In drei Etappen über die Alpen
Menschliche Ziehmütter begleiten Waldrapp-Flug ins Winterlager

22.08.2018 | Stand 29.07.2023, 3:37 Uhr
−Foto: n/a

Die Burghauser Waldrappe finden diesen Weg schon ganz allein

BURGHAUSEN/ITALIEN. Am 15. August startete die fünfte menschengeführten Migration im Rahmen des Europäischen LIFE+ Wiederansiedlungsprojektes in Überlingen am Bodensee, Baden-Württemberg. Am Dienstag, 21. August, erreichte das Team den Flugplatz Thiene am Nordrand der Po-Ebene. In nur drei Flugetappen mit einer Gesamtstrecke von 408 Kilometer wurden die Alpen überquert. Nun sind noch rund 500 Kilometer zu fliegen, um das Wintergebiet der Waldrappe zu erreichen, das WWF Schutzgebiet „Laguna di Orbetello“ in der südlichen Toskana.

Königsetappe war der zweite Flug, von Andelsbuch im Bregenzerwald über den Arlberg bis auf den Reschenpass. Am 19. August, um 9.30 Uhr starteten zwei Fluggeräte mit je zwei Personen und 29 jungen Waldrappen im Gefolge in Andeslbuch im Bregenzerwald, Vorarlberg. In 2:15 Stunden legte die Formation 120 Kilometer zurück und landete auf einer Wiese am Reschenpass auf 1.500 Meter Seehöhe, direkt an der Grenze zu Italien. Diese Flugetappe führte über Warth und Lech auf den Arlbergpass und dann durch das Oberinntal weiter zum Reschenpass.

Projektleiter und Pilot Johannes Fritz: „Dieser Flug über den Arlberg war einfach perfekt. Die gut ausgeprägte Thermik brachte uns bereits bei Lech auf eine Flughöhe von 2.500 Meter, sodass wir den Pass problemlos überfliegen konnten. Im weiteren Verlauf stiegen wir noch auf 2.600 Meter, höher als wir je zuvor mit den Waldrappen geflogen sind. Die Vögel sind zeitweise in der Thermik noch weiter gestiegen und einmal sogar in den Wolken verschwunden. Dieser Fug war für uns Piloten und die beiden Ziehmütter fast schon surreal und an Faszination kaum mehr zu überbieten.“

Zwei Tage später, am 21. August, startet das Team bereits wieder am Reschenpass. Für die Strecke von 190 Kilometer, an Meran und Bozen vorbei bis nach Thiene am Nordrand der Po-Ebene, waren mindestens 4:30 Stunden veranschlagt. Tatsächliche landetet das Team bereits nach 3:45 Stunden. Für Ziehmutter Anne-Gabriela Schmalstieg war es ein Geburtstagsflug: „Dieser Flug war sensationell, ein großartiges Geburtstagsgeschenk! Die Vögel sind unglaublich gut mitgeflogen und ließen sich bis auf 2.200 Meter Seehöhe führen. So konnten wir die Südtiroler Berge geradlinig überfliegen.“ Selbst eine Adlerattacke kurz vor Meran konnte den Rekordflug nicht stoppen. Die Waldrappe reagierten sehr rasch und suchten die Nähe der Fluggeräte.

Der Waldrapp gehört zu den zehn bedrohtesten Zugvogelarten der Erde. Es gibt nur mehr eine wilde Population in Marokko. Die erfolgreiche Erhaltungszucht in Zooinstitutionen bildet die Grundlage zur Wiederansiedlung dieser Zugvogelart in geeigneten Europäischen Lebensräumen. Das Europäische LIFE+ Projekt, an dem acht Partner aus Deutschland, Österreich und Italien beteiligt sind, hat die Wiederansiedlung einer wild lebenden Population zum Ziel. Den Nachkommen von Zoovögeln muss eine Zugroute in ein geeignetes Wintergebiet gezeigt werden, bevor sie ausgewildert werden. Diesem Ziel dient die menschengeführte Migration. Dafür wurden Waldrappküken aus Zookolonien von den Projektmitarbeiterinnen Corinna Esterer und Anne-Gabriela Schmalstieg aufgezogen. Die auf die beiden Ziehmütter geprägten Jungvögel lernten im Rahmen eines zwei Monate dauernden Trainingsprogramms, den Ziehmüttern in Fluggeräte zu folgen.

In diesem Jahr besteht das Migrationsteam aus 21 Personen. Mit dabei sind auch Wissenschaftler, die im Rahmen eines vom Österreichischen Wissenschaftsfond finanzierten Forschungsprojektes untersuchen, wie und warum viele Zugvögel wie der Waldrapp in V-Formationen fliegen. Dazu tragen die Vögel währen einiger Flüge speziell entwickelte GPS-Datenlogger. Zudem kooperiert das Team auch mit der ICARUS Global Observation System GmbH, die eine innovative Technologie zur Tierortung entwickelt. Die Waldrappe tragen Prototypen dieser fünf Gramm schweren Sender und liefern den Ingenieuren wichtige Information zur Optimierung des Systems.

In Burghausen und Kuchl gibt es schon zwei kleine Brutkolonien mit insgesamt rund 80 Tieren. Seit 2011 fliegen Waldrappe selbstständig zwischen dem Wintergebiet in der Toskana und den beiden Brutgebieten hin und her. In diesem Jahr sind insgesamt 26 Jungvögel in diesen beiden Brutgebieten aufgewachsen. Sie werden von ihren Artgenossen in das Wintergebiet geführt, wo sie auf die 29 Jungvögel treffen, die derzeit von Menschen geleitet den Weg in die Toskana lernen.

Bereits am 23. August, soll die Reise weiter gehen. Geplant ist ein Flug quer über die Poebene. Bei gutem Verlauf soll auch gleich noch der Apennin überflogen werden. Damit würde die Serie an Rekordflügen fortgesetzt.

Über die Reise wird auf der Facebook-Seite des Projektes kontinuierlich berichtet. Kurz vor jedem Start wird ein Livetrack gepostet, über den man den Flug mit den Vögeln live mitverfolgen kann.

Altötting