Kein Schweigegeld"
Das Bistum Regensburg gewinnt gegen Spiegel

05.07.2017 | Stand 13.09.2023, 6:18 Uhr
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Das Bistum Regensburg hat einen Etappen-Sieg gegen das Nachrichtenmagazin Der Spiegel errungen. Wie andere Medien, hatte der Spiegel eine Geldzahlung an die Eltern der Opfer des späteren Pfarrers von Riekofen, Peter K. als „Schweigegeld" bezeichnet. Offenbar, so eine Mitteilung des Bistums Regensburg, hat das für pressekritische Urteile bekannte Hamburger Landgericht nun entschieden, dass der Spiegel das nicht länger darf.

REGENSBURG _25 HAMBURG Das Bistum Regensburg hat offenbar einen Etappen-Sieg im Kampf gegen Medien errungen, die die Vorgehensweise des Bistums im Fall des pädophilen Priesters Peter K. kritisiert haben. K. war 1999 in Viechtach verurteilt worden, weil er zwei kleine Buben während einer Faschings-Veranstaltung unsittlich berührt hatte. Später kam es zu einem Vertrag zwischen Bistum und den Eltern der Opfer, der die Zahlung von 5.000 Mark vorsah. Der Spiegel hatte diese Zahlung als „Schweigegeld" bezeichnet – das Bistum klagte in Hamburg bei der Kammer für Presserecht. Das ist zwar einerseits der Sitz des Magazins, andererseits verklagte man auch einen Regensburger Blogger dort, der den Spiegel zitierte. Das Hamburger Landgericht ist in Medien-Kreisen geradezu berüchtigt für eher pressekritische Urteile.

Bislang noch kein Urteil gibt es bezüglich der Frage, ob das Verhalten des Bistums im Anschluss an K.s Strafe – er erhielt einen Strafbefehl mit einigen Auflagen – korrekt war. Dabei stehen sich bislang Aussagen des Bistums und Aussagen der Justiz gegenüber – die Richterin des Amtsgerichts Viechtach hatte damals behauptet, sie habe vor Peter K. und einem Einsatz in der Jugendarbeit grundsätzlich gewarnt. K. indes tauchte bereits 2001 auf Fotos in der Lokalpresse auf, die ihn mit Ministranten zeigten. Später verging er sich an einem zunächst elfjährigen Jungen und wurde im April 2008 zu drei Jahren Haft und Unterbringung in der Psychiatrie verurteilt. Die Kirche hat den Pfarrer laisiert, das heißt, vom Priesterstand entfernt.

Das Bistum sieht das Urteil vom 21. Januar offenbar als Sieg auf ganzer Linie. Wir veröffentlichen im Folgenden den Wortlaut einer Presseaussendung des Bistums:

„Schmerzensgeld ist kein Schweigegeld. Der Spiegel darf nicht behaupten oder den Eindruck erwecken, dass das Bistum Regensburg einen Missbrauchsfall vertuschen wollte und mit dieser Absicht Geldzahlungen veranlasst habe. Dies entschied das Landgericht Hamburg am 21. Januar 2011. 

Bistumssprecher Clemens Neck:  „Der Rechtsstreit war notwendig, weil in ganz Deutschland immer wieder von vertuschten Missbrauchsfällen geschrieben wird. Dabei verweisen die Autoren als Beispiel auf den verhandelten Fall im Bistum Regensburg und den Artikel des Spiegels sowie andere Publikationen. Alle Dokumente - wie etwa die Schreiben der Eltern und ihres Anwalts - belegen aber unmissverständlich, dass es zu keinem Zeitpunkt darum ging, ein Schweigen zu erwirken.  Dieser Rechtsstreit verhandelte die Frage, ob der Spiegel die offensichtliche Unwahrheit verbreiten darf. Dieses Vorrecht besitzt er nicht. Und das ist gut so.“  Hintergrundinformationen:

Auszug aus einer schriftlichen Vereinbarung zwischen den Eltern der betroffenen Kinder, dem Täter und dem Bischöflichen Ordinariat vom 30.06.1999 :  „Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass negative psychische Folgen für die betroffenen Kinder …. soweit wie möglich verhindert bzw. durch Therapien abgemildert werden sollen. Im wohlverstandenen Interesse der Kinder und auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern soll daher Stillschweigen gewahrt werden“. Und weiter: „ Herr … (Anmerkung: hier Name des Täters) verpflichtet sich, den aus dem Vorfall vom 31.3.1999 entstandenen und ggf. noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Er verpflichtet sich insbesondere, folgendes Schmerzensgeld zu bezahlen….“  Auszug aus einem Schreiben des Rechtsanwalts der Familie an den Justitiar des Bischöflichen Ordinariates vom 18.05.1999:  „1. Das Bischöfliche Ordinariat hat ausdrücklich bekundet, einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Herrn …. nicht im Wege zu stehen. Die Vorgänge vom 31.03.1999 können und sollen also, wenn dies die betroffenen Kinder und deren Eltern wünschen, von den zuständigen staatlichen Organen umfassend und vollständig aufgeklärt werden. 2. Mit Rücksicht auf das Wohl der Kinder, …, sehen die Ehegatten … im Augenblick von einer Strafanzeige ab. Dies geschieht aus eigenem Wunsch, nicht auf Bitten oder Drängen des Bischöflichen Ordinariates. Das Recht zur Strafanzeige bleibt ausdrücklich vorbehalten…“.

Auch das Oberlandesgericht Hamburg hat eine Pressemitteilung zum Urteil des Landgerichtes veröffentlicht, die wir ebenfalls im Wortlaut wiedergeben:

„Das Landgericht Hamburg hat heute einer Unterlassungsklage der Diözese Regensburg gegen den Spiegel Verlag und die Spiegel ONLINE GmbH fast vollständig stattgegeben. Die Klage richtete sich gegen die Berichterstattung der Beklagten über den Umgang der Diözese mit einem Fall von Kindesmissbrauch aus dem Jahr 1999.

Der Spiegel berichtete anlässlich der in katholischen Einrichtungen aufgetretenen Missbrauchsfälle u.a. in der Ausgabe vom 8. Februar 2010 unter dem Titel „Die Scheinheiligen“ auch über die Klägerin. Dabei ging es um einen Kaplan, der im Jahr 1999 zwei Kinder sexuell belästigt hatte, und den anschließenden Umgang der Klägerin mit diesem Vorfall, insbesondere ihre Verhandlungen mit der betroffenen Familie. Die Klägerin traf damals mit den Eltern der beiden Kinder eine Vereinbarung, in der u.a. die Schadensersatz- und Schmerzensgeldverpflichtung des Kaplans geregelt wurde. Die Vereinbarung enthielt außerdem die Formulierung, dass auf den ausdrücklichen Wunsch der Eltern Stillschweigen gewahrt werden sollte.

Die Klägerin wendet sich gegen den in der Berichterstattung enthaltenen Vorwurf, sie habe durch die Vermittlung der Geldzahlung des Kaplans an die Missbrauchsopfer erreichen wollen, dass der Vorfall nicht angezeigt werde oder sonst an die Öffentlichkeit gelange. Dies wird in dem Bericht der Beklagten zwar nicht offen behauptet. Aufgrund der gewählten Formulierungen und der Art der Darstellung gewinnt der Leser aber auch nach der Überzeugung des Gerichts zwingend einen entsprechenden Eindruck.

Die Klägerin kann nach dem heutigen Urteil verlangen, dass die Beklagten die Berichterstattung in der bisherigen Form nicht weiter verbreiten. Der Grund hierfür liegt darin, dass nicht fest steht, ob die Vorwürfe tatsächlich zutreffen. Derjenige, der Behauptungen aufstellt, die geeignet sind, einen anderen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, muss im Streitfall die Richtigkeit seiner Behauptung beweisen. Dieser Nachweis ist den Beklagten nicht gelungen. Nach den dem Gericht vorgelegten Unterlagen über den Verlauf der Verhandlungen mit den Eltern der Missbrauchsopfer spricht sogar einiges dafür, dass die Klägerin sich mit der vereinbarten Schweigepflicht nur absichern wollte, dass sie – dem Wunsch der Eltern entsprechend – selbst keine Strafanzeige erstattete.

Erfolglos blieb die Klage, soweit sie sich gegen die in der Berichterstattung enthaltene Äußerung richtete, die Familie habe eine „Schweigevereinbarung“ unterzeichnet. Bei dieser Formulierung handelt es sich um eine zulässige Bewertung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Ein Bezug zwischen der Schweigeabrede und der Schmerzensgeldzahlung wird durch die verwendete Formulierung nicht hergestellt.

Gegen das Urteil kann binnen eines Monats nach seiner Zustellung ein Rechtsmittel eingelegt werden. Das Aktenzeichen lautet 324 O 274/10." 

Regensburg