Soziales Denken nicht erwünscht?
Eine Mietpreisbremse der etwas anderen Art

16.11.2018 | Stand 04.08.2023, 0:08 Uhr
−Foto: n/a

Das Finanzamt Traunstein will den Vermieter Andreas Belser dafür „bestrafen“, weil er angeblich zu billig ist.

TRAUNSTEIN. Sie ist derzeit in aller Munde – die sogenannte Mietpreisbremse der Bundesregierung, die Mieter vor Wucher und Verdrängung schützen soll. Eine Konsequenz aus der Tatsache heraus, dass selbst Normalverdiener bereits Probleme haben, eine für sie bezahlbare Wohnung zu finden. Aber hat der Staat überhaupt ein Interesse an vergleichsweise günstigen Mieten? Der Traunsteiner Andreas Belser sagt: „Nein!“ Dass die „Mietpreisbremse“ auch anders herum funktionieren kann, beweist seine Geschichte.

„Staat hat kein Interesse an preisgünstigen Mieten!“

Der freischaffende Künstler, der bis zu einer schweren Krankheit zuletzt 14 Jahre als Lehrer für Werken und Kunst an der Realschule in Bad Reichenhall beschäftigt war, traute seinen Augen kaum, als er Anfang Oktober Post vom Finanzamt bekam. Mit einer heftigen Steuernachforderung, die aus einer Kürzung der Anrechnung der Erhaltungsaufwendungen beruht. Die Begründung lässt Andreas Belser im Gespräch mit dem Wochenblatt die Zornesröte ins Gesicht steigen. Laut Finanzamt wurden ihm die Afa (Absetzung für Abnutzung) und die Schuldzinsen für das mit drei Wohnungen vermietete Objekt in Traunstein um 50 Prozent gekappt, da „vergleichbare Mietobjekte zum doppelten Mietpreis vermietet werden und es sich hierbei um eine verbilligte Wohnraumüberlassung handelt. Aus welchem Grund diese erfolgt, ist unerheblich“.

Im Klartext: Es gibt nicht nur eine Mietpreisbremse, zumindest in der Theorie nach oben, sondern in der Realität auch nach unten.

Warum vermietet Andreas Belser, der selbst finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, so günstig? Dabei bräuchte der 56-Jährige, der derzeit auf den Bescheid für eine Erwerbsminderungsrente wartet und für die Wohnungen noch mindestens sieben Jahre monatlich 850 Euro zurückzahlen muss, vergleichsweise günstig?

„Normalverdiener müssen sich eine Wohnung leisten können“

Zum einen spiele der Standort der Mietobjekte eine Rolle: Sie befinden sich nicht in einer super Lage, wie Belser erklärt, sondern direkt neben einem stark frequentierten Nachtlokal, der Lüftungsanlage eines großen Kaufhauses und nicht zuletzt an einer stark befahrenen Staatsstraße. Allein deshalb können in seinen Augen die Wohnungen nicht im mittleren Preissegment angesiedelt sein.

Die entscheidendere Begründung: Ich bin ein sozialer Mensch und möchte, dass sich auch Menschen mit einem Durchschnittseinkommen eine angemessene Wohnung leisten können“, so der 56-Jährige im Gespräch mit dem Wochenblatt. Das bezieht sich nicht nur auf die Wohnung für seinen Sohn, die Schwiegertochter und zwei Enkelkinder, sondern auch auf die Vermietung für eine alleinstehende Frau sowie eine alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter.

„Soll ich meine Mieter

jetzt auf die Straße setzen?“

Ja, er habe schon Anfragen von gut bezahlten sehr solventen Mietinteressenten erhalten, die bereit gewesen wären, einen viel höheren Mietzins zu zahlen, wie der Traunsteiner erklärt. Für ihn käme das aber nicht in Frage: „Wohin sollte zum Beispiel die Mutter mit ihrer Tochter, die keine höhere Miete zahlen kann? Sie wäre gezwungen zu kündigen und sich woanders eine Wohnung für 500 Euro zu suchen. Ein vergebliches Unterfangen.“

Andreas Belsers Fazit lautet: „Wenn das Familienmodell, das von der bayerischen Staatsregierung propagiert wird, funktionieren soll, muss sozial verträgliches Vermieten nachteilsfrei möglich sein, nicht zuletzt im Angesicht der sehr angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt.“

Berchtesgadener Land