Ehetragödie vor Gericht in Landshut
81-Jähriger wollte seine Frau und sich selbst töten

29.01.2019 | Stand 13.09.2023, 1:41 Uhr
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Langsam schiebt der 81-jährige Angeklagte mit seinem Rollator in den Gerichtssaal des Landgerichts Landshut. Es folgt der wohl emotionalste Prozess seit langer Zeit. Am 3. April 2018 wollte er mit seiner Frau gemeinsam aus dem Leben scheiden, erst seine Frau (83) töten und dann sich selbst – ein erweiterter Suizid. In Tränen aufgelöst gestand der Rentner die Vorwürfe. Die als Schwurgericht tagende erste Strafkammer des Landgerichts Landshut verurteilte den Mann im gestrigen Sicherungsverfahren wegen des versuchten Totschlags und ordnete dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, allerdings auf Bewährung.

LANDSHUT „Es tut mir alles so leid! Aber es ist mir alles zu viel geworden, die Pflege meiner Frau, der ganze Papierkram, die Einkäufe“, erzählt der alte Mann weinend. Im März ist das Paar 50 Jahre verheiratet. Sie haben nur sich, die Ehe blieb kinderlos. Er kümmerte sich um alles, besonders um seine schwer herzkranke Frau. Bereits vor der Tat habe er sich „schlecht gefühlt“, es ging immer wieder um die Frage, wohin mit ihnen, ob Heim oder polnische Pflegerin, worüber bei den Eheleuten Uneinigkeit herrschte. „Das wurde so schlimm für mich, dass ich mir gesagt habe, es geht nicht mehr weiter“, so der Rentner. Er entschied, „gemeinsam aus dem Leben zu scheiden“.

Die Ehetragödie nahm vergangenes Jahr seinen Lauf: Mit einem Messer und einer Stechahle bewaffnet, betrat er das Schlafzimmer seiner Frau, stach auf ihre rechte Brust ein und verletzte sich selbst schwer mit dem Messer am Hals, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch die Frau konnte sich ins Bad flüchten und den Notarzt verständigen. Der Stich verursachte bei ihr einen Kollaps des rechten Lungenflügels, doch beide konnten gerettet werden.

Die Ehefrau hat ihm verziehen und will ihren Ehemann wieder zurück. „Er stand mit blutigem Kopf bei mir im Zimmer und hat mit ganz großen Augen durch mich hindurch geschaut, als ob er mich nicht sehen würde. Dann kam er still und stumm zu mir und ich habe einen Schlag gespürt“, berichtete die 83-jährige Ehefrau der Kammer. Überhaupt sei er in der Zeit vor der Tat immer so „traurig“ gewesen, habe sich bei ihr, einer ehemaligen Krankenschwester, sogar erkundigt, welche Tabletten er nehmen könne, um zu sterben. „Er dachte, ich könne ohne ihn nicht existieren. Ich möchte, dass mein Mann nach Hause kommt, ich habe keine Angst vor ihm“, flehte die 83-jährige Frau die Kammer an und beteuerte, dass ihr Mann so harmlos sei, wie ein neugeborenes Kind. In einer Sitzungspause fiel sich das Paar weinend in die Arme.

Doch der Mann ist psychisch krank, das bestätigte auch der Sachverständige Dr. Bernd Weigel in seinem Gutachten. „Er war schwer depressiv zum Tatzeitpunkt, hinzu kam eine leichte kognitive Störung, was zu den Suizidgedanken und zum erweiterten Suizid führte “, wie er den Anwesenden erläuterte. Der 81-Jährige sei überfordert gewesen, habe sich in einer ausweglosen Situation befunden. Seine Frau habe er in den Tod mitnehmen wollen, da er der Meinung war, ihr Leben sei ohne nicht lebenswert und sie sei allem hilflos ausgeliefert. Er empfahl die Änderung der Lebenssituation mit einer gewissen räumliche Trennung, eine Behandlung mit Medikamenten und eine fachärztliche Betreuung des Angeklagten.

Dem folgte die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitzenden Richter Markus Kring und ordnete die Unterbringung des 81-Jährigen an. Vom Vorwurf des versuchten Mordes wurde jedoch abgerückt und ging nunmehr von versuchtem Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus. Die Vollstreckung der Maßregel wurde zur Bewährung ausgesetzt mit einer Führungsaufsicht für die kommenden fünf Jahre. „Er hat schuldlos krankheitsbedingt gehandelt. Es geht hier um keine Strafe, sondern darum, die Gefahr für seine Ehefrau zu minimieren“, so die Urteilsbegründung des Vorsitzende Richters.

Vorerst bleibt der 81-Jährige in dem offenen Heim, in dem er sich seit November 2018 befindet. Wenn er sich mithilfe der Medikamente und der ärztlichen Betreuung stabilisiert, wäre es laut dem Vorsitzendem Richter möglich, dass beide gemeinsam in ein Heim ziehen – was derer beider Wunsch wäre.

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