Abwertung oder „boarische Gaudi“?
„Bixnmacherei“ – bayerisch oder sexistisch?

24.01.2018 | Stand 24.07.2023, 15:12 Uhr
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„Bixnmacherei“ – ein Ausdruck, zwei Meinungen

BAD GRIESBACH „Vier Störche und zehn ‚Wichtel‘ brachten Lina in ihr neues Zuhause“ titelte die PaWo in der letzten Woche um einen bayerischen Brauch und 800 Büchsen anlässlich der Geburt eines Mädchens – auf g’schert bayerisch auch „Bixn“ genannt.

Eva Maria Lechner, Qigonglehrerin, Entspannungstrainerin und Gymnastiklehrerin, hat zum Ausdruck „Bixnmacherei“ eine eher kritische Einstellung. Vor allem was andere Menschen darüber denken interessiert sie. „Man sollte eventuell darüber nachdenken, was die ‚Betroffenen‘ – der Vater, die Mutter – empfinden, wenn der Dosenmüll die Straße entlang steht? Fühlen sie sich geehrt und je mehr Büchsen, desto mehr Imagezuwachs oder fühlen sie sich vorgeführt oder beleidigt?“

Lechner, selbst Mutter einer Tochter und eines Sohnes, stellt aber noch mehr Fragen rund um diesen für manche seltsamen Brauch: Mit welcher Motivation stellt jemand eine solche Büchse an den Straßenrand und welchen Sinn macht das? Was denken andere Passanten? Ist der Brauch zeitgemäß oder gibt es bessere Möglichkeiten, ein neugeborenes Kind in der Welt zu begrüßen? Und zur Theorie der „Sparbüchse“, um die Aussteuer für das Mädchen anzusparen, wie es früher üblich war, wie man auch nachlesen kann, meint Eva Maria Lechner: „Mich würde deshalb interessieren, ob bei allen „Büchsengassen“ am Ende vor dem Haus wirklich eine Spardose steht, in der alle Passanten für die junge Familie/das Kind spenden können, bzw. in wie viel Prozent der Fälle das so ist?“

Krasse Abwertung oder „boarische Gaudi“?

Doch noch etwas irritiert die Bad Griesbacherin: Das Schild „Büchsenmacherei“, das ja immer dabei ist. „Das klingt für mich jetzt nicht so danach, als würden in dem Haus „Sparbüchsen“ gemacht“, sondern eher so, als wolle man die Eltern/den Vater auslachen, weil bei allen Bemühungen statt eines Stammhalters „nur“ eine Tochter entstanden ist. Damit ist aber eindeutig die frisch „gemachte“ Tochter die „Büchse“ – oder krass formuliert etwas aus wertlosem Material, an der das „Loch“ das einzig interessante ist – #Metoo lässt grüßen.“

Die Version für die Söhne ist im Wortlaut aber auch nicht viel besser, wie Lechner meint. Bayrisch ist schließlich ihre Heimatsprache und sie kennt die Szene durchaus, in der zwei ziemlich gute Freunde bei ein paar Bier sich einen Schwank nach dem anderen erzählen und der eine dem anderen auf die Schulter klopft und bewundernd sagt: „Du wärst so a Haderlump sei.“ Man weiß, dass mit diesem Unterton „Lump“ ein großes Kompliment ist und ein Antrag, sich in Zukunft zusammen zu tun und weiter beste Freunde zu sein.

„Aber die Putzlumpen auf dem Gartenzaun und das Schild zur ‚Lumpenmacherei‘, die ‚Nomen = Omen‘ Prophezeiung, dass aus dem Balg doch nur ein Lump = Betrüger, Gesetzesbrecher, unzuverlässiger, eigennütziger Mensch wird, ist für mich als Begrüßung für ein kleines Baby ein No-Go,“ meint Eva Maria Lechner.

Für sie gehören Schwangerschaft, Geburt und ein neugeborenes Baby zu den größten Wundern unserer Welt. Es wäre also an der Zeit, neue Bräuche zu entwickeln. „Statt Büchsen zu schleppen und alte zweideutige Sprüche aufzuwärmen, könnten wir die Zeit nutzen, um zu überlegen, wie wir das, was Kinder so dringend brauchen, in unserer Familie, in unserem Dorf, unserem Staat und in unserer Welt herstellen könnten wie etwa Frieden und Gewaltfreiheit in ihrem Umfeld, Gesundes, giftfreies Essen, Ausreichend liebevolle wohlwollende Bezugspersonen mit ausreichend Zeit, Chancen auf Bildung und Entwicklung und vieles mehr.

Etwas anders sieht das allerdings der Tiefenbacher Kreisheimatpfleger Manfred Stolper, selbst Vater dreier Töchter: „Das mit der ‚Büchsenmacherei‘ ist in Bayern seit Jahrzehnten Brauch. Für mich ist daran nichts sexistisch, sondern eher lustig. Einen negativen Hintergrund sehe ich da wirklich nicht. Das mit den Büchsen ist doch eher als Jux gemeint. Nach meiner Ansicht ist dieser Brauch in keiner Weise negativ – und mir ist auch noch nie Negatives darüber zugetragen worden.“

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