EU und Wirtschaft
Ostbayerns Handel ist in großer Sorge über den Brexit

22.02.2019 | Stand 04.08.2023, 18:56 Uhr
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Kilometerlange Lkw-Schlangen an den Häfen in Richtung Großbritannien. Chaos bei der Abfertigung in Dover. So in etwa könnte es aussehen, wenn am 29. März um 0 Uhr Brüsseler Zeit – in London 23 Uhr des Vortags – das Vereinigte Königreich ohne Austrittsabkommen die EU verlässt. Rund 50 Unternehmensvertreter informierten sich am Donnerstag in der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim über mögliche Folgen des Brexits für Import und Export.

REGENSBURG „Kommt ein harter Brexit, kommt ein weicher, kommt gar kein Brexit…Die Verunsicherung der Firmen ist groß“, stellt Markus Huber, stellvertretender Abteilungsleiter International bei der IHK, fest. Fragt man den Zoll, so hält der das oben beschriebene Szenario mittlerweile für wahrscheinlich. „Leider steuern wir auf einen Brexit ohne Abkommen zu“, vermutet Stephan Dobmeier vom Hauptzollamt Regensburg. „Die Zollverwaltung bereitet sich auf den harten Brexit vor“, fügt Sachgebietsleiter Valentin Liedke an, der beim Zoll in Bayern das Thema Brexit koordiniert. Bei einem weichen Brexit müsste der Zoll erst einmal nicht tätig werden. Dann gäbe es eine Übergangszeit, in der zwei Jahre lang alles beim Alten bleibt und in der ein umfassendes Freihandelsabkommen oder eine Zollunion zwischen der EU und UK ausgehandelt werden könnte. Beim „harten“ Szenario hingegen, wäre Großbritannien mit einem Schlag ein Drittland gegenüber der EU – mit allen zollrechtlichen Konsequenzen. „17 Prozent mehr Exporte sind dann beim deutschen Zoll zu deklarieren, und knapp zehn Prozent mehr Importe“, schätzt Liedke.

Hohe Zollkosten, lange Wartezeiten

Für die Unternehmen bedeutet eine Zollabfertigung höhere Kosten aufgrund von Abfertigungsgebühren und Einfuhrzöllen. Wie teuer das wird, das könne man sich heute bereits ausrechnen. „Das ist vergleichbar mit Russland oder den USA“, sagt Zollexperte Dobmeier.

Ob man nach dem 29. März seine in Großbritannien bestelle Ware bereits am darauffolgenden Tag geliefert bekomme wie bisher, lautet eine Frage aus dem Auditorium. Die Zöllner sind skeptisch, schließlich gebe es zwischen der EU und UK noch keinerlei Zollerleichterungen, wie etwa das Versandverfahren, das mit Norwegen, der Türkei oder der Schweiz gilt. „Ohne einem solchen Verfahren müssen die Waren bei der Ausfuhr beim deutschen Zoll gemeldet und bei der Einfuhr in Großbritannien erneut deklariert werden, anders herum genauso“, erklärt Dobmeier.

Valentin Liedke sieht zumindest an den deutschen Zollstellen, etwa in Bremerhaven, keine zusätzlichen Wartezeiten auf die Firmen zukommen. „Obwohl der deutsche Zoll nach einem harten Brexit mittelfristig 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu einstellen müsste, können wir das kurzfristig dank der elektronischen Verfahren abfangen.“ Das Hauptzollamt empfiehlt den mit Großbritannien Handel treibenden Unternehmen, sich – sofern noch nicht geschehen – umgehend eine Zollidentifikation, die so genannte EORI-Nummer zu besorgen und sich für das Online-Zollverfahren ATLAS anzumelden.

Wie die Lage beim Zoll in Großbritannien ist, wagt niemand genau zu sagen. Vor der Ausfuhr über den Hafen in Dover jedoch warnen die deutschen Zöllner bereits: „Das ist ein Flaschenhals. Bei zeitkritischer Ware sollten Sie über Alternativen nachdenken“, empfiehlt Dobmeier. Zum Beispiel könne man Waren über die Flughäfen ausführen, auch wenn das teurer käme. „Bereiten Sie sich auf den Worst Case vor“, fasste Markus Huber von der IHK die Infoveranstaltung zusammen. Britische Gelassenheit kommt bei den ostbayerischen Unternehmen in Sachen Brexit nicht auf.

Die IHK und das Hauptzollamt Regensburg informieren die Unternehmen mit der Veranstaltung „Aktuelle Entwicklungen des Brexit“ auch am 27. Februar in Weiden sowie am 12. März in Rötz im Landkreis Schwandorf und am 14. März in Kastl im Landkreis Amberg-Sulzbach. Anmeldung unter www.ihk-regensburg.de/veranstaltungen

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