Projekt
Schülerinnen und Schüler der FOS Kelheim stellen sich gegen Hassbotschaften im Internet

16.11.2018 | Stand 04.08.2023, 0:05 Uhr
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Es vergeht kein Tag, an dem die zwölfjährige Miray (fiktiver Name) aus München, die ein Kopftuch trägt, durch einige ihrer Mitschüler beleidigt und rassistisch beschimpft wird. Hinzu kommt, dass die verzweifelte Schülerin eines Tages im Internet, genauer gesagt in sozialen Medien, mehrere Hasskommentare über Frauen mit Kopftuch entdeckt, welche zahlreich geteilt wurden ...

KELHEIM Man merkt, wie ratlos das junge Mädchen ist und wie stark sie diese Hasskommentare belasten. Dieses Szenario spielt sich mit Sicherheit so oder so ähnlich tagtäglich an den verschiedensten Orten und in den verschiedensten Facetten im realen Alltag, aber auch in den sozialen Medien im Internet ab.

Oft unkritischer Umgang mit Inhalten aus sozialen Medien

Tatsächlich verbreiten sich Hassbotschaften in sozialen Medien bzw. im Internet oft in Windeseile, sei es durch Bilder, Musikvideos oder etwa in Form von herabwürdigenden Texten; und das unter anderem auch, weil mit vielen Inhalten aus dem Netz oft zu unkritisch umgegangen wird. Genau an dieser Problematik knüpft das Projekt „bildmachen – Politische Bildung und Medienpädagogik zur Prävention religiös-extremistischer und rassistischer Ansprachen in sozialen Medien“ an, das vor Kurzem im Rahmen eines zweitägigen Workshops an der FOS/BOS Kelheim stattfand und von Nicole Rauch sowie Lena Riede vom Münchener Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF), in Kooperation mit ufuq.de, begleitet wurde.

Nicht allen Inhalten im Internet Glauben schenken

„Da vor allem junge Menschen häufig im Internet surfen und mit Inhalten im Netz zu einem großen Teil unbefangen umgehen und diese nicht selten unkritisch teilen und weiterverbreiten, lag meine Motivation darin, das Projekt an die FOS/BOS zu holen, zumal das Berufliche Schulzentrum Kelheim eine ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage‘ und gleichzeitig eine ‚Referenzschule für Medienbildung‘ ist, in der eine offene Willkommenskultur herrscht“, schildert FOS-Lehrer Dr. Peter Kaspar, und ergänzt: „Die Schülerinnen und Schüler sollen durch den Workshop erkennen, dass eine differenzierte und selbstkritische Auseinandersetzung mit Inhalten im Bereich der sozialen Medien bzw. des Internets enorm wichtig ist“ – und genau daran orientiert sich das Hauptziel des zweitägigen Workshops: Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollen für Inhalte im Netz sensibilisiert werden und Botschaften, die im Internet oft unter dem Deckmantel der Anonymität verbreitet werden, richtig einordnen können, getreu nach dem Motto: „Glaube nicht alles, was im Internet steht, sondern hinterfrage Inhalte kritisch!“

Wirre Pauschalisierungen als Bestandteil von Hassbotschaften im Internet

Damit die Schülerinnen und Schüler Botschaften im Internet kritisch bewerten können, stand der erste Teil des Workshops daher ganz im Zeichen der Frage „Woran erkenne ich überhaupt eine Hassbotschaft?“. „Ihr solltet vor allem auf bestimmte Sprachmuster achten“, erläutert Nicole Rauch vom JFF, und fügt Beispiele hinzu: „Eine sehr häufige Form, diffuse Hassbotschaften zu formulieren, zeigt sich in der Gleichsetzung wie etwa ‚Alle Flüchtlinge sind Sozialschmarotzer‘ oder aber in der vermeintlichen Gruppenbildung wie zum Beispiel ‚Wir müssen unsere deutschen Frauen vor Asylanten schützen‘“. „Genau dieser sogenannten „Hate Speach“ in Sozialen Medien im Internet müssen wir entschieden und energisch entgegentreten“, so Lena Riede.

Zusammen Alternativbotschaften formulieren

„Immer wieder hören wir von Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Aussage ‚Ich kann gegen Hassbotschaften im Internet eh nichts bewirken, und schon gar nicht alleine‘, berichtet Rauch. „Genau dieser Gedanke soll durch unser Projekt revidiert werden. Es kann jeder etwas gegen Hassbotschaften im Internet tun und Alternativbotschaften formulieren, welche die menschenverachtenden Inhalte der „Hate Speach“ wirksam entkräften – am besten in einer Gruppe,“, motiviert die Leiterin des Workshops alle Anwesenden; und diese ließen sich nicht lange bitten, als es hieß: „Formuliert eine alternative Gegenrede, welche man in den sozialen Medien posten könnte.“ Mit Spaß und Eifer entkräfteten die FOS-Schülerinnen und FOS-Schüler eine pauschalisierende und diskriminierende Falschaussage und Hassbotschaft nach der anderen.

Videodreh rundet Workshop ab

Ein weiteres Highlight bildete das Drehen von Videosequenzen anhand eines Mobbing-Szenarios, in dem eine Schülerin mit Kopftuch rassistisch beleidigt und von einigen Mitschülern in einen Raum der Schule eingesperrt wird. Sie postet über soziale Medien Bilder von ihrer verzweifelten Lage, die ein Freund entdeckt und sie schließlich aus ihrer misslichen Lage befreit. In einem Rollenspiel wurde diese Szene nachgespielt und mit Smartphones aufgezeichnet. Der Kreativität und technischen Gestaltung der Videosequenzen waren dabei keine Grenzen gesetzt. „Die Schülerinnen und Schüler haben tolle Videos gedreht. Mich hat dabei besonders beeindruckt, dass sich beim Rollenspiel auch die eher zurückhaltenden Schülerinnen und Schüler öffneten“ lobt Lena Riede die Einsatzbereitschaft der Jugendlichen.

Hoher Erkenntnisgewinn für alle Schülerinnen und Schüler

Am Ende waren sich alle Schülerinnen und Schüler einig: Der Workshop hat durch seine abwechslungsreichen Inhalte sehr großen Spaß gemacht. „Ich fand es super, aufgezeigt zu bekommen, wie man Hassbotschaften in Texten, Bildern und Videos identifizieren kann“, reflektiert der 17-jährige FOS-Schüler Meredith Heyden aus Siegenburg, und fügt hinzu: „Zudem hinterfrage ich Informationen vor allem aus den sozialen Medien jetzt noch kritischer, indem ich zum Beispiel überprüfe, woher die Inhalte aus einem Internetkommentar oder einem Bild genau stammen.“ Auch Melina Scherbaum ist vom Projekt begeistert. „Jetzt kann ich noch besser auf Hassbotschaften im Internet reagieren“, so die 16-Jährige aus Mainburg. Dem können Emily Leipritz (16) aus Siegenburg und Tanya Valcheva (17) aus Mainburg uneingeschränkt zustimmen: „Einen Workshop in dieser Form hatten wir bisher noch nicht gemacht“, äußerten sich die beiden Schülerinnen, die sich durch die gesammelten Erfahrungen aus beiden Tagen darin bestärkt sehen, ihre offene Einstellung gegenüber anderen Ethnien genau so weiter zu leben und dafür auch in den sozialen Medien aktiv einzutreten.

Nachhaltigkeit des Projektes am BSZ Kelheim

Aufgrund der hohen gesellschaftlichen Relevanz der Workshop-Inhalte und zum Zwecke der Förderung der Nachhaltigkeit des Projektes am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Kelheim gibt es an der Schule in naher Zukunft eine Fortbildung, in der das Projekt allen interessierten Lehrkräften vorgestellt wird, welche ihrerseits dann als Multiplikatoren wirken und so möglichst viele Schülerinnen und Schüler erreichen können, um Hassbotschaften in sozialen Medien im Internet aktiv und effektiv zu bekämpfen.

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