Kirche
Erzbischof Müllers neues Leben: Inquisition und Prunksucht? Keine Spur!

06.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:56 Uhr
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Der emeritierte Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller ist seit 100 Tagen Präfekt der Glaubenskongregation. Am Montag besuchte das Wochenblatt zusammen mit Journalisten aus Ostbayern das „Santo Uffizio" in Rom.

REGENSBURG Wer sich einen dunklen Kerker vorstellt mit Ketten und Karzer, der wird im „Santo Uffizio“, einst die „Heilige Inquisition“, grundlegend getäuscht. Das Gebäude ist in vatikanischem Gelb gehalten, im Innenhof reihen sich die Arcaden um einen schattigen Parkplatz, auf dem viele Kleinwagen stehen. Und ein Vogelkäfig mit Kanarienvögel drin, die der Pförtner füttert.

Auch die Räume des neuen Präfekten der Glaubenskongregation entsprechen so gar nicht dem Bild von Macht, Prunk und Kirchenklimbim. Ein paar Stühle im barocken Stil zeugen von einem Hauch von Geschichte, aber ansonsten ist das Mobiliar modern und einfach gehalten. Im Vorraum wartet meistens Fahrer Andrea auf Anweisungen, der silberne Ford Focus steht im Innenhof des „Dikasteriums“, dieses päpstlichen Ministeriums.

Direkt daneben ist das Büro von Monsignore Slawomir Sledziewski, einem jugendlich wirkenden Priester, der schon Professor war und seinen Job in Rom zusammen mit dem Erzbischof angetreten hatte. „Für mich ist das alles neu hier“, sagt der sympathische Pole, „und ich hoffe, dass ich die Aufgabe bewältige“. Er spricht perfekt Deutsch, perfekt Italienisch, kein Wunder, in der Weltkirche macht man nur vielsprachig Karriere. Aber genau das will der Privatsekretär des Erzbischofs nicht: „Das ist nichts für mich“, sagt er und blickt etwas betreten zu Boden.

Dann kommt der Mann, auf den die zahlreich aus Regensburg angereisten Journalisten gewartet haben: Gerhard Ludwig Müller, gewohnt wuchtig, noch ohne Kardinalspurpur. Er schüttelt allen die Hand, grüßt freundlich, dann setzt man sich an den Tisch. Wer denkt, Müller hat sich verändert, der täuscht: Nach wie vor fürchtet er die Journalisten. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen. Auf die Frage hin, ob er etwas zu den Piusbrüdern sagen will, fürchtet er, erneut einen Stein ins Rollen zu bringen. „Dazu ist schon sehr viel gesagt worden“, lehnt er jedes Statement ab.

Einer seiner Vorgänger im Amt hieß Joseph Kardinal Ratzinger. Er hatte Entscheidungen getroffen, die weltweit für Empörung sorgten. Beispielsweise hatte er Leonardo Boff gemaßregelt, den Befreiungstheologen. Oder Hans Küng aus der Kirche gedrängt, seinen einstigen Kollegen aus Freiburg. Ob er Angst habe, solche Entscheidungen zu treffen? „Ich bin ja nicht als ängstlicher Typ bekannt“, sagt Müller. Doch seine Worte wägt er nun ab, denn er weiß: Jedes kann eine Lawine auslösen, die Kirche hat Nachrichtenwert, weltweit.

Sicher ist: Auf Müller werden zahlreiche Probleme zukommen. Die Kirche ist nicht im besten Zustand. Einerseits drängen die liberalen westlichen Demokratien auf Lockerungen. Religiöses Wissen ist kaum mehr vorhanden, ja oft auch nicht vermittelbar, weil man sperrige Sätze und schwer vorstellbare hochphilosophische Dinge erklären muss. Die Sprache der Kirche ist oft nicht die der Menschen in diesen Ländern. Andererseits suchen viele nach Antworten, die über die Volksfrömmigkeit von einst weit hinaus gehen. Die kirchlichen Milieus erodieren, ganze Generationen sind für die Kirche in diesen Ländern unerreichbar geworden. Und da ist es nur ganz natürlich, dass hier in den eigenen Reihen Rufe laut werden, sich diesen Fragen zu stellen: Warum ist es Sünde, wenn man den oder die Falsche liebt? Wer ist derjenige, der den ersten Stein wirft?

Doch andererseits gibt es Bewegungen, die weit hinters Konzil führen, die in den Staaten Südamerikas, der erstarkenden Kirchen in Afrika und Asien an Gläubigen gewinnen. Die wollen wieder lateinische Messen hören, von Homosexuellen und Geschiedenen nichts wissen. Dort droht die Kirche ins Reaktionäre abzugleiten.

Das sind die Fragen, denen sich Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation stellen muss. Doch die Journalisten aus Regensburg wollen natürlich lieber etwas Lokalkolorit in ihr Blatt bringen. Deshalb fragen sie ihn beispielsweise, ob er zum Katholikentag nach Regensburg kommt. Er lacht. Ja, wenn er eingeladen wird. Aber er will dem neuen Regensburger Bischof auch nicht die Show stehlen, sagt er. Dabei habe er, wirft einer aus der kreuzbraven Fragerunde ein, doch seine Zusage zum Pfingstritt in Kötzting schon gegeben. Müller hoch zu Ross, das war stets ein schönes Bild für die Fotografen, und der großgewachsene Mann hatte immer sichtlich Freude an dem Volksbrauch. Er lacht verschmitzt: „Da habe ich nur zugesagt, für den Fall, dass sich ein neuer Bischof vor Pferden fürchtet.“ Dann ist Ende der Audienz.

Der Privatsekretär bringt die Regensburger Journalisten-Delegation aus dem Empfangszimmer. Im Warteraum, der vielleicht zehn Quadratmeter groß ist, steht eine Figur, die den Bischof zeigt auf dem Pfingstritt in Kötzting. Ein Heidenspaß ist das offenbar, mal nicht im Wortsinn.  

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