Interview
Denkmalschützer: ,Grüngürtel ergänzen statt eine Stadthalle bauen!'

12.07.2017 | Stand 13.09.2023, 6:56 Uhr
−Foto: Foto: Eckl

Werner Chrobak ist neuer Vorsitzender des Orts-Kuratoriums der deutschen Stiftung Denkmalschutz. Wir sprachen mit dem Historiker über Regensburg, den Welterbe-Status - und was er zu einer Stadthalle sagt.

REGENSBURG Wochenblatt: Herr Dr. Chrobak, Sie sind neuer Vorsitzender des Orts-Kuratoriums der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Gratulation! Aber ganz im Ernst: Regensburg ist doch ohnehin konserviert? Werner Chrobak: Wir sind als Kuratorium beauftragt, uns vor Ort um die Belange der Denkmal- und Stadtbildpflege zu kümmern. Das heißt, wir müssen die Entwicklung beobachten, was in einer Welterbestadt wie Regensburg eine große Aufgabe ist. Wir sind sozusagen die Ehrenamtlichen, die den Hauptberuflichen der Denkmalpflege sowie des Bayerischen Amts für Denkmalpflege zur Seite stehen sollen. Wir gehen mit offenen Augen durch die Stadt und identifizieren Defizite. Und das ist eine wichtige Aufgabe.

Gibt es die in Regensburg überhaupt noch? Ja, allerdings muss man sagen, dass die Denkmalpflege seit den 70er Jahren sehr viel erreicht hat. Die großen Fehler der 50er und 60er Jahre wie der Abriss in der Roten-Hahnen-Gasse beim Pustet-Viertel, dem Abriss am Neupfarrplatz oder für das Kolpinghaus sind natürlich die augenscheinlichsten Fehler der damaligen Zeit. Heute müssen wir um Einzelprojekte ringen, wie etwa den Ostenturm.

Was stört Sie an solchen Planungen? Ich habe das damals als Umpfählung des historischen Stadtkerns bezeichnet und die einzigartige Bausubstanz Regensburgs darf keine Konkurrenz durch solche Bauten bekommen. Zum historischen Erbe gehört aber auch so etwas wie der historisch entstandene Grüngürtel um Regensburg.

Ist das eine Absage an alle modernen Bauten? Nein, absolut nicht. Denkmalschutz bedeutet, dass historische Substanz nicht durch Modernes ersetzt werden kann. Aber es gibt natürlich einige Stellen in Regensburg, an denen durchaus auch moderne Architektur möglich wäre. Mir fällt da zum Beispiel die Maxstraße ein.

Die Maxstraße wird von vielen nicht als sonderlich gelungene Gestaltung empfunden! Ich sehe das genauso, wobei die Maxstraße historisch eine besondere Bedeutung hat. Es gibt beispielsweise in der Grasgasse zwei Gebäude, die noch aus der Zeit der Beschießung der Stadt durch Napoleon 1809 stammen. Die müssen unbedingt erhalten bleiben. Doch in der Maxstraße gibt es zwischen historischen Gebäuden wie dem schönen Fürstenhof, eines der wenigen Gebäude aus der Jugendstilzeit, die Regensburg hat, einige eingeschossige Bebauungen, an deren Stelle ich mir durchaus moderne Architektur vorstellen kann.

Plädieren Sie für historisierende Bebauung? In den 70er Jahren hat man versucht, historisierend zu bauen, darüber ist man bereits hinweg. Ich bin eher aufgeschlossen gegenüber moderner Architektur. In Wien beispielsweise gibt es ein Gebäude gegenüber vom Stephansdom, in dessen Fassade sich der Dom spiegelt. Auch in Valletta auf Malta gibt es am Entrée der Altstadt ein wunderbares modernes Parlamentsgebäude, das sich mit der historischen Substanz ergänzt. Strömungen aufzunehmen, das finde ich gut. Genau das werfe ich aber dem neuen Museum der Bayerischen Geschichte vor, dass hier mit einer Art Lagerhausarchitektur genau das nicht gelungen ist. Aber geben wir dem Gebäude eine Chance, denn die Fassade wird aus Keramik geriffelt sein, die soll dem die Wuchtigkeit nehmen. „Tourismus ist Chance und Gefahr zugleich“

Verändert auch der Tourismus die Denkmäler? Natürlich! Tourismus ist immer eine Chance, aber auch eine Gefahr. Natürlich hat Regensburg durch den Welterbestatus an Attraktivität gewonnen, aber ob beispielsweise der Schiffstourismus ein Gewinn ist, steht auf einem anderen Blatt. Wenn Karawanen von den Kreuzfahrtschiffen kommen, verdrängen sie die Einheimischen von den Bordsteinen. Und das bewirkt, dass so mancher aus der Altstadt wegzieht. Deshalb ist für uns auch von Bedeutung, dass der Mix aus Wohnen, Einkauf und Tourismus und Gastronomie funktioniert.

Haben Sie den Eindruck, dass viele Anwohner aus der Altstadt heraussaniert werden? Eine Zeit lang hatte man den Eindruck, aber ich glaube, die Diskussionen über das Thema haben das etwas abgemildert. Ich habe auch das Gefühl, dass in der Altstadt die Mieten nicht mehr ganz so stark steigen.

Schaut man sich andere historische Städte beispielsweise in Osteuropa an, fällt auf, dass dort ein nichtsaniertes neben einem sanierten Haus steht. Regensburg wirkt fast wie geschleckt im Vergleich. Kann man Gebäude auch totsanieren? Tatsächlich ist es so, dass beispielsweise der Dom früher schwarze Patina hatte, heute strahlt er, als wäre er erst gerade gebaut worden. Man hat manchmal das Gefühl, die Stadt ist ein wenig über-abgeschleckt. Aber andererseits gibt es heute neuere Techniken, andere Farben und vor allem auch das Bewusstsein, etwa Details wie baugeschichtliche Entwicklungen sichtbar zu machen.

Stellt sich Regensburg auch seiner Verantwortung, beispielsweise die dunklen Kapitel seiner Geschichte wie des Dritten Reichs sichtbar zu machen? In vielen Punkten ist das derzeit noch sehr mangelhaft. Beispielsweise gibt es eine sehr versteckte Tafel im Innenhof des Bischofshofes über den ermordeten Domprediger Dr. Johann Maier. Doch es gibt ein Konzept, das der Leiter der Gedenkstätte Flossenbürg dem Kulturreferat zur Verfügung gestellt hat. Ich glaube, dass dieses Konzept umgesetzt wird und Gedenkorte herausgestellt werden. Auch das ist Denkmalpflege.

Ein Dauerbrenner ist derzeit die Umgestaltung des Ernst-Reuter-Platzes und des Bahnhofs im Hinblick auf eine Stadthalle. Was denken Sie darüber? Ich bin da radikal. Ich wäre dafür, das schreckliche Studentenwohnheim zu beseitigen, dann aber keine Stadthalle zu bauen, für die – nach dem Tagungszentrum Alter Schlachthof – wohl der Bedarf fehlt. Stattdessen würde ich den historisch gewachsenen Grüngürtel an dieser Stelle wieder herstellen! Und auch bei der Verlagerung des Busbahnhofes hätte man ganz andere Lösungen finden können. Es war ein Fehler, das Vorkaufsrecht bei der früheren Post am Bahnhof nicht zu nutzen, hier hätte man den Busverkehr abwickeln können.

Und wenn niemand in Sachen RKK auf Sie hört? Dann müsste es zumindest eine Architektur sein, wegen der Menschen nach Regensburg kommen! Vielen Dank!

Zur Person

Dr. Werner Chrobak promovierte mit einer Arbeit über politische Parteien in Regensburg 1869 bis 1914, absolvierte dann eine Ausbildung zum Bibliothekar und arbeitete bis zu seiner Pensionierung vor vier Jahren in der Bischöflichen Zentralbibliothek. Seit 1998 ist er der Regensburger Stadtheimatpfleger. Der „Mann der Bücher“ hat ein enzyklopädisches Wissen über eine der schönsten Städte der Welt!

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