Einspruch zurückgezogen
Plattlinger Bären-Krimi vor dem Amtsgericht

24.11.2017 | Stand 13.09.2023, 1:56 Uhr
−Foto: n/a

Um die spektakuläre Befreiungsaktion des Zirkusbären Ben in Plattling ging es am Donnerstag vor dem Amtsgericht in Deggendorf.

DEGGENDORF Die Veterinärbehörden hatten im März 2016 nach Anzeigen von Tierschützern den Bären samt seinem Käfigwagen beschlagnahmt und vom Zirkus weg auf das Gelände der Feuerwehr geschleppt. Roberto F. (36), der Juniorchef des Zirkus, wollte das nicht akzeptieren. Er fuhr mit einem Laster auf das Feuerwehrgelände, um Zirkuswagen und Bär zurückzuholen. Weil Polizei und Landratsamtsmitarbeiter die Ausfahrt aus dem Feuerwehrgelände versperrt hatten, steuerte Roberto F. das Gespann über eine Wiese, durchbrach einen Zaun und fuhr davon.

Zuvor hatte er noch Veterinäre und Mitarbeiter des Landratsamtes mit Sätzen wie „Ich schlag euch tot“ bedroht und einen Tierschützer zu Boden gestoßen und mit den Füßen getreten. Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Widerstand, Sachbeschädigung und Straßenverkehrsgefährdung warf die Staatsanwaltschaft deshalb Roberto F. vor. Das Gericht erließ einen Strafbefehl mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie einem dreimonatigen Fahrverbot. Damit die Bewährung nicht verfällt, sollte der Zirkusmann eine Geldauflage von 1000 Euro bezahlen und zudem jeden Wohnortwechsel dem Gericht melden.

Diese Auflagen seien unmöglich zu erfüllen, machte Roberto F.´s Verteidiger Kolja Prieß aus Hamburg vor Gericht deutlich. Sein Mandant sei Mitglied der Zirkusfamilie, deren Einkünfte schlecht und recht dafür reichten, dass sie und die Tiere genügend Nahrung bekämen. Zudem wechsle der Zirkus jede Woche sein Quartier, eine schriftliche Meldung dieser Ortswechsel nicht möglich: „Mein Mandant ist im Zirkus aufgewachsen, war nie in der Schule, er ist Analphabet.“

Langatmig versuchte der Anwalt zu erklären, dass die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe ohnehin falsch seien. Die Beschlagnahme des Bären durch das Deggendorfer Landratsamt sei rechtswidrig gewesen: „Es lag kein schriftlicher Beschluss eines Gerichts vor.“ Roberto F. sei davon ausgegangen, dass der Bär dem Zirkus nicht von Amts wegen weggenommen, sondern von Tierschützern gestohlen worden sei. Er habe den Bären nicht vor den Behörden verstecken, sondern mit ihm zur Polizei in Plattling fahren wollen, um dort die Angelegenheit zu klären.

Die Polizei war in diesem Moment allerdings schon vor Ort. Einer der uniformierten Beamten hatte sogar die Fahrertür von Robertos Lkw in der Hand und wollte mit ihm sprechen. Aber der Zirkusmann gab Gas und fuhr mit Vollgas auf die Landratsamtsmitarbeiter zu. Zum Glück konnten diese noch rechtzeitig zur Seite springen.

Das Verhalten seines Mandanten mag nicht in Ordnung gewesen sein, erklärte der Anwalt. Aber dass die Situation am 13. März 2016 in Plattling so eskaliert sei, dafür seien nicht zuletzt die Tierschützer verantwortlich. Sie hätten ständig gefilmt und fotografiert. Polizei und Landratsamt hätten das verhindern müssen, gab sich der Verteidiger überzeugt.

Die Hoffnung, die Gerichtsverhandlung könnte für Roberto F. zu einem Freispruch führen, zerschlug sich im Laufe der fast vierstündigen Verhandlung immer mehr. Nachdem Polizeibeamte den Vorfall aus ihrer Sicht geschildert hatten, riet die Richterin Dr. Christina Putzke dem Anwalt, den Einspruch zurückzunehmen. Ein Urteil könnte für Robert F. schwerwiegendere Folgen haben als der Strafbefehl, deutete sie an.

Nach mehreren Telefonaten - der Angeklagte hielt sich mit dem Zirkus außerhalb vom Bayern auf und war deshalb nicht persönlich erschienen - nahm der Verteidiger den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. Im Gegenzug kündigte die Richterin an, die Bewährungsauflagen zu ändern.

Auf die Geldauflage von 1000 Euro soll im Hinblick auf die finanzielle Situation des Angeklagten verzichtet werden. Auch auf die schriftlichen Wohnortwechsel bei jedem Umzug des Zirkus seien wohl nicht nötig. Und weil der Führerschein von Roberto F. sichergestellt war, sei das Fahrverbot bereits abgegolten.

Mit dem Ende der Verhandlung war die Diskussion um den Vorfall aber nicht beendet. Vor dem Gericht diskutierten der Verteidiger und die Mitarbeiter des Landratsamtes noch lange weiter. Unter anderem ging es darum, ob die fachliche Qualifikation der Amtsveterinäre ausreicht, um die Gesundheit eines Bären zu beurteilen. Diese hatten Bens Zustand als besorgniserregend bezeichnet. Ein Gutachter, der den Bären kurz darauf untersucht hatte, attestierte dagegen einen einwandfreien Zustand. Der Gutachter arbeitete allerdings im Auftrag des Zirkus.

Bär Ben lebt inzwischen im Gnadenhof für Braunbären in Bad Füssing. Dort hatte er anfangs seinen Käfigwagen nicht verlassen wollen. Inzwischen hat er sich aber akklimatisiert und in Bärin Laima sogar eine Freundin gefunden, mit der er sich ein Gehege teilt.

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