Glyphosat vor dem Aus:
Sind die Tage des Gifts gezählt?

24.11.2017 | Stand 31.07.2023, 13:25 Uhr
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Interview mit Martin Stockmeier vom Bund Naturschutz

PASSAU Glyphosat ist das meistgenutzte Ackergift der Welt. Doch auch beim mittlerweile sechsten Anlauf ist die Wiederzulassung Glyphosat kürzlich gescheitert. Statt für 15 oder zehn Jahre schlug die EU-Kommission diesmal eine Zulassung für nur noch fünf weitere Jahre vor. Doch auch dafür gab es keine qualifizierte Mehrheit. Nun droht Monsanto der EU mit einer milliardenschweren Klage, sollte die Genehmigung seines Kassenschlagers bis zum 15. Dezember nicht erneuert werden – denn zu diesem Datum endet die Zulassung. Martin Stockmeier vom Bund Naturschutz dazu im PaWo-Interview:

Wie gut oder schlecht ist Glyphosat?

Gut für die intensive industrielle Landwirtschaft, die sich mithilfe von Glyphosat schlank rationalisieren konnte. Schlecht für innovative alternativer Methoden der Unkrautbekämpfung, weil Glyphosat kostenmäßig auf dem Markt bisher konkurrenzlos war.

Das Total-Herbizid Glyphosat zählt weltweit zu den meist verwendeten Herbiziden aber auch zu den Mitteln mit den umstrittensten toxischen Wirkstoffen. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 5000 Tonnen dieses Wirkstoffes verspritzt. Diese Absatzzahlen sind natürlich auch gut für die Bilanzen der Chemieriesen und der großen Agrarhandelsketten, die mit dem Deutschen Bauernverband verbandelt sind. Vor allem war es der niedrige Preis, also die niedrigen Kosten, die Glyphosat als Herbizid so attraktiv gemacht haben, dass es heute in Deutschland über 40 Prozent Marktanteil hat. Glyphosat lässt sich in vielen Kulturen anwenden oder auf vielen Stoppeläckern vor oder nach vielen Ackerbaukulturen. Es hat ein sehr breites Spektrum, erfasst also sehr viele sogenannte Unkräuter und ist dadurch vielfach zu einem Ersatzackerbauinstrument geworden, weil es kostengünstig den Pflug oder andere teure Bodenbearbeitungsgeräte ersetzen kann.

„Weg von den einseitigen Monokulturen!“

Führen Sie das bitte weiter aus.

Glyphosat wird auch zur Vorerntereifung und zur Trocknung eingesetzt und findet sich dadurch auch in unseren Nahrungsmitteln wieder. Viele landwirtschaftliche Betriebe haben ihre Betriebsstruktur darauf spezialisiert, das Glyphosat als Rationalisierungsinstrument zu nutzen. Seit Jahrzehnten wurden dadurch technischen Innovationen zur Unkrautbekämpfung verschlafen, die jetzt den Ausstieg aus der „Glyphosatanwendung“ für viele landwirtschaftliche Betriebe so schwer machen. Andere Betriebe hingegen setzen das Glyphosat nur sporadisch ein und haben es tatsächlich nur dort als Notfalllöser eingesetzt, wie es ursprünglich auch gedacht war. Biobetriebe zeigen uns, dass es auch ohne Chemie geht. Mit Fruchtfolgen und Bodenbedeckung mit Kleegras nach der Ernte ist auch eine pfluglose und bodenschonende Ackerbewirtschaftung möglich.

Sind die Tage von Glyphosat gezählt?

Das Ende von Glyphosat ist zumindest eingeläutet. Die nationalen Parlamente aber auch die EU-Kommission tun sich aber noch sehr schwer, Glyphosat endgültig vom europäischen Markt zu nehmen. Den Naturschutz- und Verbraucherverbänden stehen starke Lobbyinteressen der Agrarindustrie entgegen, die zumindest die Laufzeit für die Zulassung von Glyphosat über weitere Jahre verlängern wollen. Wie schnell hier aber ein Sinneswandel eintreten kann, sieht man aktuell bei der Berchtesgadener Molkerei, die bei ihren Milchbauern den Glyphosateinsatz untersagt hat. Sollte Glyphosat verboten werden, wird natürlich die Chemieindustrie versuchen ein Ersatzprodukt auf den Markt zu bringen, was aber aufgrund der langwierigen Zulassungsverfahren dauern kann. Mit dem Verbot von Glyphosat haben wir die Chance, dass wir wieder weg von dieser einseitig durch Monokulturen geprägten Landwirtschaft kommen.

Warum ist das Glyphosat-Verbot so wichtig?

Glyphosat, aber auch andere chemische Pflanzenschutzmittel haben den Makel, dass sie die Biodiversität stark strapazieren. Das sind leider nicht nur die Pflanzenschutzmittel alleine, da sind die ganzen anderen Bewirtschaftungssysteme, die dort wieder vielfältiger werden müssen. Wir brauchen mehr vernetzte Mosaikstrukturen, Rückzugshabitate für die Artenvielfalt, wir müssen auch mal ein paar „Unkräuter“ stehen lassen, um in die Landschaft wieder etwas mehr Vielfalt zu bringen. Das bedeutet aber auch, Anbausysteme zu fördern, die von Pflanzenschutz- und künstlichen Düngemittel weitgehend unabhängig sind, die sich selber tragen können. Die Bio- Landwirtschaft zeigt uns den richtigen Weg.

Welchen Schaden richtet Glyphosat beim Menschen und in der Natur an?

Die internationale Agentur für Krebsforschung der WHO hat Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Forschungen von Prof. Monika Krüger (Tierärztliche Fakultät der Uni Leipzig) zeigen dass Glyphosat Auslöser von Missbildungen, bzw. Stoffwechselerkrankungen bei Schweinen und Rindern sind. Der Bienenforscher und Neurobiologe Prof. Dr. Randolf Menzel (Uni Berlin), der kürzlich – in Jacking auf Einladung der BN-Kreisgruppe Passau – einen Vortrag über den Einfluss von Pflanzenschutzmittel auf Bienen hielt, stellte in seinen Untersuchungen fest, dass geringe Mengen an Glyphosat das Orientierungsverhalten der Honigbienen massiv beeinträchtigen.

Glyphosat beeinträchtigt nicht nur die Bienen

Man kann davon ausgehen, dass auch Hummeln, Wildbienen und andere Insekten ähnlich betroffen sind. Glyphosat ist extrem giftig für Wasserlebewesen, so steht es auf den Produkt-Beipackzetteln. Und natürlich zerstört der Einsatz von Glyphosat Pflanzen die als Nahrungsquelle vieler Tiere dienen. Pflanzen, die wir abwertend als Unkräuter bezeichnen. Dabei sollten wir den Blick nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern auch auf Leute richten, die ohne Fachkundenachweis, der von jedem Landwirt gefordert wird, glyphosathaltige Produkte in den Baumärkten erwerben und dort spritzen, wo es nicht hingehört, nämlich auf befestigten Flächen und Wegen. Verboten ist das auch bisher schon, aber nicht jeder ist gut informiert.

Eine Welt ohne Glyphosat wäre …

….für die Natur und die Gesundheit von Mensch und Tier besser. Weltweit ist die Grüne Gentechnik auf die Eigenschaft „Glyphosatresistenz“ ausgerichtet. Mit dem genveränderten Saatgut wird auch der Wirkstoff Glyphosat (z..B. Round-up) mit verkauft. Zunehmend werden jedoch die Unkräuter auf den Genfeldern resistenter gegen Glyphosat und es müssen immer stärkere Wirkstoffkombinationen eingesetzt werden. Ein weltweites Verbot könnte diesen Kreislauf durchbrechen, aber das ist leider noch Utopie!

Passau