Nazi
Gutachter fordern Gedenken an KZ-Außenstelle Regensburgs in neuem Bayern-Museum

07.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:46 Uhr
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Gutachter haben einen zentralen Ort zur Dokumentation der Nazi-Greuel am Ende des Krieges in Regensburg gefordert. Hintergrund ist die Debatte um das Außenlager des KZs Flossenbürg im Colosseum.

REGENSBURG Gutachter haben eine zentrale Dokumentation der Nazi-Greuel in Regensburg gefordert. Als zentralen Ort schlagen sie das neu am Donaumarkt entstehende Museum der Bayern vor. Das geht aus dem Gutachten hervor, das von Ulrich Fritz von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Dr. Jörg Skriebeleit von der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und Prof. Dr. Mark Spoerer von der Uni Regensburg im Auftrag des Kulturreferates der Stadt Regensburg bearbeitet wurde und unserer Zeitung vorliegt. 

Historischer Hintergrund des Gutachtens sind die Todesmärsche von KZ-Häftlingen aus Flossenbürg zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Zwischen 19. März und 23. April 1945 befand sich im sogenannten Colosseum in Stadtamhof das Außenlager, das in der Nachkriegszeit sogar als Striplokal, dann als Bühne für das Bauerntheater genutzt wurde und dessen Tanzsaal, in dem die KZ-Häftlinge untergebracht waren, heute nicht mehr erhalten ist. 

Entbrannt ist der Streit daran, dass sich der Eigentümer des Hauses stets geweigert hatte, eine Erinnerungstafel an dem Gebäude anzubringen. Bereits in den 90er Jahren hatte man auf Anregung von Oberbürgermeisterin Christa Meier einen Gedenkstein aufgestellt, der allerdings versetzt wurde und heute ein wenig abseits neben einer Eisdiele steht. 

In den letzten Kriegstagen muss es in dem Gebäude Colosseum schlimmste hygienische Zustände gegeben haben. So schildern die Gutachter, dass es lediglich einen Wasserhahn und eine Toilette gab. „In den nur fünf Wochen seiner Existenz starben von insgesamt ca. 400 im Regensburger Gasthaus Colosseum im Stadtteil Stadtamhof untergebrachten und im Stadtgebiet zur Zwangsarbeit eingesetzten Häftlinge mindestens 53 in Regensburg", heißt es in dem Gutachten.

Den etwa 400 Häftlingen standen in den wenigen Tagen in Regensburg bis zu 50 SS-Wachmänner gegenüber, einer davon, SS-Obersturmbannführer Plagge, sei ein brutaler Schläger und Trinker gewesen. Die hohe Zahl der Wachmänner führen die Autoren des Gutachtens darauf zurück, dass die KZ-Häftlinge offenbar in kleinen Trupps Fliegerbomben-Schäden beseitigen sollten. Viele der 50 Wachmänner seien Strafversetzte, teilweise auch sogenannte  „Volksdeutsche", etwa Männer aus dem späteren yugoslawischen Gebiet gewesen. Auch Strafversetzte der Organisation „Todt" seien darunter gewesen, heißt es.

Erwähnt wird in dem Gutachten auch die Textplatte, die von der Stadt vor dem Colosseum in den Boden eingelassen wurde. „Form und Text entsprechen nicht den Vorstellungen der bürgerlichen Initiativen", heißt es dazu. Die kontroverse Diskussion darum war auch Anlass, das Gutachten in Auftrag zu geben.

Die Gutachter indes haben eine provokante Forderung für die Stadtspitze. Bislang ist das Museum der Bayerischen Geschichte, das am Donaumarkt bis 2018 gebaut werden soll, eher für seine liebevollen bis klamaukhaften Inhalte in Erscheinung getreten. Von Ministerpräsident Horst Seehofer leichtfertig versprochen, wird es für Regensburg eine heikle Wunde schließen, die auch der Krieg geschlagen hat. Doch bislang ist von den verantwortlichen Planern nur bekannt, man werde ein wenig zwischen „Monaco Franze" und Bayern-Volkloria zeigen, das aber topmodern aufgemacht. 

Die Gutachter indes stellen eine Forderung in den Raum, die es in sich hat: „Eine geeignete und angemessene Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus würde sehr davon profitieren, wenn die Stadt sich dazu durchringen könnte, ihre Stadtgeschichte insgesamt darzustellen", heißt es. „Wünschenswert wäre eine öffentliche Präsentation, welche die Entwicklung Regensburgs im 19./20. Jahrhundert in ihrer Gesamtheit zeigt und damit auch die NS-Themen einbettet und gewichtet." 

Dann der Paukenschlag: „Wir empfehlen der Stadt insbesondere, auf eine Darstellung der weit über Regensburg hinaus bedeutsamen Themen im geplanten Museum für Bayerische Geschichte hinzuwirken. Da sich dessen inhaltliche Konzeption bis in die aktuelle Gegenwart erstrecken wird, würde sich etwa eine Darstellung des NS-verfolgungsapparates oder der NS-Kriegswirtschaft mit lokalen Anknüpfungspunkten anbieten."

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