Gewalttat in Dingolfing:
Vermeintliches Raub-Opfer (noch) nicht vernehmungsfähig

16.11.2017 | Stand 31.07.2023, 13:44 Uhr
−Foto: n/a

Prozess vor dem Landshuter Landgericht gegen Junkie-Trio geht in die Verlängerung

DINGOLFING/LANDSHUT Das kasachisch-usbekische Trio, dem die Anklage vor dem Landshuter Landgerichts u.a. schweren Raub und gefährliche Körperverletzung vorwirft, schweigt. Und das vermeintliche Dingolfinger Opfer, der 42-jährige kirgisische Mechaniker Vitali S., ist nach einem Drogen- und Alkoholexzess noch nicht vernehmungsfähig. Trotzdem will die 5. Strafkammer den Prozess nicht platzen lassen.

Wie zum Prozessauftakt berichtet, sollen sich der 33-jährige Schweißer Eugen K., der 34-jährige Möbelmonteur Andrej M. - beide mit kasachischen Wurzeln - und der aus Usbekistan übergesiedelte 34-jährige Gelegenheitsarbeiter Wilhelm B. am 15. Januar dieses Jahres maskiert und mit Handschuhen ausgestattet, sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung ihres späteren Opfers verschafft und dieses unvermittelt zusammengeschlagen und mit mindestens zehn Fußtritten gegen den Kopf malträtiert haben.

Sie sollen den Mechaniker so lange gequält haben, bis er ihnen verriet, wo er seine Geldbörse aufbewahrt habe, der sie dann 270 Euro entnommen haben sollen. Weniger erfolgreich soll dann die weitere Durchsuchung der Wohnung nach Wertgegenständen verlaufen sein.

Das Trio auf der Anklagebank - in Passau, Essenbach und Deggendorf offiziell gemeldet - machte zwar beim Prozessauftakt von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, die von Vorsitzendem Richter Ralph Reiter verlesenen Auszüge aus dem Strafregister machten allerdings klar, dass sämtliche Beteiligte der Junkieszene angehören.

Die Angeklagten sind seit Jahren schwer heroinabhängig, ließen immer wieder bei Gericht „arbeiten“ und handelten sich schon mehrjährige Freiheitsstrafen ein. Auch das vermeintliche Opfer ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt: 2007 wurde er zusammen mit drei Kumpanen verurteilt, nachdem das Quartett über mehrere Jahre hinweg Heroin in großen Mengen aus Holland eingeführt und in der niederbayerischen Szene vertickt hatte. Er hatte sich dafür eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren eingefangen.

Und auch jetzt stand er als Zeuge nicht zur Verfügung: Ende Oktober war er in einem äußerst desolaten gesundheitlichem Zustand ins Deggendorfer Klinikum eingeliefert worden. Allerdings nicht, aufgrund der beim Überfall erlittenen schweren, aber nicht lebensbedrohlichen Verletzungen, sondern, wie es Vorsitzender Richter Reiter formulierte: „Da hat der jahrelange Drogenkonsum wohl seinen Tribut gefordert.“

Die Verteidiger-Riege war allerdings mit der von der Kammer vorgeschlagenen Verlesung der polizeilichen bzw. ermittlungsrichterlichen Aussagen des Mechanikers nicht einverstanden, beharrte auf seiner Vernehmung vor Gericht und beantragte eine Aussetzung des Verfahrens, bis der 42-Jährige persönlich befragt werden könne. Hintergrund war wohl auch - wie am Rande des Prozesses zu erfahren war -, dass sich Vitali S. bei seinen verschiedenen Vernehmungen in Widersprüche verwickelte, u.a. was seine Bekanntschaft mit den drei Angeklagten anging, die er zunächst überhaupt nicht kennen wollte, später aber dann doch.

Oder was ihre Vermummung des Trios beim angeblichen Überfall anging. Und da war dann auch noch der frappierende Umstand, dass es nach dem Überfall noch zum gemeinsamen Drogenkonsum in der Wohnung gekommen sein soll, nachdem zuvor einer von einem aufmerksamen Nachbarn alarmierte Polizeistreife die Wohnungstür nicht geöffnet worden war und sie unverrichteter Dinge wieder abziehen musste.

Um den Prozess nicht platzen zu lassen, beauftragte die Strafkammer den psychiatrischen Sachverständigen Dr. Ludwig Schmid mit der Begutachtung von Vitali S., um mehr über dessen aktuellen Gesundheitszustand und eine Prognose über den Zeitpunkt einer möglichen Vernehmung zu erhalten. Der Gutachter berichtete am dritten Verhandlungstag, dass der Mechaniker am 24. Oktober in äußerst kritischem Zustand - vollgepumpt mit Opiaten und mit 3,6 Promille im Blut - ins Deggendorfer Klinikum eingeliefert wurde. „Er wurde künstlich beatmet und war nicht ansprechbar, ein normaler Zustand für ein fast entstandenes Organversagen“, so Dr. Schmid.

Diagnostiziert worden seien u.a. Gelbsucht, eitrige Abszesse, Lungenentzündung sowie eine beginnende Sepsis und ein beginnendes Leberversagen. Momentan, so der Gutachter, habe sich der Zustand des 42-Jährigen zwar stabilisiert, er sei aber noch nicht vernehmungsfähig. Eine Besserung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich.

Die Prozessbeteiligten einigten sich im Hinblick auf diese Prognose auf eine „Verlängerung“ des ursprünglich auf nur drei Verhandlungstage angesetzten Verfahrens: Bis kurz vor Weihnachten sind noch fünf Termine ins Auge gefasst. -ws-

Dingolfing-Landau