Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg
Kriegsende: Abensberg wurde kampflos übergeben – Neustadt wurde schlimm zerstört

09.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:48 Uhr
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In den letzten Kriegstagen spielten sich grausame Szenen in der Region ab. Fast auf den Tag genau vor 70 Jahren kapitulierten die Abensberger und entgingen somit dem Schicksal, das den Neustädtern blühte – die fast vollständige Zerstörung.

LANDKREIS KELHEIM In Bad Gögging befanden sich während des Krieges zwei Genesungslazarette, im Laufe der heranrückenden Front kamen in Abensberg mehrere Teillazarette hinzu. Anfänglich wurde im Krankenhaus in der Osterriedergasse (vormalige Mariengasse) und in der Abensberger Volksschule Teillazarette als Außenstellen des Lazaretts Bad Gögging eingerichtet.

Bei Kriegsende kamen noch das sich im Rohbau befindliche Hitlerjugend-Heim (HJ-Heim), das Amtsgericht Abensberg und das alte Gefängnis dazu sowie zahlreiche private Quartiere, darunter auch die Abensberger Gaststätten Kuchlbauer, Hofbräu, Jungbräu und Ottenbräu. Die ganze Dramatik des Kampfeswillens bis zum Schluss zeigt allein schon die Tatsache, dass von den Abensberger Lazaretten vom 9. März 1945 bis zum 19. April 1945 fast 160 Verwundete als kriegsverwendungsfähig entlassen wurden. In den Dokumenten ist auch angegeben, wie viele Tage Urlaub sie noch hatten und wann sich diese Soldaten bei welchem Truppenteil melden sollen.

Zahlreiche Verwundete sind in den Abensberger Lazaretten verstorben, die vom Benefiziaten Johann Sparrer auf dem Abensberger Friedhof beerdigt wurden. Die Totenscheine wurden überwiegend von Stabsarzt Dr. Franz Ardelt unterschrieben. Mehrere Abensberger wurden kurz vor Kriegsende noch Zeugen, als KZ-Häftlinge durch Abensberg Richtung Süden durchgetrieben wurden.

"Gesicht nach unten und dann Kopfschuss"

Ein damaliger Schüler erinnert sich: "Die KZ-Häftlinge haben sie durchgetrieben in der Münchener Straße raus, ja Richtung München halt. Wenn da einer zusammengebrochen ist, dann ist einer hin, sind zwei hin und haben den hochgehoben und haben ihn mitgezerrt. Aber nicht lange, dann sind sie selbst zusammengebrochen. Und dann haben sie den, den sie in der Mitte gehabt haben, in den Graben hineingelegt, in den Graben mit dem Gesicht nach unten und dann ist ein Begleiter, ein Soldat, gekommen – Kopfschuss – zack! Habe ich selber gesehen. Da war ich zwölf Jahre alt. Ich habe das zweimal erlebt, zweimal – es war nicht derselbe Durchzug, das war wieder ein anderer. Ja, dies habe ich zweimal gesehen. Mehrfach sind die durch. Das haben mehrere Abensberger gesehen. Die sind begraben worden. Die haben die SA-Leute beerdigen müssen am Friedhof." „Gesicht nach unten und dann Kopfschuss“

Einige KZ-Häftlinge kamen auf dem Aumühler Berg durch Beschießungen ums Leben, auch zwischen Kleedorf und Arnhofen starben KZ-Häftlinge. Nach einer vorläufigen Bestattung wurden alle Verstorbenen 1958 in einen Sammelfriedhof umgebettet. Nachdem die amerikanische Luftwaffe die Nachbarstadt Neustadt bombardiert und ziemlich zerstört hatte, schossen die Amerikaner mit der Artillerie nach Abensberg. Dabei wurden 70 Gebäude getroffen, darunter auch die Pfarr- und Klosterkirche. Bei der Beschießung kamen vier Abensberger ums Leben.

Kapitualtion am 28. April 1945

Da sich in Abensberg mehrere Teillazarette mit insgesamt bis zu 600 Verwundeten der Wehrmacht und der Waffen SS befanden, gelang es den Lazarettärzten Oberstabsarzt Reichsgraf Dr. Erwin von Neipperg und Stabsarzt Dr. Franz Ardelt, die Truppenführer der Waffen SS zu überzeugen, abzuziehen und auf diese Weise Abensberg kampflos zu übergeben. Daraufhin haben die Amerikaner mit der Artillerie-Beschießung von Abensberg aufgehört. Eine weitgehende Zerstörung so knapp vor Kriegsende blieb den Abensbergern erspart. Am 28. April 1945 war der Krieg auch in Abensberg offiziell beendet, die Stadt Abensberg wurde den amerikanischen Truppen kampflos übergeben. Annähernd 140 Abensberger von allen Waffengattungen sind auf allen Kriegsschauplätzen gefallen. Die beiden Stabsärzte Dr. Ardelt und Graf von Neipperg übergaben den Amerikanern die Stadt Abensberg kampflos am 28. April 1945 um 12 Uhr im Reservelazarett Krankenhaus.

Aber im Laufe der Tage und Wochen wurden nachweislich weitere circa 450 Neuzugänge in die Abensberger Lazarette eingeliefert, mit dabei waren auch tote Wehrmachtsangehörige und Angehörige der Waffen-SS Divison Nibelungen, die bei den Kämpfen gefallen waren oder auf andere Weise "zu Tode" kamen.

Der damalige Schüler Walter Lösch wohnte mit seinen Eltern im ersten Obergeschoss des Bahnhofgebäudes. Er schreibt, wie er den Amerikanern beim Beseitigen einer großen Baumsperre zwischen dem Bahnhof und der Bahnhofsrestauration helfen musste: "Also, dann bin ich mit dem Amerikaner rauf gegangen und dann hat er gesagt, ich soll da nauf krabbeln auf diese drei Meter hohe Sperre. Dann hat mir ein Amerikaner die Hand hingehalten und von dem seiner Hand bin ich dann raufgekommen. Auf einmal macht es ’tschick‘ – was war? Zwei Meter vor mir ist ein Granatsplitter, 20 Zentimeter ungefähr lang und zehn Zentimeter breit, der hat noch geglüht, ist in dem Baumstamm drinnen stecken geblieben. Zwei Meter vor mir ist der rein! Und hat noch geglüht! Deutsche Truppen haben mit Flak-Geschützen noch nach Abensberg geschossen."

Zahl der Flüchtlinge stieg sprunghaft an

Bereits im Frühjahr 1945 kamen auch die ersten Züge mit Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten in Abensberg an, nach dem Krieg nahm die Zahl der Flüchtlinge sprunghaft zu. Alle diese Flüchtlinge mussten auch untergebracht werden, dabei wurden zahlreiche Quartiere beschlagnahmt und fast jeder Haushalt musste Einrichtungs- und Bekleidungsgegenstände für die Versorgung der Flüchtlinge zur Verfügung stellen.

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