Hartz IV-Leistungen gestrichen
Jetzt steht Franz (62) aus Ergolding völlig ohne Geld da

20.11.2019 | Stand 13.09.2023, 0:51 Uhr
−Foto: Foto: Casdorf

Franz Gschirr aus Ergolding (Landkreis Landshut) wurden die Hartz IV-Leistungen gestrichen : „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“

LANDSHUT Ein Monat ohne Geld. Franz Gschirr aus Ergolding muss gerade schmerzlich erfahren, was es bedeutet, wenn man sich selbst das Allernötigste nicht mehr leisten kann. Das Jobcenter hat dem Hartz IV-Empfänger in diesem Monat die Bezüge gestrichen. Komplett. Zu 100 Prozent. Der 62-Jährige ist fassungslos: „Ich bin aus allen Wolken gefallen.“

Ein Unfall und gesundheitliche Probleme in der Vergangenheit haben Franz Gschirr in soziale Schieflage gebracht. Er verlor seinen Job, seit Juli 2018 bekommt er Hartz IV. Auf Kosten des Staates zu leben, damit möchte er sich aber nicht abfinden. „Ich bin gesund, ich will arbeiten“, sagt er. Bis er wieder auf eigenen Füßen stehen kann, ist er aber auf die finanzielle Unterstützung angewiesen.

Umso härter trifft es Gschirr, als er Ende Oktober Post vom Jobcenter bekommt. Es geht um das Arbeitslosengeld II (424 Euro). In dem Schreiben heißt es: „Die Zahlung Ihrer Leistungen wurde vorläufig eingestellt, weil Sie eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben und Sie deshalb Ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen sichern könnten.“

Von ungefähr kommt die Skepsis der Jobagentur wohl nicht. Im Sommer, gibt Gschirr zu, habe er einen Monat bei einer Autowaschanlage gearbeitet. Ohne das Jobcenter ordnungsgemäß zu informieren. Ein Fehler, doch diesmal, beteuert Gschirr, läge der Fall anders. Er habe nur zur Probe bei einem großen Online-Versandhändler in München gearbeitet, allerdings nur ein paar Stunden. Von einer Festanstellung könne nicht die Rede sein.

Dass ihm das Arbeitslosengeld II ausgerechnet jetzt vollständig gestrichen wurde, trifft Gschirr besonders hart. Einen festen Job ab Dezember in der Paketabfertigung am Münchner Flughafen habe er in Aussicht gehabt, erzählt er. Doch dafür hätte er zuvor an einer Schulungsmaßnahme teilnehmen müssen. Ohne das Geld von Hartz IV, klagt er, „kann ich die Fahrtkosten nicht bezahlen.“

Das Jobcenter in der Lehbühlstraße in Landshut −Foto: Haydn

Gschirr ist mittellos, Rücklagen hat er nicht. Um über die Runden zu kommen, muss er Freunde bitten, ihm etwas Geld zu leihen und über die Notlage hinwegzuhelfen. Nur so kommt er irgendwie über die Runden. Denn: Nicht nur die 424 Euro, sondern auch die Zahlung der Miete sei in diesem Monat ausgeblieben. Dies habe ihm sein Vermieter erzählt.

Dass ihm die Zahlung verweigert wurde, findet der 62-jährige Single nicht korrekt: Laut aktueller Rechtssprechung dürfe die Hartz IV-Leistung nicht um 100 Prozent gekürzt werden. Ob es im Dezember anders wird, weiß Franz Gschirr nicht. Er habe momentan keinen Kontakt zum Jobcenter, erzählt er. Der 62-Jährige ist verzweifelt: „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll ...“

Stellungnahme vom Jobcenter des Landkreises Landshut

Zur aktuellen Situation von Franz Gschirr und den eingestellten Hartz IV-Leistungen hat das Wochenblatt beim Jobcenter nachgefragt. Zu Einzelfällen könne sie keine Auskunft geben, erklärt Jobcenter-Geschäftsführerin Anett Asztalos, personenbezogene Daten dürfe sie nicht weitergeben. Grundsätzlich jedoch gibt es bei den Jobcentern nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV-Sanktionen verschiedene „Anwendungshinweise“, erklärt Asztalos.

Bereits beschiedene und noch laufende Sanktionen für Erwachsene, die über 30 Prozent des Regelbedarfs hinausgehen, würden mit Wirkung zum 5. November aufgehoben und auf maximal 30 Prozent begrenzt. Sanktionen, über die noch nicht entschieden wurde, werden sofort auf maximal 30 Prozent des Regelbedarfs begrenzt. „Das Urteil selbst“, so Asztalos weiter, „erstreckt sich nicht auf den Personenkreis U 25 und nicht auf Meldeversäumnisse. Derzeit wird von Entscheidungen in diesem Bereich abgesehen. Die ausstehende Klärung wirkt sich somit nicht auf die Praxis aus.“

Landshut