Drittes Geschlecht gefordert
„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Diverse“...

09.11.2017 | Stand 02.08.2023, 17:12 Uhr
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Der intersexuelle Mensch Vanja (26) klagte vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe auf Änderung seines Geschlechts auf „inter“ oder „divers“, da Vanja weder Mann noch Frau ist. Nun fordert das Bundesverfassungsgericht ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister. Bis Ende 2018 muss der Gesetzgeber nun eine Neuregelung schaffen!

DEUTSCHLAND Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Verweis auf das im Grundgesetz geschützte Persönlichkeitsrecht, eine Neuregelung des bisherigen bürokratischen Umgangs mit Intersexuellen angemahnt. Bislang wurden Neugeborene von Standesbeamten entweder als männlich, weiblich oder als gar nichts eingetragen. 

Doch der Nulleintrag wurde von vielen als diskriminierend angesehen und wirkte wie das Verschweigen einer unangenehmen Tatsache. Dies sah auch die Person Vanja so, die von Geburt an einen atypischen Chromosomensatz aufweist und somit weder Frau noch Mann ist. Schätzungsweise 160.000 Menschen leben so wie Vanja als Intersexuelle in Deutschland.

Vanjas Eltern entschieden sich, zwar ihr Kind im Geburtenregister als Mädchen einzutragen, doch als mittlerweile erwachsene Person, kann sich Vanja mit dieser Geschlechtszuordnung nicht mehr identifizieren. Deshalb kämpfte er für das dritte Geschlecht und hatte schließlich in letzter Instanz Erfolg.

Laut der Süddeutschen fordert nun das Bundesverfassungsgericht ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister. Bis Ende 2018 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen. Aber was könnte sich ändern? 

Die Bild liefert nach Befragung des Kölner Verwaltungsjuristen Wilhelm Achelpöhler (Deutscher Anwaltverein, 55) einige Beispiele: „In allen Bereichen, in denen der Staat nach Männern und Frauen unterscheidet, muss das dritte Geschlecht eingeführt werden. Oder der Staat verzichtet ganz auf eine Unterscheidung. Das reicht vom Pass bis zum Schriftverkehr.“ Die übliche Behörden-Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ gehe nicht mehr. Achelpöhler: „Entweder wird eine geschlechtslose Anrede gefunden – oder es kommt ein ‚... und Diverse‘ hinzu.“ Und auch die Toilettensituation müsste sich ändern - entweder müsste eine dritte Kabine für „Diverse“ eingeführt werden oder eine Unisex-Toilette für alle. 

Das Bundesinnenministerium kündigte bereits an, das Urteil aus Karlsruhe zu respektieren und umzusetzen. Zu Einzelheiten wurde sich noch nicht geäußert. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes würdigte die Entscheidung des Verfassungsgerichts als „historisch“ und mahnte eine umfassende Reform des Personenstandsrechts an.

Altötting