Kirche
Erzbischof zum Abschied: „Frohes Gottvertrauen, tätige Nächstenliebe und heitere Gelassenheit"

07.07.2017 | Stand 13.09.2023, 4:15 Uhr
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Erzbischof Gerhard Ludwig Müller wurde mit wehenden Fahnen und einem Fest für die Regensburger nach Rom verabschiedet. Einst, 2002, bei seiner Weihe, demonstrierten noch kritische Laiengruppen. Die tauchen heute nicht mehr auf – zu glanzvoll ist die neue Aufgabe des Mannes in Rom.

REGENSBURG Während sich der Weihrauch im Dom St. Peter im Licht der bunten Glasfenster bricht, ruhen die Gebeine des Heiligen Wolfgang in einem Schrein vor dem mächtigen Mann mit Bischofs-Mitra. Er trägt all die Insignien der Macht seiner Kirche, die ihren obersten Hirten anvertraut werden: Neben der Mitra den Stab, den Ring, den Priester zu küssen haben, und das Pektorale, das breite Brustkreuz an der Kordel. Nur das Birett fehlt dem Kirchenfürsten noch, das den Kardinal auszeichnet. Es wird ihm bald  verliehen, sobald der Papst das nächste Konsistorium einberuft, die höchste Versammlung dieser jahrtausendealten Institution, wenn die Kardinäle der Kurie zusammen kommen, wird er „kreiert“: Gerhard Ludwig Müller, der den nächsten Papst mitwählen wird und vielleicht noch andere. Der jetzt selbst auf einem Stuhl sitzt im fernen Rom, auf dem einst der Pontifex Maximus Kärnerarbeit geleistet hat, Gotteslästerer und Abgefallene vom „wahren Glauben“, so wie die Kirche sie versteht, im Namen des Papstes tadelte und zum Schweigen brachte.

St. Peter ist der Mittelpunkt der Weltkirche an diesem Sonntag, während vor dem mächtigen Kirchenschiff die Bierbänke aufgebaut werden; die Brauerei des obersten Hirten hat Bier für einen Euro angekündigt. Der Mittelpunkt der Weltkirche vor St. Peter, ja, das kennt man. Doch dieser Dom steht nördlich der Alpen! Es ist der Regensburger Dom! Regensburg ist längst zum kleinen Rom geworden, seit ein früherer Professor der Universität dieser Stadt Papst geworden ist. Jetzt verabschiedet man sich von Gerhard Ludwig Müller, dem mächtigsten Mann im Vatikan nach dem Papst, dem neuen Präfekten der Glaubenskongregation.

Die Regensburger haben ein Fest für den Erzbischof ausgerichtet, der Domplatz ist berstendvoll mit Menschen. Zum einen beobachten sie begeistert die endlos lange Prozession: Vorneweg gehen die Marianischen Männercongregation und Kolpingsverbände. Dann folgen die vielen Ministranten. Hinter dem Priester, der würdevoll die Bibel gen Himmel hält, geht der Privatsekretär des Papstes, Georg Gänswein. Die Sonne strahlt die Prälaten und das Domkapitel an, dessen Mitglieder vor den zahlreichen Bischöfen in den Dom einziehen. Die Kameras klicken und knattern, alle wollen Bilder machen von diesem seltenen Anblick von so hochkarätigen Geistlichen (in der an Geistlichen übrigens nicht gerade armen Stadt). Kardinal Reinhard Marx und sein Vorgänger Friedrich Wetter kommen zum Abschiedsgottesdienst, auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, bekundet Müller seine Freude über dessen Berufung nach Rom. Viele Bummler, die keinen Platz im proppevollen Dom bekommen haben, warten am Domplatz aufs Bier – dort zapft Bischofshof aber erst an, als die Messe vorbei ist. So ist das nun mal im katholischen Bayern: Getrunken wird erst, wenn man gebetet hat.

Prälat Heinrich Wachter hat eine diebische Freude daran, dass heute ausnahmsweise mal die Kirche das Sagen hat am Domplatz. Dort, wo er eigentlich von der Stadt Regensburg seit Jahren einen Behindertenparkplatz fordert für Papstbruder Georg Ratzinger, stellt er seinen Ford Focus mit Vatikanfahne ab, packt Ratzinger ein und fährt quer über den gesperrten Domplatz. Der schon aufgestellte Festzug weicht ehrfurchtsvoll zurück vor den beiden Senioren in Priestertalar mit prälatenpinken Spitzen.

Zuvor, im Kolpinghaus beim festlichen Empfang, kamen Landräte, Bezirkstagspräsidenten, der Sparkassen-Verbandschef Theo Zellner machte Müller seine Aufwartung, natürlich Fürstin Gloria in Begleitung von Principessa Borghese sind da. Es ist das „Who is who“ der Politik in der Diözese einerseits, das „Who is who“ der Kirche andererseits und zum Dritten das „Who is who“ des konservativen Katholizismus im Gefolge von Fürstin Gloria. Alle wollen etwas abhaben vom Glanz eines Glaubenspräfekten, sogar die Medien: Die Kameras laufen heiß, Reporter streiten sich um den besten Platz vor Müller, der nun mal keine einfachen, kurzen Sätze spricht, sondern schwer sendbare Schachtelsätze, an denen man im Schnittraum wohl verzweifelt. Dann wird gesungen und gedankt – ein würdevoller Abschied in allen Punkten.

Als Gerhard Ludwig 2002 zum Bischof geweiht wurde, kamen noch Vertreter von „Wir sind Kirche” gekommen. Heute sieht man keine Transparente, die Beförderung in den Vatikan hat auch die Kritik an Gerhard Ludwig weggespült. Nicht etwa, weil sie in seiner Amtszeit auch ihre Berechtigung gehabt hätte. Doch wenn einer, den man angreift, zu Höherem berufen wird, verpufft all das, was man ihm vorwarf. Bleiben werden auch Wunden. Doch wird man sich die Frage stellen, welchen Anteil Müller an ihnen eigentlich hatte. Der Fall Riekofen etwa: Immer mehr wird deutlich, dass Müller damals falsch beraten wurde, er wollte sich von Anfang an den bohrenden Fragen der Riekofener stellen, deren Pfarrer übergriffig geworden war.

Doch das ist lange her und an Wir sind Kirche erinnert an diesem Tag nur ein einst von Müller bestrafter Pfarrer, der beim „Aktionskreis Regensburg“ Mitglied ist und dort auch die „Pipeline“ verlegt. Das kleine Geheft, das aussieht wie ein Pfarrgemeindebrief, kommt diesmal wie so oft in seiner Amtszeit mit einer Karikatur des Bischofs daher, der mit einer Quadriga aus Regensburg abdüst: „Rom! Ich komme!“ steht drunter.

Der klein gewachsene Pfarrer, der als David gegen den Goliath im Bischofshaus einst den Kürzeren zog, nimmt sich traurig eines der Hochglanzmagazine vom Stapel auf der Europalette. „Danke“ hat man sie genannt, darin wird Müller in bunten Farben gemalt. Auch wirklich witzige Bilder sind drin, eine Punkerin mit grünen Haaren etwa, die Müller den Arm auf die Schulter legt. Weltjugendtag war da, und Müller, der oft so unnahbar wirkte, er war auch eines immer: Ein eigentlich sehr leutseliger Mensch.

Als der Tross der Prälaten, Bischöfe, Kardinäle und dem Glaubenspräfekten vom Dom verschluckt wird und der Gottesdienst beginnt, ist Frieden eingekehrt. Müller hat seinen Platz in Rom gefunden. Die Regensburger hoffen auf einen neuen Bischof, der wieder heimeliger ist und Regensburg nicht als Sprungbrett, sondern als Lebensaufgabe begreift.

Müllers Predigt zum Abschied war dann so wortgewaltig, wie man ihn in seiner Zeit als Bischof kannt. Viele theologisch hochkarätige Gedanken schmückten die Predigt. Doch an einer Stelle wurde der neue zweithöchste Hüter des katholischen Glaubens doch ganz menschlich: „ Wir flüchten auch nicht in einen Rausch von Genuss und Konsum, der die Angst vor dem Nichts überdröhnt und das Leben trivialisiert. So war und bleibt meine Lebensmaxime: frohes Gottvertrauen, tätige Nächstenliebe und heitere Gelassenheit.“    

Regensburg