Zur Lage der Landwirte
Sterben die Bauern aus?

27.11.2019 | Stand 02.08.2023, 23:10 Uhr
−Foto: Foto: M. Hamburger

Facebookgruppe „Landwirtschaft im Landkreis Erding“ hatte Landwirte zur Diskussion mit Politikern geladen

EIBACH/DORFEN Eine hitzige Diskussionsrunde ergab sich am Dienstag, 20. November, zwischen Bauern und Stimmkreisabgeordnetem Dr. Andreas Lenz im Gasthaus Mayer in Eibach, zu der die Facebookgruppe „Landwirtschaft im Landkreis Erding“ geladen hatte.

Rund 150 Teilnehmer, darunter viele junge Landwirte nutzten die Gelegenheit, um ihrem Unmut Luft zu machen. „Unsere Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, die Flächen werden knapper, die staatlichen Auflagen immer schärfer, die Erwartungen der Verbraucher steigen – wie sollen wir dem gerecht werden?“ fragt Michael Hamburger, der die Veranstaltung souverän leitete. „Die Uraufgabe der Landwirtschaft ist doch die Ernährung der Bevölkerung, die ein Land niemals aus der Hand geben darf! Wenn wir unsere Lebensmittel nicht selbst in Deutschland produzieren, machen das andere für uns. Aus fremden Ländern werden dann Lebensmittel importiert, deren Produktion in keinster Weise nach unseren Standards erfolgt. Unsere Lebensmittel sind elitär und auf der ganzen Welt beliebt.“

„Noch nie hatten wir so gesunde und sichere Lebensmittel wie heute. Schwarze Schafe gibt es überall, die überwiegende Mehrheit, gerade bei uns, hält aber sehr hohe Standards bei ‚Tierwohl‘ und Qualität ein, auch aus Eigeninteresse“, ist sich MdB Dr. Andreas Lenz sicher.

Sabine Berger führte aus: „2040 werden in Deutschland nur noch 100.000 landwirtschaftliche Betriebe prognostiziert, das sind 2/3 weniger als heute. Und das obwohl alle beteuern: Wir setzen uns für den Erhalt der bäuerlichen Betriebe ein. Die Landwirtschaft leiste einen hohen Beitrag für Wertschöpfung und Beschäftigung im ländlichen Raum. Die Stimmung sei schlecht, wir fühlen uns verkauft und verraten.“

Lenz, dessen Bruder im Landkreis Ebersberg selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchkühen und Biogasanlage betreibt, konnte den großen Frust der Landwirte nachvollziehen, hatte aber auch kein Patentrezept anzubieten: „Wir müssen aufpassen, dass nicht die Maßnahmen, die sicher teilweise gut gemeint sind, dazu führen, dass immer weniger junge Menschen den Beruf des Landwirts ergreifen möchten. Die öffentliche Stimmung tut dann ihr Übriges. Strukturen, die verloren gehen, entstehen nicht wieder. Die zunehmende Entfremdung von Produktion und Verbrauchern trägt sicher auch zu einem teilweise schiefen Verständnis von Landwirtschaft bei.“

Caroline Brielmair ging auf den Rapsanbau ein, der aufgrund des Verbotes vieler Pflanzenschutzmittel und mangels effektiver Beizmittel immer mehr erschwert wird. Der Raps bietet hinsichtlich Klimawandel als nachwachsender Rohstoff und Treibstoff eine super Alternative zum Treibstoff aus Erdöl. Wäre durch politische Weichenstellungen das Rapsöl nicht so extrem besteuert worden, dann könnte man hier schon viel weiter sein.

Auf dem Betrieb von Hamburger wurde dieses Jahr noch einmal der Versuch mit Rapsanbau gestartet, weil dieser zudem ein großes Potenzial für Bienen bietet. Ein Großteil des Jahreshonigertrages kommt aus der Rapsblüte, die schon früh im Jahr Nektar für diese fleißigen Tiere anbieten kann.

Nicht verständlich für einige Besucher war die aktuelle Politik der Unionsparteien und der „Grüne Kurs“ im Speziellen, der seit geraumer Zeit vom Parteivorsitzenden Söder verfolgt wird. Johannes Mundigl kritisierte das Abweisen des Bundestagsantrags der FDP zur Gleichheit in der gesamten Europäischen Union. Andreas Lenz war mit dieser Entscheidung auch nicht ganz glücklich, da der Antrag durchaus gute Ansätze hatte. Er setze sich deshalb dafür ein, dass von der Union ein besserer Antrag erarbeitet wird.

Der BDM Kreisvorsitzende Mathias Lohmeier, der auch zur Veranstaltung einlud, machte seine Sorge deutlich: „Die Milchviehbetriebe haben sich in den letzten Jahren halbiert und wenn die Politik nicht bald handelt und die Agrarpolitik ändert, geht das ungebremst so weiter und die bäuerliche Landwirtschaft stirbt aus.“

Der ELF Kreisvorsitzende Josef Lohmaier bat um Unterstützung für die bäuerlichen Kandidaten bei den Kommunalwahlen im März 2020, um der Landwirtschaft eine starke Stimme zu verleihen.

Landrat Martin Bayerstorfer sprach den hohen Anteil an landwirtschaftlich genutzter Fläche im Landkreis Erding mit ca. 2.000 landwirtschaftlichen Betrieben an. So beheimate der Landkreis etwa genauso viele Rinder- und Schweinehalter wie die Nachbarlandkreise Ebersberg und Freising zusammen. Ein großes Anliegen ist Bayerstorfer der Fortbestand der Landwirtschaftsschule am Standort Erding zur Stärkung der Landwirtschaft in der Region. Nahm doch der Landkreis unlängst Geld in die Hand und errichtete einen Anbau für die Land- und Hauswirtschaftsschule dort. Den anwesenden Studierenden der Landwirtschaftsschule versicherte er seine weitere Unterstützung. „Mir macht es große Sorge, dass gerade junge Landwirte überlegen, ob sie den Hof ihrer Eltern noch weiterführen sollen. Dabei sind sie die Zukunft der Landwirtschaft. Ich bin froh, dass Erding Standort für die Landwirtschaftsschule bleibt, das ist ein wichtiges Signal“, ist sich auch Lenz sicher. „Aber auch die Facebook-Seite ‚Landwirtschaft im Landkreis Erding‘ ist ein positives Beispiel, hier wird Landwirtschaft erklärt, Öffentlichkeit geschaffen und auf aktuelle Themen eingegangen. Ich bin froh, dass wir unsere Bauern haben, wir müssen versuchen, die Probleme im gesellschaftlichen Miteinander zu lösen.“ Doch dazu müssen Wege zusammen mit den Landwirten diskutiert werden, anstatt nur Ziele vorzulegen, so waren sich die Veranstalter und Besucher einig.

Erding