Der ehemalige SZ-Sportchef wohnt jetzt in Laufen
Ludger Schulze: Jahrzehntelang am Puls des Weltfußballs

07.07.2017 | Stand 25.10.2023, 12:00 Uhr
−Foto: n/a

Im Gespräch über Begegnungen, Reisen und über „goldene Zeiten”.

LAUFEN Als Kind war ihm klar: Ich werde Sportreporter! Damals diente ein Topfkratzer als Mikrofon, Jahre später sitzt er mit dem argentinischen Nationaltrainer Cesar Luis Menotti in Genua und führt das großartigste Interview seines Lebens. Ludger Schulze, 17 Jahre lang Sportchef der Süddeutschen Zeitung, wohnt seit einigen Jahren im Rupertiwinkel – dem „Paradies auf Erden”, wie er ihn nennt. Das Wochenblatt besuchte den 62-Jährigen, durfte auf der schattigen Terrasse bei Cappuccino, Vogelgezwitscher und Blick auf den üppigen Garten eintauchen in die Welt eines namhaften Journalisten des Landes.

„Für mich stand fest, dass ich einmal aufs Land gehe, obwohl ich es mir schrecklich vorstellte. Landleben war eine fremde, ferne Welt für mich, eine unentdeckte Leidenschaft”, erinnert sich Ludger Schulze.

Aus gesundheitlichen Gründen zog sich der SZ-Sportchef im Jahr 2010 überraschend zurück und lebt seitdem in einem idyllisch gelegenen Haus in Laufen, dem Heimatort seiner Frau. „Hier gehe ich nur mit den Füßen vorangetragen weg”, ergänzt er schmunzelnd. In die Großstadt München, die Stadt, in der er fast 40 Jahre lebte, fährt er heute nur noch berufsbedingt.

Ludger Schulze kennt alle Größen des deutschen Fußballs, hatte viele „großartige Interviewpartner”: Kanzlerin Angela Merkel und Kanzler-Kandidat Peer Steinbrück, Autor Günter Grass, Kardinal Lehmann und Campino von den Toten Hosen. Er steht mit Franz Beckenbauer auf Du und Du, Uli Hoeneß war im Jahr 2001 einer seiner Hochzeitsgäste.

Der Journalist denkt gerne an „die großen Reisen und Begegnungen” zurück. Eine Zeit, in der er zu Fußball-Weltmeisterschaften und großen Turnieren fuhr. Mexico, Italien, Frankreich. Unterwegs mit namhaften Kollegen, wie seinem Mentor Herbert Riehl-Heyse oder Axel Hacke.

Schulze spricht vom Kitzel, eine Geschichte rechtzeitig bis Redaktionsschluss zu schreiben und dennoch „mit der Sprache zu spielen”. Spannung und Freude habe ihm dies bereitet.

Zwei Fußball-Weltmeisterschaften ragen in seiner Erinnerung spontan als die „schönsten” heraus: Italien (1990) und Deutschland (2006). Schulze erinnert sich an schönes Wetter, gute Leistungen und vor allem die „unfassbar” gute Stimmung. Immer wieder aufs Neue erstaunt und fasziniert, „wie glücklich so ein simples Spiel wie Fußball die Menschen machen kann”.

Später dann die Zeit als Ressortleiter – zuerst der Reportagenseite 3, später in der Sportredaktion. Hier verstand sich Schulze stets als Stützpfeiler „für die Kollegen draußen”. Als Entdecker und Förderer junger Talente, wie Christian Zeschke, Holger Gertz oder Javier Cáceres. In dieser Zeit galt es auch vielen repräsentativen Pflichten, etwa als Redner bei Veranstaltungen der Sportverbände, nachzukommen.

„Ich erlebte die goldenen Jahre des Zeitungsjournalismus in Deutschland”, sagt Ludger Schulze: „Der Stress war überschaubar, man durfte sich Zeit nehmen für einen Artikel. Damals unterlagen wir dem Diktat der Uhr noch nicht so extrem, wie es heute der Fall ist. Die Arbeitszeiten waren vernünftig, die Bezahlung gut.”

Das Internet unterwirft den Journalismus – zumindest im Online-Bereich – immer häufiger dem Joch ausufernder Arbeitszeiten bei schlechter Bezahlung. Die Printmedien sparen, reduzieren die Redaktionen – auch die großen Qualitätszeitungen.

Die Bereitschaft, für Qualitätsjournalismus zu bezahlen, sank bei den Lesern: „Eine Süddeutsche Zeitung, an der täglich hunderte Menschen arbeiten, kostet zwei Euro. Ein angemessener Preis. Soviel kostet ein Espresso, darüber denkt keiner nach”, sinniert Schulze.

Er ist Journalist mit Leib und Seele, das ist deutlich zu spüren. 1975 brach Schulze sein Germanistik- und Geschichtsstudium ab, nutzte die Chance, einen Artikel über den verletzten FC Bayern-Spieler Björn Anderssen zu schreiben. Die SZ druckte ihn Wort für Wort ab. Volontariat, Anstellung als Redakteur und Karriere folgten.

„Ich verstand meine Aufgabe stets darin, kritisch zu hinterfragen, dennoch unterhaltende Elemente einzubauen. Der Sport ist ernst geworden, die Leser sind erleichtert, einmal lachen und schmunzeln zu können.”

Heute darf sich Ludger Schulze den Luxus gönnen, nicht mehr objektiv sein zu müssen, weil er die Fußballspiele nicht unter professionellen Gesichtspunkten betrachten muss, wie es die Aufgabe eines Journalisten ist. Schulze ist erklärter FC-Bayern-Fan und genoss das Champions-League-Finale FC Bayern - Borussia Dortmund in London – nicht auf der Pressetribüne, sondern vom Zuschauerraum aus.

Er teilt sich die Zeit selbst ein, den „höllischen Stress” des Tagesgeschäfts ließ er hinter sich. Ganz zur Ruhe setzte er sich nicht, denn: „Ich muss etwas tun.”

Schulze ist sympathisch, auf dem Boden geblieben, menschlich und mit dem vielen Journalisten eigenen trockenen Humor ausgestattet. Auf die Interview­anfrage reagierte er zuerst skeptisch, ob eine Geschichte über ihn interessant sei. Ist es. Immerhin war er jahrzehntelang dem Weltfußball ganz nah

Berchtesgadener Land