Ermittlungen
Spendenaffäre: Staatsanwalt greift Pressefreiheit an und ermittelt gegen Wochenblatt-Journalisten

11.07.2017 | Stand 03.08.2023, 18:26 Uhr
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Die Staatsanwaltschaft Regensburg geht im Zuge der Ermittlungen in der Spendenaffäre massiv gegen einen Journalisten vor. Zunächst erwirkte die Ermittlungsbehörde einen Strafbefehl wegen eines Kommentars, dann teilte man dem Redaktionsleiter des Regensburger Wochenblattes mit, dass gegen ihn ermittelt wird – wegen Bestechung des Oberbürgermeisters. Der Journalist soll dem Politiker „positive Berichterstattung“ gegen Unterlagen geboten haben.

REGENSBURG Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat einen Strafbefehl gegen den Redaktionsleiter des Regensburger Wochenblatts, Christian Eckl, erwirkt. Grundlage für den Strafbefehl ist ein Kommentar des Autors, den er über den Rückzug der Piraten-Stadträtin Tina Lorenz aus der Rathaus-Koalition geschrieben hatte.

Der Strafbefehl umfasst eine nicht unerhebliche Strafe von 40 Tagessätzen á 80 Euro. Der Autor soll also 3.200 Euro an die Staatskasse zahlen, weil er angeblich den Ruf der Stadträtin beschädigt hat. Zudem hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen in der sogenannten Spendenaffäre eingeleitet: Der Leiter der Sondergruppe „Spenden“, Polizeihauptkommissar Bernhard Bauer, teilte dem Journalisten telefonisch mit, dass gegen ihn Ermittlungen wegen Bestechung des Oberbürgermeisters eingeleitet wurden. So hätte sich aus Abhörprotokollen von Telefonaten zwischen Wolbergs und Eckl ergeben, „dass der Oberbürgermeister im Gegenzug für die Herausgabe von Unterlagen mit positiver Berichterstattung“ bestochen worden sein soll, sagte Bauer am Telefon.

Die Staatsanwaltschaft zitiert in dem Strafbefehl eine ganze Passage des Kommentars. Ehrenrührig sei diese Passage: „Das nährt den Verdacht, dass Lorenz sich ohnehin nur an den Einnahmen ihres Stadtratsmandates laben wollte, statt Politik zu machen. Kein Wunder: Beruflich steht die Stadträtin, die eine Magisterarbeit über ,viktorianische und frühe Stummfilmpornographie schrieb und sich mit Aufträgen des Regensburger Stadttheaters und mithin wiederum vom Steuerzahler über Wasser hält, ohnehin auf dünnen Beinchen.“

Rechtsanwalt Michael Haizmann sagt, „das ist ein Vorgang, der in meiner langjährigen Praxis noch nicht vorgekommen ist.“ Bei Übler Nachrede handle es sich um ein „Privatdelikt. Das heißt, die Staatsanwaltschaft musste hier gar nicht ermitteln.“ Dass sie es doch getan habe, sei „ein beklemmendes Zeichen dafür, dass dies politisch motiviert ist.“ Lorenz ist, wie sie selbst einräumte, Dozentin an der gemeinnützigen Akademie für Darstellende Kunst. Deren Lehrkörper wird nach Angaben der Stadt Regensburg „zu 100 Prozent vom Freistaat Bayern“ bezahlt.

Dass die Berichterstattung des Wochenblatts in der Spendenaffäre die Ermittler verärgerte, war schon vor der Verhaftung von Joachim Wolbergs deutlich, als die Staatsanwaltschaft am 22. Dezember 2016 eine äußerst ungewöhnliche Pressemitteilung heraus gab. Inhalt war der Bericht des Wochenblatts, wonach SPD-Fraktionschef Norbert Hartl eine Mail an Bauträger Volker Tretzel geschickt hatte, in der er ihn nach seiner Meinung zu einem Vorentwurf des Antrags auf Neuausschreibung der Vergabe Nibelungenareal fragte. Die Behörde stellte klar, „dass die Staatsanwaltschaft Regensburg weder dem Regensburger Wochenblatt noch einem anderen Pressemedium zu der fraglichen E-Mail Informationen hat zukommen lassen.“ In der Tat führte diese Berichterstattung, aber auch andere wie die über das Honorar von 20.000 Euro monatlich für den früheren Oberbürgermeister Hans Schaidinger zunächst zu Vorermittlungen, später zu einem Ermittlungsverfahren. Gleichzeitig informierte das Wochenblatt die Öffentlichkeit über die Hintergründe der Affäre und kam damit seiner journalistischen Pflicht – vor allem der Sorgfaltspflicht, verlässliche Beweise für die Berichterstattung zu finden – nach.

Rechtsanwalt Michael Haizmann nennt die nun gegen Eckl angestellten Ermittlungen „einen Zufallsfund aus der Telefonüberwachung des Oberbürgermeisters“, bei der sich die Frage stellt, ob diese Protokolle einem Verwertungsverbot unterliegen. „Es st ein massiver Eingriff des Staates in den journalistischen Quellenschutz“, so Haizmann. Der Anwalt hat Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt.

KOMMENTAR von Christian Eckl

Die Pressefreiheit muss geschützt bleiben!

Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat also Ermittlungen gegen mich eingeleitet – der Tatvorwurf lautet Bestechung des Oberbürgermeisters. Angeblich soll ich Wolbergs „wohlfeile Berichterstattung“ angeboten haben, damit er mir im Gegenzug Unterlagen verschafft und gegen seine Dienstpflichten verstößt. Diese Vorgehensweise der Ermittler ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. An allererster Stelle aber rüttelt dieser Vorgang an Grundfesten unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates, der seinesgleichen sucht.

Mal an erster Stelle: Es gibt kaum ein höheres Gut in einem Rechtsstaat als die Unschuldsvermutung. Gerade die nach Bekanntwerden der Ermittlungen einsetzende, vor allem überregionale Berichterstattung wies ähnliche Züge wie in früheren Fällen auf, in denen Politiker wegen Ermittlungen an die Wand genagelt wurden. Man denke nur an den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff – der musste wegen eines „Bobby Cars“ sein Amt aufgeben.

Unzweifelhaft wiegen die Anschuldigungen gegen Wolbergs schwerer. Doch selbst wenn sie zutreffen: Auch er hat ein faires, rechtsstaatliches Verfahren verdient! Genau deshalb haben wir uns, weil unserer Auffassung nach die Waage des medialen Urteils zu stark auf Seiten einer Vorverurteilung neigte, dazu entschieden, klar Position zu beziehen. Und das ist nicht verboten! Gleichzeitig ist unser journalistischer Auftrag aber eine saubere, inhaltlich einwandfreie Berichterstattung. Fakten sind heilig, Meinungen sind frei. Es ist richtig, dass ich in den letzten Monaten der Ermittlungen sehr häufig mit OB Wolbergs gesprochen habe. Ja, wir haben Wolbergs ein Podium für seiner Ansicht nach falsche Berichte geboten. Aber wir haben dafür Beweise gefordert. Ist das verboten? Ist es nicht meine Aufgabe, an Informationen zu kommen, auf die auch die Öffentlichkeit ein Recht hat? Dass die Polizei Telefonate zwischen mir und Wolbergs abgehört hat, ist ein unerhörter Vorgang. Er wirft die Frage auf, ob der Ermittlungsdruck, den die Behörden aufgebaut haben, mittlerweile so groß ist, dass ihnen mehr Mittel recht sind, als in einer Demokratie erlaubt sein sollten. Das Wochenblatt hat in der Spendenaffäre zahlreiche Hintergründe aufgeklärt. Es ist mein Job, genau dafür zu sorgen. Mein „Lehrherr“ im Volontariat brachte es mal so auf den Punkt: „Unser Job ist es nicht, fürs Poesiealbum zu schreiben.“ Mein Job ist es, Licht in manches Dunkel zu bringen. Das gilt auch für die dunklen Ecken eines Ermittlungsverfahrens.

Regensburg