Hilfe und Unterstützung
Kinder gut ins Leben begleiten – Frühförderstellen helfen Eltern und Kindern

28.10.2019 | Stand 31.07.2023, 0:31 Uhr
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Was brauchen unsere Kinder, damit sie sich gut entwickeln und entfalten können? Viel Liebe und Zuwendung, ein Gesehen- und Verstandenwerden, Freiräume, stabile Beziehungen. Ist das so in den Familien? Was, wenn ein Kind behindert ist oder sich so ganz anders entwickelt als Kinder im gleichen Alter?

ABENSBERG In der Interdisziplinären Frühförderstelle (IFS) der KJF in Abensberg gibt es die erforderlichen Hilfen und Unterstützung als Antwort. Die Frühförderstelle ist fachlich gut vernetzt und bietet jährlich ein interdisziplinäres Treffen für Kooperationspartner an. „Netzwerkarbeit ist wichtig und solche Treffen sind gut“, bekräftigt Robert Wagner, Leiter des Allgemeinen Sozialdienstes im Jugendamt: „Die Erfahrung der Referenten und der Wechsel der Arbeitsfelder über die Jahre ist spannend und anregend.“ In diesem Jahr ging es um Beratungskonzepte und -erfahrungen. Referent Josef Krenner, Diplom Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut aus dem Caritas-Frühförderdienst Passau, brachte wertvollen Input für die Fachkräfte aus der Region Abensberg-Kelheim mit. „Über die Jahre hat sich ein funktionierendes Netzwerk entwickelt“, freut sich der Gesamtleiter Richard Ohrner von Magdalena, zu der auch die IFS gehört, „wir haben miteinander diskutiert, uns ausgetauscht und gut zugehört. Schön, dass sich alle hier so wohl fühlen. Gemeinsam können wir viel bewirken und den Kindern und Familien helfen.“

Steigende Anforderungen an Fachkräfte

In der Arbeit der Fachkräfte in der Frühförderung sind laut Franzl-Studie 2010 (Systemanalyse der Interdisziplinären Frühförderung in Bayern), psychosoziale und emotionale Auffälligkeiten, allgemeine und Sprachentwicklungsverzögerung sowie Wahrnehmungsstörungen die vorherrschenden Diagnosen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im sozio-emotionalen Bereich. Mehr spieltherapeutisch orientierte heilpädagogische Förderangebote, mehr Symbol- und Rollenspielmaterial etwa sind gefragt. Aufnahme- und Beratungsgespräche, Elternberatung und Elterngruppen gibt es in mehr als einer Sprache. Und weil immer mehr Kinder aus der KiTa an die Frühförderung verwiesen werden, eine Hausfrühförderung wegen der Berufstätigkeit der Mutter weniger möglich ist und die Nachfrage an Förderung insgesamt, wegen früherem Eintritt in die KITA und damit längerer Aufenthaltsdauer, steigt, steigen auch die Fallzahlen in der Frühförderung. Die Zusammenarbeit mit Eltern wird weniger, stattdessen arbeiten die Fachkräfte mit anderen Fachkräften aus Institutionen zusammen: weniger Familie, mehr KITA. Und dabei ist es „entscheidend, die Eltern zu erreichen und flexibel auf sie zuzugehen. Sie sind die wichtigsten Bezugspersonen. Die Belastungen der Eltern zu sehen und zu würdigen und ressourcenorientiert an den Stärken der Eltern zu arbeiten und anzuknüpfen, ist wichtig“, so der Psychologe Josef Krenner.

Beratung und Begleitung hilft Eltern und Kindern in der Frühförderung

Gelingt es in der Beratung, Eltern gut einzubinden und zu beteiligen, sind die Angebote wirksamer. „Es ist wichtig, Eltern in ihrem Alltag kennenzulernen und zu erleben“, erklärt Michaela Menzinger aus der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Kelheim. „Ressourcenorientiertheit und Eltern einzubeziehen ist wichtig ebenso wie früh und niedrigschwellig zu helfen“, sagt der Abensberger Allgemeinarzt Dr. Heinz Kroiss. Es sei beeindruckend, mit wie wenig Aufwand gute Effekte mit Elternarbeit erzielt werden können. Den Fachkräften in der Frühförderung steht eine Vielzahl von Beratungskonzepten zur Verfügung, die sie bei den Familien einsetzen können, so zum Beispiel das Gordon-Familientraining, die integrative kommunikationszentrierte Eltern-Säuglings/-Kleinkind-Beratung, ein Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten, das Heidelberger Elterntraining und vieles mehr. In der Beratungsarbeit bekommen die Eltern Informationen zu Themen wie Beruhigen, Füttern/ Essen, Schlafenlegen, Grenzen setzen, Trotzen, Spiel, oppositionell-aggressives Verhalten. Alltägliche Konfliktsituationen werden durchgespielt – wer kennt sie nicht? Trödeln am Morgen, Aufräumen, Anziehen, Sauberkeitserziehung, Geschwisterstreit ... Auch das Video-Interaktionstraining mit Filmaufnahmen im häuslichen Umfeld hilft den Eltern zum Beispiel Kommunikationssignale und Verhaltensweisen ihres Kindes besser zu verstehen.

In welcher Welt leben unsere Kinder?

Um Familien unterstützen, um Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern verstehen oder um passende Hilfen in schwierigen Lebenssituationen anbieten zu können, lenkte der Psychologe Josef Krenner den Blick zunächst auf die Lebensumstände von Familien heute: Eltern geben ihre kleinen Kinder heute bereits mit einem oder zwei Jahren in die Kinderkrippe, häufig sind beide Eltern berufstätig. Der Begriff „Helikopter-Eltern“ passt für viele von ihnen. Es gibt immer mehr alleinerziehende Mütter, nicht verfügbare Großeltern und ein schwächeres, unterstützendes soziales Netzwerk. Als „neue Morbidität“ bezeichne der Autor Hans G. Schlack, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, die Verschiebung des Krankheitsspektrums von Kindern und Jugendlichen von den akuten zu den chronischen Erkrankungen, von den somatischen zu den psychischen Störungen. Diagnosen wie Erschöpfungssyndrom und Burn-out betreffen zunehmend Mütter. 2008 litten 49 Prozent der Mütter in Mutter-Kind-Kurheimen an Erschöpfungszuständen und stressbedingten psychischen Störungen, 2018 waren es 86 Prozent. Zahlen, die erschrecken und nachdenklich machen.

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