Sprache
Den Leuten aufs Maul geschaut – BOS-Schüler betätigten sich als Dialektforscher

21.05.2019 | Stand 28.07.2023, 14:44 Uhr
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Niemand geringerer als der „Dichterfürst“ Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) höchstpersönlich schrieb über den Wert der Mundart: „Jede Provinz liebt ihren Dialekt, denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft.“ Treffender kann man die Bedeutung, die der Dialekt haben kann, kaum auf den Punkt bringen.

KELHEIM Mundarten sind annähernd so unterschiedlich wie jedes einzelne Dorf, dennoch können mehr oder weniger eindeutige Grenzen zwischen den größten Dialektregionen gezogen werden, gerade in unserer Heimatregion wird dies überdeutlich. Dieses Phänomens haben sich im Rahmen eines schulübergreifenden Projekts Berufsoberschülerinnen und -schüler vom Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Kelheim und der Maximilian-Kolbe-Schule Neumarkt angenommen. Unter Anleitung ihrer Deutschlehrkräfte Dr. Peter Kaspar und Caroline Mayer, die den theoretisch-wissenschaftlichen Rahmen schufen, gingen sie, bewaffnet mit Fragebögen, ans wissenschaftliche Arbeiten, dem Erheben von Dialektlautungen und -verbformen. Neben den lautlichen Realisationen der Wörter Kuh, Wald, viel und müde wurden die Verbformen „ich muss“ und „wir kommen“ abgefragt. Sage und schreibe knapp über 1.000 Rückläufer gingen in beiden Klassen ein, von denen 931 verwendbar waren – eine breite Datenbasis für den nun folgenden zweiten Teil des Projekts, dem Kartographieren und Auswerten, also dem Erstellen von Dialektkarten und deren Interpretation im Hinblick auf bairische und fränkische Dialektregionen. In Kleingruppen rauchten die Köpfe. Es wurden die Erhebungen nun bearbeitet, Lautungen verglichen, Zweifelsfälle besprochen und Dialektgrenzen erkannt. Die Ergebnisse sind verblüffend: War noch in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Donau eine einigermaßen feste Grenze zwischen dem Mittel- und Nordbairischen, vereinfacht ausgedrückt zwischen der Mundart der Oberpfalz und Niederbayerns, scheint sich dies im 21. Jahrhundert grundlegend geändert zu haben. Wie die Beispiele“ vui vs. vüll“ und „mou vs. muaß“ zeigen, wird das Nordbairische immer mehr vom Mittelbairischen überlagert, das Nordbairische also ein gutes Stück weiter nach Norden gedrängt. Eine Ausnahme bildet das kleine Gebiet südlich der Donau von Saal Richtung Teugn, wo sich nordbairische Lautungen mitten in Niederbayern feststellen lassen. Die Schülerinnen und Schüler der B11 erfanden hierfür die Bezeichnung „Teugner Zipfel“.

Maximilian Ruhland (21), Schüler der Berufsoberschule Kelheim, zu seinen sehr persönlichen Erfahrungen: „Was mir die Auseinandersetzung mit unserem Dialekt gezeigt hat, ist, wie ähnlich doch die verschiedenen Lautungen selbst auf größere Distanzen sein können. Trotzdem finde ich als Paintner es natürlich schade, dass Formen wie ,Kouh‘, ,mäid‘ und ,i mou‘ immer weniger, vorwiegend in kleinen Dörfern, verwendet werden und sich mit dem Mittelbairischen vermischen.“

Deutschlehrer Dr. Peter Kaspar: „Es zeigt sich, dass die Mundart heutzutage noch große Bedeutung hat und man damit auch Schüler zu wissenschaftlichem Arbeiten anregen kann, die selbst keinen Dialekt haben. Die Ergebnisse der Studie sind interessant: Das Nordbairische, also Oberpfälzer Idiom, ist in unserer Region weit über die Donau nach Norden verdrängt worden, wird vom Mittelbairischen mehr und mehr überlagert.“

OStD Johann Huber, Schulleiter des Beruflichen Schulzentrums Kelheim: „Ich habe mich mit meinem eigenen Dialekt in den Ergebnissen der Studie sehr gut wiedergefunden. Meine Anerkennung den Nachwuchswissenschaftlern der BOS!“

Wer die Ergebnisse der Nachwuchswissenschaftler betrachten und vielleicht die eigene Heimat wiederfinden möchte, kann dies gerne tun. Auf den Homepages des Beruflichen Schulzentrums Kelheim und der Maximilian-Kolbe-Schule Neumarkt sind diese einsehbar.

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