Verfassungsschutz zum Wochenblatt:
Nazis werden weniger, doch das Internet gibt ihnen Macht

04.07.2017 | Stand 13.09.2023, 4:35 Uhr

Allen Meldungen der letzten Wochen zum Trotz: Nazis sind in Stadt und Landkreis auf dem Rückzug. Ausgerechnet eine Initiative von 100 Regensburger Wirten, ausgelöst durch einen Übergriff von Skinheads in einer Bar, wird nun im Netz diffamiert. Besonders pervers: Die Rechtsextremen pochen auf Meinungsfreiheit.

Der Auslöser für die Aktion „Wirte gegen Nazis” war ein alarmierender: Weil ein Barkeeper einer Gaststätte in Regensburgs Altstadt eine farbige Frau mit Kind gegen Skinheads verteidigte, prügelten die ihn hinter der Bar nieder. Immer häufiger berichtet auch die Polizei von rechtsextremen Straftaten, erst kürzlich marodierte eine Gruppe Skinheads durch die Altstadt und am Domplatz. Über 100 Regensburger Wirte haben sich jetzt zusammen geschlossen, um klar zu machen: Nazis werden nicht bedient. Seither tobt der Krieg im Internet. Einschlägige Nazi-Seiten torpedieren das Bündnis – besonders perfide: Sie berufen sich auf das Recht zur freien Meinungsäußerung. Ausgerechnet: Denn das System, dem sie hinterher trauern, hielt wenig von solchen Errungenschaften.

Unter der Überschrift „Können Gutmenschen ein KZ betreiben?” ist in einschlägigen Foren ein Text erschienen, der die Wirte als „Neofaschisten” bezeichnet. Im Text ist von „Ausgrenzung” und „Diskriminierung” die Rede. Die Wirte und ihre Unterstützer werden ebenso wie die Presse, die berichtete, als „Gutmenschen (…) in der Rolle der SA” diffamiert. Ähnliche abstoßende Äußerungen von Rechtsextremen wurden zuletzt im Internet publiziert, als Heinrich Heine eine Büste in der Walhalla erhielt. 

Dass hinter der Propaganda im Netz oftmals nur einige wenige stecken, sagt Söhnke Meußer, Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz. Immer wieder sind es in Stadt und Landkreis Regensburg 19 bis 36 Jahre alte Männer aus der Stadt und aus dem westlichen Landkreis, die den Eindruck erwecken, in unserer Region seien Nazis auf dem Vormarsch. 

Und immer wieder ist es auch ausgerechnet der Rechtsstaat, der ihnen dabei zur Seite steht. So wurde eine Demonstration im Oktober 2009 gegen eine Moschee in Regensburg von dem bekannten Wörther NPD-Kreischef Willi Wiener inszeniert, die Handvoll Rechtsextremer erhielt Polizeieskorte.

„Wir stellen häufig fest, dass der Eindruck erweckt werden soll, es sind viele Gesinnungsgenossen. Das kann man beispielsweise auch bei den Autonomen Nationalisten nachvollziehen, die es auch in Regensburg gibt. Das sind geschätzt nur etwa zehn Leute, aber sie wollen durch ihre Netz-Präsenz den Eindruck erwecken, es seien viel mehr”, so Meußer.

Doch waren die Meldungen der Polizei in den vergangenen Wochen nicht warnendes Zeichen, dass der Rechtsextremismus in Regensburg zunimmt? 

Auch hier relativiert Meußer die Eindrücke mit konkreten Zahlen: „Festzustellen ist, dass die politisch von Rechtsextremen motivierten Straftaten im Raum Regensburg heuer zurück gehen”, so Meußer.

Wurden im Jahr 2008 noch 95 Straftaten und 2009 insgesamt 105 Straftaten als rechtsextrem motiviert eingestuft, sind es heuer lediglich 37 bis August, die gezählt wurden – rechnet man den Zeitraum hoch bis zum Ende des Jahres, dürften die Zahlen heuer niedriger liegen als im Vorjahr. Enthalten sind darin Gewalttaten ebenso wie Propaganda-Delikte.

Alarmierend ist vielmehr, dass die Rechtsextremen mit dem Instrument Internet auch gar nicht auf viele Unterstützer zurück greifen müssen. Auf einschlägigen Plattformen werden regelmäßig Journalisten und engagierte Bürger bloßgestellt. Ihr Vorgehen ist dabei ambivalent: Einerseits stellen sie Menschen bloß, andererseits pochen sie selbst auf Meinungsfreiheit. 

Regensburg