Filmindustrie nach Niederbayern?
Vision: Vilshofen-Film von Vilshofenern

06.07.2017 | Stand 26.07.2023, 15:40 Uhr

„Generation ‘89“: Filmemacher Jens Prausnitz plant Projekt über die Ereignisse im September 1989, als Tausende von DDR-Flüchtlingen erste Aufnahme in einem Zeltlager auf dem Vilshofener Bergerparkplatz fanden - Filmindustrie nach Niederbayern?

VILSHOFEN / WARSCHAU Er ist zwar kein gebürtiger Vilshofener, aber er ist in der niederbayerischen Kleinstadt aufgewachsen. Und Jens Prausnitz (Jahrgang 1971) hat hautnah die Ereignisse des Septembers 1989 erlebt, als Vilshofen für einige Tage im Fokus der Weltöffentlichkeit stand, sogar BBC-Journalisten vom so genannten Bergerparkplatz berichtet hatten. Dort war ein Zeltlager errichtet worden, erste Station für Tausende von DDR-Bürgern, die über Ungarn geflohen waren. Und somit den Fall der Mauer einleiteten, zu dem es zwei Monate später tatsächlich kam.

Prausnitz war damals 18 und Kollegiat am Gymnasium Vilshofen. Nach einem Kulturwissenschaftsstudium heiratete er eine Molekularbiologin, in Warschau lebt und arbeitet er. Erst beim Fernsehen, dann für Werbeagenturen. Und immer wieder bei Filmprojekten, im Februar hatte auf der Berlinale der Film „Rising Hope“ Premiere, für dessen Schnitt Prausnitz verantwortlich ist. Seit 2008 sammelt Prausnitz Anekdoten und Geschichten rund um das Flüchtlingslager in Vilshofen, von denen einige Eingang in ein Drehbuch gefunden haben. Neben eigenen und Erinnerungen von Mitschülern verarbeitet Prausnitz auch Interviews, die er mit Zeitzeugen führte wie dem damaligen Vize-Bürgermeister (und jetzigem Altbürgermeister) Hans Gschwendtner, der begeistert von der Vision Prausnitz’ ist.

Am 17. April wird Prausnitz Stadträten sein „Generation ‘89“-Projekt vorstellen: Ein Spielfilm vor den realen Begebenheiten des Septembers 1989. Während die Stadt für die Flüchtlinge näher zusammenrückt, lernt der einheimische Daniel (18) dort die Flüchtlingstochter Nadine (16) kennen, sie verlieben sich. Ihre Liebe hat gegen die Widerstände aus Familie, Schule und Politik keinen Bestand …

Eine dritte Drehbuchfassung ist gerade in Arbeit. Prausnitz will Mitstreiter suchen, Mitproduzenten – die Vilshofener selbst dürfen sich beteiligen, als Darsteller, als Geldgeber. Die Stadt Vilshofen könnte ein Treuhandkonto einrichten, das Geld soll in der Region bleiben. Bei Firmen, die zum Beispiel die Kulissen bauen. Prausnitz möchte auch Menschen vor Ort ausbilden, die für die Realisierung des Films gebraucht werden. Ein Film über Vilshofen, gemacht in Vilshofen mit Vilshofenern!

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Die PaWo sprach mit Jens Prausnitz:

Sie wollen den Film zum 25-jährigen Jubiläum – 11. September 2014 – in die Kinos bringen. Ist das zu schaffen?

Vorausgesetzt mein Vorschlag findet Anklang: Ich kann mich ganz und gar auf das konzentrieren, was ich beherrsche: das Filmemachen. DasHandwerk, von dem ich seit über 10 Jahren lebe. Daher stellt es auch kein Problem dar, den Film bis zum Herbst 2014 in die Kinos zu bringen.

Ich beabsichtige 6 bis 8 Wochen zu drehen, der Schnitt benötigt rund 3 Monate, das Drehbuch liegt bereits vor. Casting, und Testaufnahmen noch in diesem Jahr. 2013 beginnt die Postproduktion für diejenigen Einstellungen, die Hintergründe aus dem Jahr 1989 benötigen, etwa die alte Donaubrücke oder 3D-Modelle der Fassaden. Dazu soll ein Kurzspielfilm gedreht werden, der es mir dann auch ermöglichen sollte, einen Verleiher für den „großen“ Film zu bekommen. Die eigentlichen Dreharbeiten beginnen dann Pfingsten 2014.

Wie viel wird dieser Film kosten? Und woher soll das Geld kommen? Über Crowdfunding, „Schwarmfinanzierung“ übers Internet? Pauschal sehe ich die Produktionskosten bei etwa 1 Millionen Euro. Die will und kann ich hier nicht über Crowdfunding finanzieren. Den Film kann ich außerhalb Bayerns nicht so gut verkaufen, schon in München wird es schwierig zu erklären, dass man die Brücke von ‘89 rekonstruieren will: „Das merkt doch eh Koaner!“ Doch, die Vilshofener. Das Beste wäre, die Vilshofener selbst beteiligen sich, wären quasi Mitproduzenten. Deshalb habe ich mich an die Stadt gewandt. Mein Vorschlag: Die Stadt soll ein Treuhandkonto einrichten, transparent und einsehbar, und somit garantieren, dass das Geld hier in der Region ausgegeben wird. Warum soll den Kulissenbau nicht eine Schreinerei hier in der Gegend übernehmen? Und wenn der Film aus welchen Gründen auch immer nicht zustande kommt, kann das Geld für andere Kulturprojekte eingesetzt werden, worüber die Bürger dann abstimmen.

Die weitere Finanzierung? … kommt über Filmförderung. Es geht darum, dass der Film nicht verändert wird, kein Münchner Produzent die Ferres als Mutter aufschwatzt. Ich will keine Stars in dem Film.

Das Personal soll im Rahmen des Projektes im Filmhandwerk ausgebildet werden? Ich will die Postproduktion nicht auslagern. Ich will den Film hier drehen, hier schneiden. Was ist Postproduktion anderes, als das einige Leute über längere Zeit in einem Raum an Computern sitzen. So einen Industriezweig könnte man hier ansiedeln, so könnte man der Region neue Impulse geben! 2006 hatte ich schon die Idee für eine TV-Serie im Bayerischen Wald. Könnte man auch hier machen. Und Werbefilme.

Das würden Sie machen? Ja. Eigentlich ist das so, wie Peter Jackson es in Neuseeland mit „Herr der Ringe“ gemacht hat, der das natürlich deutlich größer und länger angelegt hat. Heute werden dort sehr viele Produktionen hingezogen. Ich denke nicht an etwas in dieser Größenordnung, aber das Prinzip funktioniert hier in Vilshofen genauso!

Ausführliche Informationen zum Projekt „Generation ‘89“ gibt Jens Prausnitz auch im Internet unter www.generation89.de. Zudem existiert eine Facebook-Seite (zu finden über die Website). Die Filmfigur Daniel erzählt dort, wie es damals so war in Vilshofen, für einen 18-Jährigen im September 1989. Mit den Mitteln des Jahres 2012!

Passau