Disziplinarverfahren
Polizist fasste Flüchtling hart an – Gericht kürzt Gehalt des Beamten

20.03.2019 | Stand 13.09.2023, 6:50 Uhr
−Foto: n/a

Die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts in Regensburg musste über einen Übergriff auf einen Flüchtling urteilen. Ein Polizist hatte im Herbst 2015 hart zugefasst.

LANDSHUT Darf ein Polizist härter zugreifen, wenn sich Jugendliche weigern, Fingerabdrücke abzugeben? Dieser Frage ging am Montag die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts in Regensburg nach. Verantworten musste sich ein Polizeihauptkommissar, der bereits vom Landgericht Landshut wegen Körperverletzung im Amt zu 150 Tagessätzen verurteilt wurde. Jetzt klagte das Polizeipräsidium München auf Degradierung.

Das war geschehen: Am 16. August 2015, dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise, wurden drei jugendliche Afghanen ohne Fahrschein in einem Zug nach Landshut erwischt. Die Bundespolizei lieferte die drei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die aus Landau aus einem Heim entwichen waren, bei der Polizeiwache in Landshut in der Neustadt ab. Doch dort weigerten sie sich, ihre Fingerabdrücke abzugeben. Daraufhin rief eine Polizistin den Hauptkommissar – der Zwei-Meter-Hüne sollte schlichten helfen. Doch die Situation eskalierte. „Es kam zu einem Tumult“, sagte der Polizist vor der Disziplinarkammer. „Ein Kollege hatte sogar eine blutende Bissverletzung.“ Vier Polizisten versuchten, die jungen Afghanen zu bändigen. Schließlich gelang es den Polizisten, alle drei Flüchtlinge zu fesseln und zu fixieren. Doch dann versagte auch noch der Finger-Scanner. Die Polizisten mussten die drei Festgenommenen in die Räume der Kriminalpolizei in den ersten Stock bringen.

„Wir müssen uns an das Strafurteil halten“

Einer der jungen Männer aber geriet offenbar außer Rand und Band. „Er trat um sich und drehte sich wie auf einem Karussell“, beschrieb der Hauptkommissar die tumultartigen Szenen in der Landshuter Polizeiwache. Schließlich setzte sich der Afghane in die Hocke, am Rücken mit Fesseln fixiert. Als sich der junge Mann weigerte, in den ersten Stock zu kommen, zog der Polizist an den Fesseln bis zum Anschlag seiner Arme am Schultergelenk. Der junge Mann zappelte in der Luft und schrie vor Schmerzen. Zu dritt trugen die Polizisten den Afghanen schließlich in den ersten Stock. Da biss der junge Mann wieder einen Polizisten, auch den beklagten Polizisten hatte er gebissen. Doch all dies war für den vorsitzenden Richter nicht relevant: „Wir sind gehalten, uns an das Strafurteil zu halten, weil der Gesetzgeber glaubt, dass das Strafgericht sachnäher ist“, hatte der schon zu Anfang der Verhandlung gesagt. Und das Landgericht hatte eben das Urteil gesprochen. Da half es auch nicht, dass die Anwältin des Polizisten zu Protokoll gab: „Bei der ärztlichen Untersuchung wurde festgestellt, dass der Festgenommene keine Verletzungen hatte.“ „Spielt keine Rolle“, sagte der Richter, „Schmerzen reichen für die Körperverletzung aus.“ Einer der beisitzenden Laienrichter, der selbst Polizist ist, fragte nach: „Aber wenn der junge Mann auch an den Füßen gefesselt war, wie hätte er sich dann wehren sollen?“. Der Hauptkommissar erwiderte: „Es war erkennbar, der deutsche Staat passt ihm nicht, er war mit der Polizei nicht zufrieden und er sagte dauernd: ,Fuck the Police‘.“ Er war entsetzt, „als ich eine Klage auf den Tisch bekommen habe, nur weil ich jemanden fixiert habe, der sich widersetzte“.

Sogar ein Messer soll der Polizist schließlich gezogen haben, als die Flüchtlinge sich weiter weigerten, die Fingerabdrücke abzugeben. Da wurde es abenteuerlich: Er wollte sich nur versichern, „dass das Messer nicht aus der Scheide gleitet“. Der Polizist hatte das Messer sogar mitgebracht in den Gerichtssaal, durch die Schleuse des gesicherten Gerichts kam er mit seinem Dienstausweis als Polizist. Bei der Landshuter Polizei sagten zwei Kolleginnen des Mannes aus, dass sie über das gezogene Messer schockiert waren.

Der Flüchtling indes musste für seine Angriffe auf die Polizisten übrigens nicht geradestehen – laut Richter ist er wohl „irgendwo in Schweden“.

Am Ende wurde der Hauptkommissar verurteilt: 18 Monate lang wird er ein um zehn Prozent gekürztes Gehalt bekommen. „Er hat ein Dienstvergehen begangen, das auch disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen muss“, sagte der vorsitzende Richter in seinem Urteil. Sowohl die Körperverletzung, als auch die Drohung mit dem Messer sah die Kammer als erwiesen an. „So etwas darf im Amt nicht geschehen“, so der Richter.

Landshut