Ausnahmezustand im Tierheim
Hunde-Schmuggler: Tierheim Passau platzt aus allen Nähten, Sicherheitsdienst beauftragt

11.07.2017 | Stand 04.08.2023, 13:15 Uhr
−Foto: n/a

Seit Beginn des Jahres wurden fast 100 Hundewelpen beschlagnahmt. Die Aufnahmekapazitäten des Tierheims sind erschöpft. Nach Anrufen von Welpenhändlern aus Bulgarien beauftragt das Tierheim Passau sogar einen Sicherheitsdienst. Auch die informierte Polizei fährt Streife.

PASSAU Die Facebook-Mitteilung des Tierheims Passau zur aktuellen Lage:

„Und schon wieder hat die Polizei Passau einen illegalen Hundetransport gestoppt“. Diese Schlagzeile konnte man in den letzten Wochen vermehrt lesen. Fast tagtäglich zieht die Bundespolizei im Rahmen der Grenzkontrollen Fahrzeuge, überwiegend aus Ungarn und Bulgarien, aus dem Verkehr, die Hundewelpen an Bord haben. Die Tiere sind meist viel zu jung, nicht (ausreichend) geimpft und manchmal in viel zu kleine Transportboxen gepfercht. Die Fahrer erhalten eine Anzeige nach dem Tierschutzgesetz und müssen eine Sicherheitsleistung hinterlegen.

Aufnahmestopp im Tierheim Passau-Ingling

Doch was passiert mit den Hundewelpen? Sie landen im Tierheim Passau-Ingling. Doch seit dem Wochenende sind die Aufnahmekapazitäten des Tierheims erschöpft. „Bei uns herrscht derzeit absoluter Ausnahmezustand sowie Aufnahmestopp“, so die Tierheimleiterin Bettina Mittler.

Das Telefon klingelt fast ununterbrochen: Viele rufen an und erkundigen sich wegen der neuen Hundewelpen. Unter ihnen sind aber auch die Händler, die ihre Hunde wieder zurückhaben wollen. „Grundsätzlich dürfen die Händler, wenn die Tiere alt genug sind, sie auch wieder haben. Sie müssen lediglich alle Kosten, die wir für die Hunde gezahlt haben, begleichen. Doch das ist den Händlern meist zu teuer“, erzählt Mittler, sichtlich erschöpft von den letzten Tagen und Wochen.

Seit Beginn des Jahres hat die Polizei Passau im Rahmen der Grenzkontrollen fast 100 Hunde, überwiegend Welpen, beschlagnahmt. Warum sich die Transporte gerade jetzt so häufen, bleibt dem Tierheim sowie der Polizei ein Rätsel. „Da können wir nur mutmaßen“, so Rudolf Bauer von der Polizei Passau.

Die Schuld sieht Tierheimleiterin Bettina Mittler bei der Bevölkerung: „Viele lassen sich von den zahlreichen Fotos von den süßen Hundewelpen im Internet blenden. Sie verlieben sich in die kleinen Racker und wollen unbedingt einen haben. Koste es, was es wolle“. Doch die Welpen werden dabei viel zu früh von der Mutter getrennt. Nachdem die Hunde teilweise erst vier Wochen alt sind, können sie zudem noch gar nicht geimpft sein. Die Impfung gegen Tollwut, die in der EU Pflicht ist, erfolgt erst ab der 12. Woche.

Welpen erst ab Alter von 15 Wochen abgeben!

Erst 21 Tage nach der Impfung ist der Impfschutz wirksam. Dann sind die Tiere 15 Wochen alt und bereit ein neues Herrchen oder Frauchen zu finden. Alles andere ist hierzulande zu früh und auch illegal. Bettina Mittler sieht darin ein weiteres Problem: „Man müsste die Fahrer und natürlich die Händler härter bestrafen. Aber ich denke, da kämpfen wir noch eine sehr lange Zeit gegen Windmühlen“.

Das Tierheim Passau-Ingling platzt derzeit aus allen Nähten. Daher könnten, wenn in den nächsten Tagen und Wochen weitere Hundewelpen im Rahmen der Grenzkontrollen beschlagnahmt werden, keine weiteren aufgenommen werden. „Diese würden in anderen Tierheimen unterkommen. Oder wir würden gegebenenfalls vorübergehend für andere Hunde eine Pflegestelle besorgen,“ erklärt die Tierheimleiterin.

Im Moment kümmern sich zwei Vollzeittierpfleger, drei Personen auf 450-Euro-Basis sowie einige Ehrenamtliche um die 35 Hunde, 50 Katzen und ein Pfirsichköpfchen. „Das Veterinäramt übernimmt einen Teil der Kosten. Aber im Großen und Ganzen sind wir auf Spenden angewiesen“, beschreibt Bettina Mittler die aktuelle Lage.

Wie das Tierheim Passau gestern auf Facebook mitteilte, wurden für die Vierbeiner sogar Security-Mitarbeiter beauftragt, denn nach mehrfachen Anrufen von Welpenhändlern aus Bulgarien war man dort besorgt um die Hunde. Auch eine Nachbarin des Tierheims habe fragwürdige Anrufe erhalten. Und ein Paar „mit osteuropäischem Akzent" habe sich gestern auffällig nach reinrassigen Tierheim-Hunden erkundigen wollen. Grund zur Sorge im Tierheim. Der Sicherheitsdienst wird die kommenden Nächte beim Tierheim vor Ort sein. Auch die Polizei wurde bereits von der Situation informiert und fährt Streife.

Hier der Wortlaut der Facebook-Mitteilung: 

„Security für unsere Bewohner. Gestern stand das Telefon nicht mehr still. Um die 10-15 Anrufe aus Bulgarien von Welpenhändlern, die ihre Huskys wiederhaben wollen. Der Umgangston war teils sehr rau und schroff. Einer der Anrufer gab sich als Mitarbeiter der Bulgarischen Botschaft aus. Die Besitzerin eines Huskywelpen sässe gerade vor ihm, und bittet um Beistand...

Wie uns eine Nachbarin berichtete, riefen bei ihr gestern ebenfalls drei Ausländer an, die nach Huskys fragten. Da die Dame mit unserem Tierheim nichts zu tun hat, begannen wir uns langsam ernsthaft Sorgen zu machen. Heute Nachmittag stand ein Paar vor unserem Tor, das sich in sehr gebrochenem Deutsch mit osteuropäischem Akzent nach reinrassigen Hunden erkundigte. "Wollen schauen, wollen schauen. Reinrassige". Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt kam einer unserer "grossen" Huskys vom Gassigehen zurück. Der Blick der beiden sprach Bände... 

Vom angeblichen Wohnort, der nur 40 km von Passau entfernt sein soll, haben wir noch nie im Leben gehört. Aus Sorge um unsere Vierbeiner haben wir uns dazu entschlossen, einen Sicherheitsdienst zu beauftragen, der die kommenden Nächte vor Ort sein wird. Die Polizei ist informiert und fährt vermehrt Streife."

Wer das Tierheim unterstützen möchte: Über Desinfektionsmittel, Futter, Geld, aber auch eine helfende Hand freut sich das Tierheim-Team sehr. 

Wer dem Tierheim helfen möchte, hier die Kontodaten: Sparkasse Passau, Kontonummer: 240 094 904, BLZ: 740 500 00

Passau