Konzepte für Präventionsarbeit
Ex-Junkies, Sexy Blackbox-Talk und Raucherpolizei

08.07.2017 | Stand 30.07.2023, 4:27 Uhr
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Das Leben stellt viele Hürden. Präventionsarbeit soll den Jugendlichen helfen, damit umzugehen. Wie diese auszusehen hat, das erarbeiteten die jungen Leute beim Jugendforum gemeinsam mit den Erwachsenen.

BAD REICHENHALL Wie die Präventionsarbeit in Sachen Gewalt, Mobbing, Sucht, Sex und Neue Medien auszusehen hat, meinen die Erwachsenen zu wissen. Sie liegen aber oft falsch. Das machten ihnen 38 Jugendliche aus zehn unterschiedlichen Schulen im Landkreis Berchtesgadener Land klar. Sie trafen sich mit Vertretern aus der Präventionsarbeit zum ersten Jugendforum in Landratsamt und brüteten in Arbeitsgruppen neue Konzepte aus, die sie vor der schiefen Bahn bewahren sollen.

In der „Mäcker-Phase“ konnten sich die Jugendlichen über das aktuelle Präventionsprogramm auslassen. „Nur drei von uns hatten Sexualpädagogik“, beschwerte sich eine Neuer-Gruppe bei Sozialpädagogin Sandra Kunz. „Das muss sich ändern“, beschloss die Mitarbeiterin im Landratsamt und sammelte in der „Fantasie-Phase“ Ideen für eine gelungene Präventionsarbeit. In der „Umsetzungs-Phase“ erarbeiteten sie gleich konkrete Konzepte.

Viele Fragen rund um den Körper und das Schäferstündchen brennen den Jugendlichen unter den Nägeln. „Im Unterricht trauen wir uns diese oft nicht zu stellen“, geben die jungen Leute zu. Ihr Vorschlag: eine Blackbox, die sie mit Fragen füllen können. Eine E-Mail von Sozialpädagogen – streng geheim – soll Antworten geben.

Den Sexualkundeunterricht würden die Jugendlichen lieber von „fremden Personen“ abgehalten bekommen. „Da schämen wir uns nicht so“, erklären die jungen Akteure des Jugendforums. Buben und Mädchen extra unterrichten, das halten die Jugendlichen für überflüssig „Bisher dachte ich, im Sexualpädagogikunterricht sei eine Geschlechtertrennung erwünscht“, wundert sich Monika Tauber Spring, Rektorin der Mittelschule Sankt Zeno in Bad Reichenhall. „Der heutige Nachmittag hat mich eines besseren belehrt“, fügt sie hinzu. Dafür ist Jugendlichen eine gemütliche Atmosphäre durch Gruppentische, „lockere“ Musik im Hintergrund und genug Zeit wichtig.

Die „Sucht-Gruppe“, will mit einer „Raucherpolizei“ die Minderjährigen, die am Glimmstängel hängen, zum Reinigen des Schulhofes oder anderen gemeinnützigen Arbeiten verdonnern. „Ein Verweis schreckt viele nicht ab“, wissen die jungen Leute aus Erfahrung. Ebenso soll eine Unterrichtseinheit, die Schüler vom Griff zur Zigarette abhalten und denjenigen, die schon in der Sucht gefangen sind, dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören.

„Wir würden gerne einmal eine Lungenklinik besuchen“, schlagen die jungen Erwachsenen vor. Dieser soll über die fatalen Folgen des Rauchens aufklären. Und in welchen Teufelskreis der Drogenkonsum mündet, dass sollen Ex-Junkies schildern. Ingesamt soll vermittelt werden: „Drogen sind uncool!“

Andere mobben oder gewalttätig werden, das „geht gar nicht“. Stattdessen ist Zusammenhalt angesagt: Gemeinsam wollen die Jugendlichen „sportln“. Auch einmal eine Aktionsportart ausprobieren. Getreu dem Motto „Schüler für Schüler“ könnten Jugendliche, die einen besonderen Sport ausführen, Kurse geben, schlugen die Buben und Mädchen vor. Gemeinschaft und Zusammenhalt können Kennenlerntage fördern. Wie sie die Kosten für ihre Vorhaben tragen wollen, darüber haben sich die Jugendlichen auch schon Gedanken gemacht. „Eir könnten mit Verkaufsaktionen oder Schulpartys Geld verdienen“, schlagen die Schüler vor.

Die Mittel für Lehrfahrten auf Messen wie die „Gamescom“ sollen gleichermaßen zusammenkommen. Da wollen die Schüler lernen, wie sie am besten mit Neuen Medien umgehen. Ebenso interessieren sie Vorträge von Experten, wie Juristen, die sie über die Gefahren im Netz aufklären. „Was dürfen wir auf Facebook reinschreiben und was nicht?“ Das interessiert die Schüler ganz besonders. Auf diesem Gebiet sind Gleichaltrige aber oft fitter, als Lehrer und Sozialarbeiter. So wünschen sich die Jugendlichen Rede und Antwort von ihren Mitschülern.

„Tolle Idee“, findet Monika Tauber-Spring. „Ich werde noch in diesem Schuljahr eine AG ‚Neue Medien‘ gründen“, kündigt die Pädagogin an. Da sollen „Medien-Cracks“ ein Kochrezept für die Gestaltung des Facebook-Profils erstellen. Außerdem will sie in die bestehende Homepage ein Forum integrieren, in dem die Schüler über die brisanten Themen diskutieren können – anonym versteht sich. Sie ist voller Tatendrang und sieht das Jugendforum als „vollen Erfolg an“. Und auch Julie Quintern, die 12-jährige Gymnasiastin, ist zufrieden mit dem Tag. „Ich glaube, da wird jetzt echt was vorangetrieben“, denkt sie.

Und den Tag hat sie auch genossen. Initiatorin des Forums Diplom-Psychologin Heike Blankermann vom Landratsamt hat schließlich an alles gedacht: Fett und viel Käse auf der Pizza. „Eine ordentliche Brotzeit hält bei Laune“, waren sich die Pädagogen und Jugendlichen einig.

Berchtesgadener Land