leiter des Beruflichen Schulzentrums Pfarrkirchen, bedauert zwar den Wegfall von einigen Berufen, nennt im Gespräch mit dem Wochenblatt aber auch Gründe und er betont: „Wir als Schule sehen uns als Wirtschaftsfaktor im Landkreis und tun daher alles, um Berufe zu halten.“

Als Walter Karlstetter 2004 Schulleiter in Pfarrkirchen wurde, gingen Prognosen davon aus, dass die Berufsschulen aufgrund des demografischen Wandels in Zukunft 20 Prozent weniger Schüler haben könnten. „Diese Prognosen sind nicht eingetreten. Wir haben in den letzten Jahren Schwankungen von fünf Prozent. Ich denke, dass wir in Zukunft sogar von steigenden Schülerzahlen ausgehen können“, konstatiert Karlstetter.

Auch seine Berufsschule musste in den letzten Jahren einige Berufe ziehen lassen. Zuerst die Maler, dann die Metzger, die Friseure und zuletzt die 11. und 12. Klassen bei den Bäckern, bei denen zumindest die Grundstufe 10 weiter in Pfarrkirchen bleibt. „Ohne zeitliche Beschränkung“, wie Karlstetter betont.

„Über mehrere Jahre hinweg konnten in diesen Berufen die Mindestklassenstärken von 16 Schülern nicht erreicht werden. Es gab auch keine Perspektive, dass sich da etwas bessert. Kleine Einheiten mit aller Gewalt aufrecht zu erhalten, ist aber nicht hilfreich, denn darunter würde die Unterrichtsqualität leiden. Wir hätten weniger Fachpersonal, was zu Problemen bei Ausfallzeiten durch Krankheit oder Fortbildungen führt, und wir könnten auch die technische Ausstattung nicht bieten“, nennt Karlstetter Gründe für den Wegfall.

Für seine Schule und auch für die jungen Leute bedauert er die Entwicklung. „Von den jungen Menschen wird heutzutage eine viel höhere Mobilität gefordert. In einigen Berufen aber war das schon immer so. Ich denke da an die Gastronomie, Rechtsanwaltsgehilfen, Optiker oder Zahntechniker, die schon immer nicht vor Ort beschult werden.

In vielen Berufen wird daher eine Heimunterbringung angeboten, in Pfarrkirchen für die drei Berufe Technischer Systemplaner, Elektroberufe und die Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistungen. Insgesamt sind dies rund 350 Schüler. Die Kosten dafür zahlt der abgebende Landkreis, die Fahrtkosten hat der Schüler zu tragen, wobei es Familienbelastungsgrenzen gibt und die Vollzeitschüler auch davon ausgenommen sind.

Negative Folgen hat der Wegfall aber auch für die Unternehmen: „Wenn es vor Ort keine Beschulung gibt, finden sie auch schlechter Lehrlinge“, erläutert Walter Karlstetter. Seine Schule ist daher sehr darum bemüht, Berufsfelder zu halten. Dass seine Schule trotzdem über alle Schularten hinweg die zweitgrößte in Niederbayern ist, verdankt sie auch dem Engagement ihres Schulleiters. „Man muss schon kreativ und hartnäckig sein, um wegfallende Berufe durch neue auszugleichen“, weiß Karlstetter.

Mit den Trockenbaumonteuren (Niederbayern-Sprengel ab 11. Klasse), den Zimmerern (Sprengel-Erweiterung, den Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistung (einziger Standort in Bayern; Pfarrkirchen konnte sich hierbei gegen München durchsetzen), der Fachschule für Stahl- und Metallbau („Technikerschule“; Abschluss liegt zwischen Master und Ingenieur) konnte sich die Schule für die Zukunft bestens aufstellen.

„Die Technikerschule konnten wir dank kräftiger Unterstützung durch den Landkreis, Politik und Betriebe an Land ziehen. Die Schüler kommen von weit her, teilweise sogar aus anderen Bundesländern. Die Initiative dazu ging von unserer Schule aus, die im Bereich Metall schon gut aufgestellt war“, betont Karlstetter.

Das Berufliche Schulzentrum Pfarrkirchen beheimatet nun insgesamt vier Schulen (Berufsschule, Technikerschule, Berufsfachschule für Kinderpflege sowie Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung) an drei Standorten (zwei in Pfarrkirchen, einer in Eggenfelden). Über 100 Lehrkräfte lehren in 115 Klassen. 2.344 Schüler (davon 360 Vollzeitschüler) besuchen derzeit das Berufliche Schulzentrum, das in 23 Berufsfeldern (50 bis 60 Berufe) ausbildet.

Um die Zukunft seiner Schule muss Walter Karlstetter angesichts dieser Zahlen also nicht bange sein. Große Herausforderungen habe man aber mit Jugendlichen ohne Ausbildungsstelle, die zwar schulpflichtig sind, denen aber die nötige Reife für eine Ausbildung fehlt. „Die Zahl ist jährlich mit 80 bis 90 Schülern im Landkreis erschreckend hoch, und das seit zehn Jahren schon“, hält Karlstetter ungeschminkt fest.

Eine weitere Herausforderung seien die jungen Flüchtlinge, Asylbewerber oder EU-Ausländer, die zwar zügig Deutsch als Umgangssprache lernen und in der Praxis recht geschickt seien, so Karlstetter, bei denen es aber an der Bildungssprache hapere. In den Berufsintegrationsklassen (BIK) werden die Flüchtlinge daher zwei Jahre lang beschult, um ihnen die Ausbildungsreife zu vermitteln. Derzeit besuchen 90 Schüler eine solche BIK-Klasse.

Rottal-Inn