Digitale Zukunft
Lebenslanges Lernen mit Robobtern als Konkurrenten – da kommt sogar der Chef der Arbeitsagentur

24.01.2019 | Stand 13.09.2023, 1:46 Uhr
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Langzeitarbeitslose sollen künftig eine zweite Chance im Conti-Werk in Regensburg bekommen. Zur Vorstellung kam sogar der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit und die Personalchefin des Elektronikkonzerns mit 220.000 Mitarbeitern weltweit.

REGENSBURG Das Unternehmen Continental hat weltweit 220.000 Mitarbeiter. Doch gleichzeitig entwickelt man Roboter, die den Menschen ersetzen sollen. Am Dienstag war der Vorstandsvorsitzende der Agentur für Arbeit zusammen mit der Personalchefin des Unternehmens in Regensburg vor Ort. Dort macht man gerade Langzeitarbeitslosen und ungelernten Arbeitern Hoffnung, den Kampf gegen die Roboter zu bestehen.

„Fit für die Industrie 4.0“, kurz FifI, heißt ein Projekt, das seit 2017 bei Conti läuft. Am Podium sitzt am Dienstagnachmittag (22. Januar) der Bundesvorstand der Agentur für Arbeit, Detlef Scheele, neben Conti-Personalvorstand Ariane Reinhart. Dazwischen sind vier ungewöhnliche Auszubildende platziert: Sie waren allesamt zunächst ungelernt bei Conti arbeiteten, dann aber eine Ausbildung begannen: Zu gleichen Konditionen. Damit hat Conti sich auch dem Flüchtlingsproblem gestellt: Einer der Podiumsgäste heißt Sadjad Wannack, er kam 2016 aus dem Iran nach Deutschland. Gelernt hatte er dort KFZ-Mechaniker, doch die Ausbildung wurde ihm in Deutschland nicht anerkannt. Scheele wird hellhörig: „Konnten Sie das denn, was Sie auf dem Papier nicht vorweisen konnten?“ Wannack beschreibt das so: „Als ich bei einem KFZ-Betrieb in der Oberpfalz als Hilfsarbeiter gearbeitet habe, hat entweder mein Chef oder ich die Autos repariert. Mehr Mitarbeiter gab es nicht. Aber ich bekam Mindestlohn.“ Scheele meint, er kann den Druck der Kammern verstehen, Ausbildungen nicht einfach anzuerkennen. „Aber wir müssen dahin, dass man seine Fähigkeiten in Deutschland auch praktisch nachweisen kann.“

Über eine Zeitarbeitsfirma kam der Iraner Sadjad Wannack zu Conti, nutzte die Chance – jetzt ist er im dritten Lehrjahr für die Ausbildung als Mechatroniker mit Spezialisierung auf die Industrie 4.0. Mit ihm hat Conti 19 weitere Auszubildende in dieser Initiative der Bundesagentur angestellt. Sie verdienen wie bisher am Band, qualifizieren sich aber weiter.

Scheele ist aber nicht nur deshalb gekommen. Denn die Kluft zwischen Ungelernten, die in die Langzeitarbeitslosigkeit abgleiten, und hochqualifizierte Kräfte wird gerade in Bayern größer. Deshalb startet die Bundesagentur für Arbeit mit Conti aufgrund des seit 1. Januar wirksamen „Teilhabechancengesetzes“ eine Initiative für Langzeitarbeitslose.

Doch nicht jeder hat das Glück, bei einem Global Player wie Conti unterzukommen. Derzeit arbeiten in Deutschland drei Millionen Menschen in der Logistik, dreimal so viele wie in der Elektrobranche und dem Maschinenbau, so der Bundesverband der Logistikunternehmen. Solange man Dinge nicht „beamen“ kann, wird das wohl auch so bleiben. Doch der Faktor Mensch wird zusehends zum Problem: Oft sind Paketzusteller und Lastwagenfahrer Berufe im Niedriglohnsektor. Immer weniger Menschen wollen angesichts immer höherer Bildungsgrade einen solchen Beruf ausüben – die Folge davon: Mangel und steigende Kosten für die Wirtschaft. Von Conti aus Regensburg kommt eine Innovation, die den Lieferverkehr gründlich umkrempeln könnte. Letzte Woche wurde sie auf der „Consumer Electronic Show“ in Las Vegas vorgestellt: „Warenlieferung mit Lieferrobotern und fahrerlosen Fahrzeugen“ heißt das Stichwort. Gemeint sind der „CuBe“, ein autonom fahrender Liefer-Van, und der „Robo-Dog“, Hunden nachempfundene Roboter, die Waren vom CuBe zum Kunden bringen sollen. Entwickelt wurde der CuBe maßgeblich am Conti-Standort in Regensburg.

Conti-Personalvorstand Ariane Reinhart und Bundesagentur-Chef Detlef Schelle im Conti-Werk in Regensburg. −Foto: Katharina Francis

„In der künftigen Mobilitätslandschaft werden traditionelle Autos durch neue Möglichkeiten der komfortablen und preiswerten Fortbewegung ergänzt“, so ein Sprecher des Unternehmens, „etwa durch fahrerlose Shuttles, Lieferroboter, elektrische Roller oder auch Drohnen.“ Immer wieder brachte auch der E-Commerce-Gigant Amazon Drohnen ins Spiel.

Doch ob das wirklich eine Lösung ist, wird von Experten der Logistikbranche häufig bezweifelt. Der Himmel über Deutschland würde schwarz werden, heißt es da etwa. Der CuBe soll auf dem Boden zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Elektronisch betrieben soll er das Umweltproblem lösen, den der Verkehr verursacht. Zudem soll die fahrerlose Technik das Personalproblem beheben. Die Abkürzung steht für „Continental Urban mobility Experience“.

Für die Conti-Mitarbeiter indes wird der Wandel in der Logistik-Branche zunächst keine große Rolle spielen. Für sie wird sich die Frage stellen, ob ihre Kenntnisse ausreichen, den Wettbewerb mit der Künstlichen Intelligenz zu gewinnen. Dabei haben Mechatroniker wie Sadjad Wannack eine viel größere Chance, als er sie zuvor am Band hatte.

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