Dritter Tag im Marcumar-Prozess
Einblicke in eine etwas andere Ehe

11.07.2017 | Stand 01.08.2023, 13:28 Uhr
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Krankenschwester soll versucht zu haben, ihren Ehemann mit Blutverdünnungsmitteln zu töten. Noch schweigt die 65-Jährige. Der Betroffene hat Mahnverfahren und Vollstreckungsbescheid erwirkt.

LANDSHUT Einblicke in eine etwas andere Ehe vermittelte die Aussage des 67-jährigen ehemaligen Rechtsanwalts aus Altdorf am dritten Verhandlungstag im so genannten Marcumar-Prozess vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts. Der Prozess wird am 15. Dezember fortgesetzt.

Der Krankenschwester (65) wird  - wie mehrfach berichtet - vorgeworfen, versucht zu haben, ihren Ehemann, den 67-jährigen Altdorfer Anwalt mit Blutverdünnungsmitteln zu töten. Um an das Erbe zu kommen und damit ihren bisherigen Lebensstil zu sichern, so die Anklage, die auf versuchten Mord aus Habgier lautet. Die 65-Jährige schweigt im bisherigen Prozessverlauf, indirekt allerdings war  ihren ausführlichen Schilderungen zum Lebenslauf, zur Ehe und zu ihrer Arbeit zu entnehmen, dass sie den Mordversuch bestreitet.

Der inzwischen verrentete Anwalt berichtete, dass er seine spätere Ehefrau Ende 2010 über das Internet kennen gelernt. Sie habe ihm erzählt, dass sie in Russland Medizin studiert, aber keinen Abschluss habe. Im Mai 2013 habe man geheiratet und schon bei der Rückfahrt vom Standesamt habe es den ersten heftigen Zoff wegen Kontakten zu anderen Frauen, die sie ihm vorgeworfen habe, gegeben. 

Sie habe dann auch mehrfach das Haus durchsucht, Minikameras zu seiner Überwachung - sie selbst sei ja die meiste Zeit in München, wo sie in einer Klinik arbeitete und eine eigene Wohnung hatte, gewesen - installiert. Ab 2012 habe es dann vier dubiose vermeintliche Einbrüche in sein Anwesen gegeben, deren er sie später verdächtigt habe.

Im übrigen, so erwähnte der Anwalt, seien bei ihm dann auch ab 2013 die ersten Schwindelanfälle aufgetreten. Zur Trennung sei es dann Anfang Juni 2014 gekommen, nachdem seine Frau eine Liste mit Frauennamen in seiner Dokumentenmappe gefunden habe. In der Folgezeit habe man dann aber wieder Kontakt gehabt, sei im Februar 2015 zusammen im Urlaub in Marokko gewesen, wo bei ihm dann die ersten Blutungen aus dem Mund aufgetreten seien.

In der Folgezeit habe sich seine Frau wieder regelmäßig in seinem Haus aufgehalten, sein Zustand habe sich verschlechtert, er sei wieder schwindlig geworden, habe aus dem Mund und der Nase geblutet und sei mehrfach gestürzt. Er habe sogar Halluzinationen gehabt: „Irreale Bilder, dass ich allein in Marokko bin.” 

Nach zwei kurzzeitigen Klinikaufenthalten sei es dann am 5. Juni erneut zu Blutungen gekommen, am 6. Juni sei er dann gestürzt und habe sich eine Platzwunde am Kopf. Wegen der nicht aufhörenden Blutung habe er am nächsten Tag den Notarzt gerufen und sei ins Klinikum eingeliefert worden. Als dann die Sache mit dem Marcumar aufgeflogen sei und er ihr mitgeteilt habe, dass Ermittlungen wegen Fremdverabreichung liefen, habe sie ihm nur festgestellt: „Da werden sie auch auf mich zukommen.”

Was die Essens- und Trinkgewohnheiten anging, habe es keine Besonderheiten gegeben: „Es wurde am Tisch serviert, jeder hat sich bedient.” Allerdings habe seine Frau in der Küche ihr eigenes Mineralwasser stehen gehabt. Auch was seine Medikamente, die er wegen eines früheren Herzinfarkts genommen habe, angehe, habe es keine Auffälligkeiten gegeben. Nur einmal sei es zu einer „komischen” Situation gekommen:  „Da bin ich flach gelegen, habe geschlafen und bin aufgewacht, als sie mir eine Spritze geben wollte. Sie hat das zuerst bestritten und dann gesagt, es hätte sich um ein Aufbaumittel gehandelt.”

Testament oder Erbschaft seien nie ein Thema gewesen. Im übrigen, so der 67-Jährige, sei jeder finanziell selbstständig gewesen. Allerdings habe sich seine Frau dann plötzlich nicht mehr an Reisekosten beteiligt, das sei dann auch ein Streitthema gewesen. Auf Nachfrage von Verteidiger Hubertus Werner bestätigte der Rentner, dass er eine Ausgabenliste geführt und seiner Erinnerung nach gegen seine Frau wegen 7000 Euro „Rückstände” zunächst ein Mahnverfahren in Gang gesetzt und dann sogar einen Vollstreckungsbescheid erwirkt habe.

Als es dann um pikantere Details aus der Ehe ging, berief sich der 67-Jährige insbesondere bei Nachfragen von Verteidiger Werner auf Erinnerungslücken oder auf Erinnerungslücken bzw. machte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. So etwa bei der Frage, ob er schon kurz nach der Hochzeit erste Kontaktanzeigen  aufgegeben bzw. andere Frauen getroffen habe.

Bereits vor dem Ehemann hatte Chefärztin Barbara Kempf von der Klinik III des Klinikums berichtet, dass der Anwalt bereits im März 2015 mit Blutungen und in einem schlechten Zustand ins Klinikum eingeliefert worden sei. Damals sei man noch von einer Gerinnungsstörung aufgrund einer Infektion ausgegangen, der 67-Jährige habe Abszesse aufgewiesen, die behandelt worden seien. Im Nachhinein sei die damalige Diagnose allerdings nicht mehr schlüssig.

Am 7. Juni sei er dann nach einem Sturzgeschehen mit einer ungewöhnlichen Mundschleimhautblutung in die Notaufnahme des Klinikums gebracht worden. Dabei seien dann bereits im Rahmen der Blutgerinnungsanalyse stark pathologische Werte festgestellt worden. 

Der Patient sei dann intensiv befragt worden, habe dabei berichtet, dass die Blutungen erstmals bei eine  Marokko-Urlaub im Februar aufgetreten seien und er in der Folgezeit immer öfter müde und schwindlig gewesen und zwischendurch auch gestürzt sei.

Die Laborwerte seien alarmierend gewesen, allerdings habe man zunächst noch nicht an die Verabreichung von Marcumar gedacht. Dieser Verdacht sei erst nach aufwändigen Tests aufgekommen und dann durch  die Ergebnisse der Blutuntersuchung aus der Berliner Charité bestätigt worden. Mit der Verdachtsdiagnose konfrontiert, habe der 67-Jährige die Einnahme von Marcumar verneint.

Auf den Verdacht, dass ihm das Marcumar ohne sein Wissen beigebracht worden sein könnte, habe er zunächst mehr als zurückhaltend reagiert und abgewehrt, „weil dann die Polizei sofort auf meine Frau zugehen wird.” Letztlich habe er sich dann doch bereit erklärt, dass die Informationen weitergegeben würden, unter der Bedingung: „Ermittlungen sollen eingeleitet werden, ich selbst werde sie nicht initiieren.”

Allerdings, so habe er bemerkt, habe er sich schon gewundert, dass seine Frau im Marokko-Urlaub nichts unternommen, „wo sie doch vom Fach ist.” Dass er das Marcumar selbst genommen habe, um seine Frau zu belasten bzw. loszuwerden, schloss die Chefärztin praktisch aus: „Er wollte es nicht wahrhaben, dass sonst nur seine Frau infrage komme.”

Die Klinikleitung habe dann die Landshuter Kripo verständigt. Die Frage, ob für den Anwalt Lebensgefahr bestanden habe, beantwortete die Chefärztin mit einem eindeutigen „Ja, wenn nichts passiert wäre, wäre er eventuell innerlich verblutet.” Durch entsprechende Substitution habe sich dann allerdings der Gerinnungsfaktorzustand verbessert, sein Zustand sei stabil geworden und er habe sich dann sogar gegen ärztlichen Rat selbst entlassen.

Landshut