Prozess vor dem Landgericht
Wie aus einem toten Fisch ein Justizkrimi wurde ...

20.02.2020 | Stand 13.09.2023, 1:47 Uhr
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Es begann an jenem 19. Juni 2019 alles mit einem Fisch, mit einem eher kleinen Fisch – 25 bis 30 Zentimeter war er wohl groß. Und tot war er auch schon! Soweit, so gut! Aber: Er stand nicht im Fangbuch, da hätte er laut Gesetzeslage aber drin stehen müssen. Dieses Versäumnis findet seine Fortsetzung vor dem Landgericht Regensburg, verhandelt wird wegen versuchten Mordes gegen einen Deutsch-Kasachen.

Regensburg. Schon die angeklagte Tat klingt wie aus einem Krimi. Nachdem eben jener Fisch bei einer ersten Kontrolle nicht im Fangbuch eingetragen war, soll es zu einer zweiten Kontrolle des Anglers gekommen sein, bei der soll der Angeklagte dann mit einer Axt auf den Fischeraufseher losgegangen sein. Die Staatsanwaltschaft wertete das als versuchten Mord.

Am vierten Prozesstag nun traten einige Zeugen auf, deren Ladung die Verteidigung veranlasst hatte. So sagten am Mittwoch, 19. Februar, Angler aus, die im Kreisfischereiverein Kelheim aktiv waren oder noch sind. Sie sollten belegen, dass das Kontrollverhalten des Axtangriff-Opfers „herrisch, selbstherrlich und schikanös“ gewesen ist. Und dann nahm der Krimi seinen Lauf ...

Der erste Zeuge berichtete, er gehe seit seinem zwölften Lebensjahr zum Fischen, er habe immer eine Jahreskarte gehabt. Ein Vorfall „vor vier oder fünf Jahren“ habe dann dafür gesorgt, dass er die Lust am Angeln verloren habe. Damals, so der Zeuge, sei der Nebenkläger schon „aufgebraust“ am Angelplatz angekommen und habe rüde behauptet, er sitze an seinem Platz. Er habe gedroht, das Fahrzeug zu durchsuchen, da würde er dann schon etwas finden, zum Beispiel ein Messer. Er sei heute noch Mitglied im Verein, angle aber nur noch selten, eine Jahreskarte habe er nicht mehr.

Ein weiterer Zeuge berichtete von Kontrollen mitten in der Nacht. Der Nebenkläger sei „aus dem Gebüsch geschossen und habe gleich geplärrt“. Davon sei er einmal so erschrocken gewesen, dass er beinahe „in die Hose gepieselt“ hätte. Bei der Kontrolle selbst habe alles gepasst, im Verein sei in der Folge viel über ihn geredet worden. Er sei dann ausgetreten aus dem Verein, „ich habe die Lust am Fischen verloren, ich habe keinen Lust, dass ich von hinten angesprungen werde!“ Spannend wurde es, als der Zeuge auf WhatsApp-Nachrichten hinwies, die er von einem anderen Vereinsmitglied im Vorfeld der Verhandlung bekommen hatte. Er habe sich nach dem Telefonat mit dem Anwalt des Angeklagten an einen Freund gewandt, weil er sich nicht mehr sicher gewesen sei, ob es richtig ist, vor Gericht auszusagen. Der Freund habe ihm dann geraten, erneut beim Anwalt anzurufen, vorzugeben, er sei betrunken gewesen, und die Aussage zurückzuziehen. Das habe er getan. In der Folge sei er aber dich zu dem Entschluss gekommen, aussagen zu wollen. Das habe er auch seinem Freund mitgeteilt. Dieser warnte ihn dann, auszusagen, man würde ihn ihm Zeugenstand „zerlegen“.

An dieser Stelle wurde es dann spannend: Jener Freund nämlich saß im Zuschauerraum. Richter Michael Hammer schickte ihn nach draußen, dort sprach er dann offenbar mit einem weiteren Zeugen, der bereits vor dem Saal wartete, was wiederum einen anderen Zeugen dazu veranlasste, die Tür zum Gerichtssaal aufzureißen und lautstark den Sachverhalt mitzuteilen. Richter Hammer ließ letztlich eine Justizbeamtin kommen, um vor dem Saal für Ruhe zu sorgen und weitere Gespräche zu unterbinden.

In der Folge berichtete der Zeuge weiter, dass er Ende 2017 kontrolliert worden sei, damals habe man ihm vorgeworfen, mit lebenden Ködern gefischt zu haben, was nicht stimme. Daraufhin verlor er seine Angelkarte. Danach soll der Nebenkläger überall herumerzählt haben, er habe den „Hechtkiller von Saal“ erwischt.

Als nächster Zeuge musste nun jener Verfasser der WhatsApp-Nachrichten aussagen. Dieser bestätigte, dass er dem Zeugen geraten habe, die Wahrheit zu sagen. Er wisse nämlich aus erster Hand, nämlich vom Zeugen selbst, dass dieser mit lebenden Ködern gefischt habe. Und wenn das vor Gericht ans Licht komme, dann werde man ihn eben „zerlegen“, habe er geschrieben.

Nach der Mittagspause und drei weiteren Zeugen war dann wieder der Nebenkläger dran, Rede und Antwort zu stehen. Der stritt die geschilderten Vorfälle ab, könne mit dem Begriff „Hechtkiller“ nichts anfangen und erinnere sich an vieles schlichtweg nicht mehr.

Es wird also noch viel Arbeit für die Kammer, herauszufinden, was hinter den Kontrollen, den Vorwürfen der Fischer untereinander und der angeklagten Tat steckt. Sicher ist in diesem Verfahren offenbar nur eines: Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Von wem, das muss nun die Kammer herausfinden ...

Regensburg