Interview
Straubinger Familienunternehmen „Sennebogen“ feiert 70. Geburtstag

26.06.2022 | Stand 22.09.2023, 21:53 Uhr

Erich Sennebogen: „Im Moment ist vieles nicht planbar“ −Foto: red

Das Straubinger Traditionsunternehmen „Sennebogen“ feiert seinen 70. Geburtstag. Über die Entwicklung der Firma spricht Geschäftsführer Erich Sennebogen, der Sohn des Gründers, im Interview.



Als in den 90er Jahren die ersten Sennebogen-Maschinen ihre Farbe zu Grün wechselten, gab es gleichzeitig auch grünes Licht für den ganz großen Sprung des Straubinger Unternehmens auf die Bühne der Weltwirtschaft. Gegründet vor genau 70 Jahren von Erich Sennebogen Senior als Ein-Mann-Betrieb, macht der Maschinenhersteller aus Straubing heute einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen. Zum Geburtstag sprach das Straubinger Wochenblatt mit Geschäftsführer Erich Sennebogen, dem Sohn des Gründers, über die Entwicklung der Firma Sennebogen, neue Technologien und derzeitige Herausforderungen.

Herr Sennebogen, im Jahr 1952, also vor genau 70 Jahren, hat Ihr Vater die Firma Sennebogen gegründet. Wie fing alles an?
Erich Sennebogen: Ganz klein. Mein Vater kam aus der Landwirtschaft, und er hatte die Idee, die schwere manuelle Arbeit durch Technik zu erleichtern. Das erste Gerät, das er gebaut hat, war ein Mistlader. Er hat sich dann schnell dem Thema Baumaschinen zugewandt und klassische Bagger für die Erdbewegung gebaut. Damals, nach dem Krieg, gab es viel Bautätigkeit. Die ersten Kräne für den Hausbau entstanden. 1969 dann die technische Revolution: Da hat mein Vater den ersten vollhydraulischen Seilbagger überhaupt auf den Weg gebracht.

Wie kam der Sprung auf die ganz große Bühne der Wirtschaft?
Das war dann in den 90er Jahren, als wir die Farbe Grün für unsere Produkte im Materialumschlag definierten. Das sowie der Aufbau unseres internationalen Händlernetzwerkes hat die Globalisierung vorangetrieben. Schon 1989 haben wir unser Werk in Wackersdorf eröffnet, noch heute ein hochmoderner Standort. Wir bauen in Wackersdorf seit drei Jahren auch unsere neueste Produktionslinie, die Teleskoplader. 1996 haben wir unser Werk in Ungarn gegründet, wo wir sehr erfolgreich Stahlbau herstellen, also Schweißkonstruktionen. Im Jahr 2000 wagten wir den Schritt, in die USA zu gehen mit einem eigenen Unternehmen, der Sennebogen LCC. Dort sind wir sehr erfolgreich und seit 15 Jahren auch Marktführer auf dem Segment Materialumschlag.

Trotz globaler Ausrichtung: Sie bleiben Niederbayern treu?
Wir sind in Straubing sehr verwurzelt. Unser Hauptquartier ist und bleibt in der Hebbelstraße. Dort modernisieren wir gerade, unter anderem entsteht dort aktuell eine neue Lackieranlage. 2008 haben wir unser neues Gelände am Hafen Straubing-Sand eingeweiht. Hier werden die großen Materialumschlaggeräte bis 420 Eigengewicht konstruiert und gebaut. Den Standort haben wir in 14 Jahren schon dreimal erweitert, zusätzlich wurde 2014 die Sennebogen-Akademie eröffnet, die sich prächtig entwickelt hat und die schon mehrere tausend Schulungsteilnehmer beherbergte.

Dennoch gingen Sie bei Ihrer neuesten Investition nicht nach Straubing, sondern in den Landkreis Straubing-Bogen, nach Steinach. So mancher Bürger hat kritisch hinterfragt, ob Sennebogen der Stadt den Rücken kehrt. Ist das so? Was waren die Gründe?

Wir kehren auf keinen Fall Straubing den Rücken, aber unser Standort in Straubing-Sand ist jetzt quasi voll. Und für unser neues Customer Service Center brauchten wir ein 90.000 Quadratmeter großes Grundstück, das in Straubing so nicht verfügbar war. Wir haben in Steinach ein zentrales Ersatzteillager mit vollautomatischem Lagersystem geschaffen, und auch die Sennebogen Vertriebsgesellschaft sitzt da. 130 Mitarbeiter sind vor Ort. Ein starkes Argument, sich hier anzusiedeln, war die günstige Verkehrsanbindung an die Autobahn und die B20. Was für uns zählt ist: Lage, Lage, und nochmal Lage. Ich möchte aber auch betonen, dass die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Steinach optimal gelaufen ist und wir uns dort sehr wohlfühlen. In Straubing-Sand beziehen wir aber in zwei Wochen ein neues Entwicklungs- und Technologiezentrum, in das der gesamte Technikbereich der Firma Sennebogen umzieht. Direkt daneben entsteht eine neue Versuchs- und Testhalle. Das schafft Synergien.

70 Jahre Firmengeschichte – welcher Fortschritt steckt dahinter?
Mit rein mechanischen Geräten fing alles an. Früher war der Bagger eine simple Maschine. Heute steckt eine immense Tiefe an Technologie drin. Sennebogen wird mehr und mehr zum Technologieunternehmen. Nach wie vor setzen wir auf Hydraulik, aber auch auf verschiedene neue Antriebstechnologien.


Ist also die E-Mobilität also auch im Baubereich angekommen? Zu wieviel Prozent fragen Kunden einen Elektromotor nach?

Wir bieten nach wie vor modernste Dieselmotortechnik an, aber als eine echte Alternative stellt sich der Elektromotor heraus. Immer mehr Kunden setzen darauf. Es ist auch sehr sinnvoll, eine Maschine mit Strom zu betreiben. Denn es ist aufgrund des geringeren Energieverbrauchs wesentlich günstiger, es ist leiser, hat keine Emissionen und es muss auch kein Ölwechsel durchgeführt werden. Die Nachfrage ist immer schon gut, nicht erst, seit in der Ukraine Krieg herrscht. Wir sind überrascht, wie viele Kunden auf elektrische Lösungen gehen, auch im Kranbereich.

Gibt es im Jubiläumsjahr weitere Innovationen?
Natürlich. Eine davon ist unsere neue G-Serie. Dahinter steckt die neue Generation von Maschinen, die mehr Material mit weniger Energieverbrauch bewegen kann. Das spielt heute eine ganz wichtige Rolle. Sie wird mit einem hydromechanischen Hybrid-System betrieben. Wir erzielen dabei Energieeinsparungen von über 30 Prozent gegenüber einer nichthybriden Maschine aus.

Die meisten Unternehmen in Deutschland leiden gerade unter Materialmangel und Lieferschwierigkeiten bei Bauteilen. Auch die Firma Sennebogen?
Ja, das ist im Moment ein Riesenproblem für uns alle, inklusive der Mitarbeiter. Die Lieferschwierigkeiten ziehen sich wechselweise durch alle möglichen Komponenten, die wir brauchen. Man hätte sich so etwas früher nie vorstellen können. Es ist enorm schwierig, diese ständigen Lieferausfälle zu koordinieren und ein Riesenstress für alle unsere Leute, die Produktion aufrechtzuerhalten. Auch für die Kunden ist es ein großes Problem, wir können keine verbindlichen Lieferzeiten zusagen.

Also sehen Sie die Zukunft düster? Bleiben die Probleme in Ihren Augen längerfristig bestehen?
In nächster Zeit sehe ich ehrlich gesagt keine Verbesserung. Alles hängt davon ab, wie sich Corona in China entwickelt und davon, wie lange der Ukraine-Krieg dauert. Auch die Preissteigerungen für Material und Teile sind Stress pur für ein Unternehmen. Wir können ja an unsere Kunden nur einen geringen Teil der Mehrkosten weitergeben. Den Rest tragen wir selber. Im Moment ist vieles nicht planbar. In diesen Zeiten ist es wichtig, ein stabiles Unternehmen zu haben, das nicht vorhersehbare Schwierigkeiten in der Regel meistern kann. Ein Familienunternehmen zu sein, ist ein weiterer Vorteil. Denn hier gibt es kurze Entscheidungswege und man kann flexibel auf die Lage reagieren.

Sie sprechen die Firma Sennebogen als Familienunternehmen an. Viele Betriebe in Bayern finden keinen Nachfolger. Wie sieht es bei Ihnen aus? Bleibt das Unternehmen in Familienhand?
Das sieht momentan sehr gut aus. Meine zwei Söhne sind schon im Unternehmen, die dritte Generation also. Bald wird auch mein Neffe in die Firma eintreten. Es läuft sehr gut mit der jungen Generation. Zudem braucht man aber auch eine ganz starke Führungsmannschaft, die die Vorzüge und die Geschwindigkeit eines Familienunternehmens schätzt.

Sie sind also nicht vom Fachkräftemangel betroffen? Woher holen Sie Ihren Nachwuchs?
Wir müssen schon auch schauen, gute Leute zu bekommen. Aber das gelingt immer wieder. Wir bieten Praktika, Bachelor- und Masterarbeiten und auch ein duales Studium an. Wer gut ist, wird in der Regel auch übernommen. Die Mitarbeiter schätzen uns als stabiles Unternehmen, die Produkte, die wir herstellen, betrachten viele junge Leute als interessant und attraktiv. Auch, wenn wir uns in Sachen Fachkräftegewinnung anstrengen müssen: Wir haben gerade so viele Mitarbeiter wie noch nie, insgesamt 1800 weltweit.

Gehen dann auch die Umsatzzahlen durch die Decke? Oder hat Corona den Erfolg ausgebremst?
2019 war tatsächlich unser bestes Jahr in der Firmengeschichte. 2020 kam dann ein coronabedingter Rückgang. 2021 hatten wir dann wieder ein sehr gutes Wachstum. Heuer müssen wir sehen, wie viele Maschinen wir in der derzeitigen Lage tatsächlich auch bauen und ausliefern können. Die Auftragsbücher wären voll. Weltweit haben wir einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen Euro.

− mel