Das war sein Herzenswunsch
Ein letztes Mal die alte Heimat besuchen

20.12.2019 | Stand 31.07.2023, 11:46 Uhr
−Foto: Foto: pm/Malteser

Jürgen leidet an ALS. Sein Herzenswunsch war es, seinen Bruder noch einmal zu sehen, eine Stadtrundfahrt durch Dresden zu unternehmen und den berühmten Striezelmarkt zu besuchen.

DEGGENDORF/DRESDEN Jede Fahrt mit dem Herzenswunsch-Krankenwagen der Malteser ist anders und stellt das Team vor immer neue Herausforderungen. So auch der letzte große Wunsch von Jürgen, 74 Jahre alt, an ALS erkrankt. Die seltene Krankheit ALS ist vor einigen Jahren der Bevölkerung bekannt geworden, als die sogenannte „Ice Bucket Challenge“ das Internet eroberte. Seitdem wissen viele Menschen, wie heftig der Krankheitsverlauf ist und dass es bis heute keine Heilungsmöglichkeiten gibt.

Die Erkrankung schreitet auch bei Jürgen rasch voran. Nachdem er die Diagnose ALS im März 2019 erhalten hat, kann er mittlerweile nicht mehr eigenständig essen, geschweige denn gehen oder stehen. Seine Sprache ist undeutlich. Er benötigt durchgehend Sauerstoff, eine Pause der Sauerstoffzufuhr kann maximal eine halbe Stunde betragen. Jürgen muss rund um die Uhr versorgt werden.

Jürgens Herzenswunsch war es, seinen Bruder noch einmal zu sehen, eine Stadtrundfahrt durch Dresden zu unternehmen und den berühmten Striezelmarkt zu besuchen. Denn er wuchs in einem Ort nahe Dresden auf und kennt die Stadt wie seine Westentasche, wollte sozusagen noch ein letztes Mal für ein paar Tage in die Heimat zurückkehren.

Für seinen Besuch hatte sich Jürgen zusätzlich vorgenommen, bei seiner Tante in Freital, einem Ort acht Kilometer von Dresden entfernt, im Heim vorbei zu schauen. Im Vorfeld der Fahrt gab es Einiges zu klären. Zum Beispiel beim Sauerstoffgerät. Die gebuchte Unterkunft muss mit der Lagerung der Sauerstoffflaschen einverstanden sein. Das KIM-Hotel in Dresden zeigt sich diesbezüglich sehr flexibel, freundlich und hilfsbereit. Als die Hotelleitung erfahren hat, dass der Gast sich mit seiner Fahrt einen letzten Herzenswunsch erfüllt, wurden sowohl Jürgen als auch Elena, die Krankenschwester, die Jürgen während der Fahrt medizinisch versorgte, vom Hotel eingeladen. Die im Vorfeld bereits gezahlten Hotelkosten umgehend wieder zurück überwiesen.

Auch für die gewünschte Stadtrundfahrt musste improvisiert werden, denn aus dem Krankenwagen sieht man aus den hinteren Fenstern nicht viel von der Stadt. Die Lösung: auch Dresden hat Malteser und das Projekt des Herzenswunsch-Krankenwagens. Frederike Schumann, die Koordinatorin vor Ort, kümmerte sich um die Organisation der Stadtbesichtigung.

Nachdem die Herzenswunsch-Crew im Hotel eingecheckt hatte, gab es einen Überraschungsbesuch von vielen Mitgliedern der Kirchengemeinde, der Jürgen früher angehörte. Die Hotel-Lobby wurde kurzer Hand dazu genutzt, um gemeinsam zu beten und zu singen.

Am nächsten Morgen fuhr der Herzenswunsch Krankenwagen nach Freital ins Heim zu Jürgens Tante. Bruder Dieter und ein Cousin empfingen den Besucher ebenfalls vor Ort.

Am Nachmittag dann der nächste Programmpunkt, die Stadtrundfahrt. Der Dresdner Malteser Hans, Fahrer des Krankentransportwagens mit besserer Aussicht, hatte sich auf die Stadtrundfahrt vorbereitet und einige Informationen zusammengeschrieben.

Vor der Semperoper wollte Jürgen aussteigen und auch beim „goldenen Reiter“, dem Denkmal von August dem Starken, war es ihm wichtig, dieses noch einmal aus der Nähe zu betrachten.

Der nächste Tag, der Abreisetag, wurde vormittags noch genutzt, um dem berühmten Dresdner Striezelmarkt einen Besuch abzustatten. Jürgen genoss seine Rosswurst und einen Glühwein. Ein Besuch der Brühlschen Terrassen und eine spontane Besichtigung der Frauenkirche rundeten den Aufenthalt in Dresden ab.

Dass Jürgen noch vieles erledigen will in seinem Leben, das merkte das Team des Herzenswunsch-Krankenwagens auch, als er spontan ein Treffen mit Freunden aus Leipzig vereinbart hat, mit denen er sich auf der Rückfahrt bei einer Autobahnraststätte Nähe Chemnitz treffen wollte. Die Freunde konnten gemeinsam Kaffee trinken, bevor es wieder Richtung Niederbayern ging. Ulrich Weniger, der die Fahrt organisiert und begleitet hat, fasst nach der Ankunft im Hospiz die Fahrt zusammen: „Nach solchen Fahrten werde ich immer ganz demütig und dankbar, dass ich gesund bin und ich trotz meiner 65 Jahre so fit bin, anderen kranken Menschen eine solche Reise zu ermöglichen. Was mich bei Jürgen jetzt besonders erschreckt hat: So eine Krankheit kann sehr plötzlich kommen, wie man bei Jürgen gesehen hat: Ostern die Diagnose ALS und Anfang Dezember nicht einmal mehr selbstständig essen können!“

Auch Elisabeth Aigner blickt auf die Fahrt zurück: „Wir haben wieder einen Herzenswunsch erfüllen können, dabei unseren Fahrgast rundum glücklich gemacht und mit ihm gemeinsam lachen dürfen! Damit haben wir uns selbst ein wunderbares vorweihnachtliches Geschenk gemacht!“

Der Herzenswunsch-Krankenwagen der Malteser erfüllt letzte Wünsche und bringt unheilbar kranke Menschen an einen Ort ihrer Wahl. Seit mehreren Jahren haben die Malteser deutschlandweit an 16 Standorten einen Herzenswunsch-Krankenwagen. Die Fahrt ist für die Menschen kostenlos und der Dienst wird rein über Spenden finanziert. Spenden online: www.malteser-deggendorf.de. Interessierte Spender können sich auch gerne an Rebecca Marchese unter rebecca.marchese@malteser.org wenden.

Spendenkonto für den Herzenswunsch-Krankenwagen

Pax Bank, IBAN: DE79 3706 0120 1201 2186 55, BIC: GENODED1PA7

Stichwort: Herzenswunsch

Deggendorf