Andere Sprache, andere Kultur
Ausländische Arbeitskräfte integrieren - geht das?

27.03.2018 | Stand 20.07.2023, 19:20 Uhr
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Praxiseinblicke aus ARBERLAND-Unternehmen zeigen die Integrationsarbeit vor Ort.

REGEN Was empfinden Geflüchtete unterschiedlicher Nationen als „typisch deutsch“? Darf man einer aktuellen Studie des „Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ glauben, so ist „typisch deutsch“ ein fester Arbeitsplatz, der nicht nur das tägliche Brot auf den Tisch bringt, sondern eine gesicherte Zukunft ermöglicht. Gänzlich abseits des öffentlichen Bewusstseins leisten, so IQ-Netzwerkmanagerin Barbara Stadler von der Kreisentwicklungsgesellschaft ARBERLAND REGio GmbH, viele deutsche Unternehmen Basisarbeit in Sachen Integration und gelebte Willkommenskultur. Zu ihnen gehört auch der Kindergarten St. Anna in Regen.

Im Herbst 2016 durfte die caritative Einrichtung auf Vermittlung der Berufsfachschule für Kinderpflege in Zwiesel ihre erste afghanische Praktikantin begrüßen. „Eine unbegleitete Minderjährige“, erläutert Kindergartenleiterin Silvia Winner-Schönberger näher. Unterstützung erhielt die Jugendliche bei der Mammutaufgabe, sich beruflich und privat in ihrer neuen Heimat zurechtzufinden, vom BBZ Marienheim Regen. „Es ist vergleichsweise selten, dass Mädchen die Flucht antreten. Noch dazu eine gläubige Muslima“, erklärt Winner-Schönberger weiter.

Dieser Schritt zeuge von „Selbstbewusstsein, Willen, Geduld und Ehrgeiz“ - allesamt Qualitäten, welche die junge Frau auch als Praktikantin unter Beweis gestellt habe. Sie selbst sei nicht müde geworden, zu betonen, dass die in Deutschland wahrgenommenen Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten zuhause als Frau nicht denkbar gewesen wären. Bei ihrem großen Ziel, Kinderpflegerin zu werden, gab die Jugendliche deshalb stets 100 Prozent. „Wann immer eine ihrer Prüfungen anders als mit eins bewertet wurden, war sie schon recht geknickt“, erzählt die Kindergartenleiterin.

Als angehende Kinderpflegerin, die rechte Hand von Erziehern, Pädagogen oder auch Krankenpflegern, gehören Malen, Spielen und Musizieren fest zum Arbeitsalltag. Hier kommt natürlich auch der Verständigung mit den Jungen und Mädchen eine wichtige Rolle zu. „Diese lief völlig problemlos ab“, rekapituliert Winner-Schönberger. „Die junge Frau verfügte durch die Berufsschule bereits über sehr gute Deutschkenntnisse“. Sie habe zu Beginn sehr genau beobachtet, christliche Gebräuche aktiv erkundet, diese mit eigenen Gepflogenheiten in Verbindung gesetzt und - denn Integration ist keine Einbahnstraße - auch afghanische Lieder, Spiele und Gerichte in die Gruppe eingebracht. Ohne große Fragen wurde auch das Kopftuch der Praktikantin als Teil einer anderen, interessanten Kultur aufgenommen.

Umso schöner, dass die junge Afghanin nach so positiven Erfahrungen auch die Chance bekommt, ihren beruflichen Traum weiterzuverfolgen: „Wir alle haben uns sehr über den Anerkennungsbescheid für drei Jahre gefreut. So lässt sich die zweijährige Ausbildung abschließen, weitere Berufspraxis sammeln - und dann auf das endgültige Bleiberecht hoffen“, meint die Kindergartenleiterin. Lang- und mittelfristig betrachtet könnten sich Kinderpfleger/innen und Erzieher/innen mit Fluchthintergrund nur als große Hilfe erweisen. Winner-Schönberger ist sich sicher: „Kinder aus Afghanistan, Pakistan, Schwarzafrika und anderen Ländern, die Ähnliches erlebt haben, fassen hier schneller Vertrauen.“ Abgesehen davon benötige der Berufstand dringend Nachwuchs: „Unsere letztes Vorpraktikum haben wir vor fast vier Jahren vergeben.“

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