Der Zeitdruck nimmt zu
Postboten können nicht mehr: "Die Arbeitsbedingungen sind schlimm"

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:46 Uhr
−Foto: n/a

"Es ist Wahnsinn, vor allem zum Wochenende hin, die Belastung wird immer größer", sagt Norbert N. (Name geändert, der Redaktion bekannt). Der 39-Jährige ist Postbote bei der Deutschen Post – seit Jahren nimmt der Druck auf ihn und seine Kollegen zu. "Vor allem Einkauf Aktuell hat die Situation noch verschlimmert", sagt der Postbote.

REGENSBURG Einkauf Aktuell, das ist das Prospekt-Heft, das die Post verteilt – die Werbung in Plastikfolie wird von der Bevölkerung massiv abgelehnt, weil sie die Umwelt belastet. Längst ist die Post auf der Suche nach neuen Einnahmefeldern – und zwar ganz brutal, um die Rendite zu steigern. Aus dem einstigen Staatsbetrieb ist längst eine Heuschrecke geworden. Zwar hält der Bund über die KfW noch 20 Prozent, doch es sind die Finanzinvestoren, die vereinzelt zwar nur hier drei Prozent, dort ein paar Prozente am Konzern halten. "Aber hier wird der Druck massiv erhöht, um noch höhere Dividenden zu erzielen", sagt Franz Zellner. Er ist Vertreter der Gewerkschaft ver.di. Die hat die Postboten zu Warnstreiks aufgerufen. Ab 1. April plante die Post eine neue GmbH unter dem Namen "Delivery". Hier sollten 4.000 Paketzusteller unter noch schlechteren Bedingungen arbeiten. "Es gibt dann ein Vier-Klassen-System bei der Post: die Beamten, die Postboten, die vor 2001 angestellt wurden, sowie die, die neu angestellt wurden – die verdienen bis zu 500, 600 Euro weniger", so Zellner. Mit der GmbH würde die Post weiter outsourcen – Melanie Kreis, Personalchefin bei der Post, hat dies in der FAZ auch bereits für die Briefverteilung in den Raum gestellt: „In dieser frühen Phase der Überlegungen möchte ich nichts von vornherein ausschließen“, sagte Kreis.

Genau deshalb sind ver.di-Mann Zellner und viele Postboten auch alarmiert. Vergangene Woche legte man etwa in Regensburg, Deggendorf, Straubing und Passau die Arbeit nieder. Die Forderung bezieht sich nur auf die Arbeitszeit, denn nur dieser Tarifvertrag ist ausgelaufen: „"Wir fordern 36 statt 38,5 Stunden", so Zellner – allerdings mit dem Hintergrund, dass die Post, siehe oben, den Druck ohnehin erhöht hat. Mit Expertisen wird die Zeit errechnet, die ein Postbote brauchen darf. Für ein Einkauf Aktuell, das in der Plastiktüte zugestellt wird, ist es knapp mehr als eine Sekunde. "Das ist zu wenig", sagt Zellner.

Zudem: Die Post steuert zwischenzeitlich gezielt die Arbeitsbelastung für ihre Postboten. "Etwa durch die Postwurfsendungen stellen wir fest, dass die Arbeit so gesteuert wird, dass die Postboten am Montag nur vier Stunden arbeiten, der Druck wird dann Donnerstag, Freitag und Samstag aufgebaut." Da arbeiten die Postler ohnehin auf Anschlag, viele bewältigen ihre Arbeit nicht mehr. Vor allem wirft ver.di der Post vor, sich auf Kosten der Mitarbeiter zu bereichern. "Ich kann ja verstehen, dass wir Zugeständnisse machen bei Weltbild oder Karstadt-Quelle, wo kein Geld verdient wird. Aber bei der Post ist die Situation so, dass statt 1,3 Milliarden Euro Gewinn 1,5 oder 1,6 Milliarden gemacht werden. Die Dividende wurde letztes Jahr um sechs Prozent erhöht – all das auf Kosten der Mitarbeiter." Die Post hat derzeit 180.000 Postboten, davon sind 75.000 Beamte. Der Rest hat Angst vor der Zukunft, weiß nicht mehr, wie es weitergehen wird mit der einstigen Marke Deutsche Post.

Dabei, sagt Zellner, habe man ohnehin viele Zugeständnisse gemacht: "Zum Beispiel sind der 24. und der 31. Dezember ohne Murren zu Arbeitstagen erklärt worden und müssen nun freigenommen werden. Das sind 360.000 Arbeitstage, die man der Post geschenkt hat", so Zellner weiter. Postbote Norbert N. beteiligt sich gerne an den Streiks. "So kann es nicht mehr weiter gehen – vor allem müssen wir untereinander solidarisch sein, es kann nicht sein, dass immer mehr Bereiche ausgegliedert werden, Kollegen bis an den Rand der Belastbarkeit arbeiten." Am 14. April trifft sich die Gewerkschaft wieder mit der Post, auch Ende April und am 8. Mai wird verhandelt. Letzterer ist international der "Tag der Befreiung" vom Joch der Diktatur. Vielleicht befreit der Tag die Postboten vom Joch der ungezügelten Gewinnmaximierung.

Regensburg