Anton Wallner dokumentierte den wohl härtesten Job der Welt
Passauer filmte in der Schwefelhölle von Java

04.07.2017 | Stand 27.07.2023, 9:57 Uhr

Er ist einer der bekanntesten „Amateur”-Filmer in der Dreiflüssestadt, hat bereits zahlreiche Auszeichnungen gewonnen und an den unterschiedlichsten Schauplätzen auf der ganzen Welt gedreht. Die Aufnahmen auf der indonesischen Insel Java am Kratersee Kawah Ijen, der von vielen Geologen als „größtes Säurefass der Erde” bezeichnet wird, werden Anton Wallner wegen der Strapazen und des Schwefelgestankes unauslöschlich in Erinnerung bleiben.

PASSAU / JAVA „Regenzeit auf Bali. Schon seit Tagen verschieben wir die Überfahrt auf die Nachbarinsel Java. Warten war angesagt, warten, bis dann doch die untergehende Sonne uns Mut und den Weg frei machte um den Schatz des Kawah Ijen zu suchen.Nun sind wir von Bali aus unterwegs in die östliche Provinz der indonesischen Insel Java. Sind unterwegs in eine noch sehr aktive Vulkanlandschaft.Java liegt auf dem „Ring of Fire“, jener tektonisch instabilen Zone, in der die ozeanische Kruste des Pazifik mit den Platten gleich dreier Kontinente kollidiert. Die Vulkane des Feuergürtels zählen zu den gefährlichsten der Welt Wir fahren durch den dichten Dschungel Javas, vorbei an Kaffeeplantagen. Die starken Regenfälle der vergangenen Tage jedoch haben die Strassen hier aufgeweicht, Steinbrocken rausgewaschen und so, schwer passierbar gemacht. Der einzige Weg auf das Ijenhochplateau stellte uns auf eine harte Probe, wir trafen auf ein fast unüberwindbares Hindernis, ohne Allradfahrzeug war es nur schwer voranzukommen. Sollte das Unterfangen Kawah Ijen scheitern? Für andere war bereits auf der Hälfte des Weges die Anfahrt beendet. Sie hatten sich die Ölwanne aufgerissen, halfen uns aber wie selbstverständlich, so dass mit vereinten Kräften unser Fahrzeug Meter für Meter weiter bewegt werden konnte.5 Stunden später. Müde, erschöpft aber überglücklich erreichten wir unser Ziel. Wir waren bei den Arbeiterbaracken angekommen, dort, von wo wir aus am nächsten Tag aufsteigen wollten. Nur noch ein kurzes Gespräch und dann ab in das Bett, besser gesagt, ab auf den Holzboden. 3 Uhr früh. Mit den ersten Minenarbeiter beginnen wir unseren Aufstieg. Viele überholen uns, verschwinden wieder im Dunkel der Nacht.Uns hängt die Anreise noch schwer in den Knochen und die Nacht war kurz, verdammt kurz. Jeder Schritt fällt schwer.Langsam erhellte sich der Tag. Die prachtvolle Kulisse der Umgebung blieb für uns jedoch fast unbemerkt. Zuerst nur ganz leicht wahrnehmbar, schmuggelt sich ein charakteristischer Geruch in die Luft. Es ist der beißende und ätzende Gestank nach faulen Eiern der in unseren Lungen drang. Wir sind dem Ziel ganz nah, setzten unsere Masken auf und schritten langsam weiter. Die ersten Träger kommen uns entgegen, auf ihren Schultern das gewonnene Gold. Schwefel! Der erste Schatz des Tages wird zurück zum Sammellager gebracht. Wann sind wohl diese Arbeiter aufgestanden? Sie scheinen mit dieser Luft hier kein Problem zu haben. Leicht tänzelnden Schrittes gehen sie ins Tal.Gegen 7 Uhr erreichen wir auf ca. 2400 Meter den Kraterrand, wir sind an der Ijencaldera angekommen. Unter uns, der von kahlen Wänden eingeschlossene Kratersee, der Kawah Ijen. Die Felsen sind durchzogen von zahlreichen Eruptionswunden und Rissen aus denen stetig dichte, kochend-heiße Dampfschwaden quellen und die Sicht vernebeln. 960 Meter lang, 600 Meter Breite und 200 Meter Tief. Der See wird von vielen Geologen als das größte Säurefass der Erde bezeichnet. Es ist ein See ohne Leben - und dorthin wollen wir absteigen, - dorthin müssen wir absteigen.Gegenverkehr. Immer wieder begegnen uns Arbeiter, der schmale Weg wird zur Gradwanderung. In ihren Körben der gewonnenen Schatz. Eine schweißtreibende Arbeit. Ihr Arbeitstag hat 14 Stunden, oftmals sogar mehr. Die jüngeren von ihnen besteigen zweimal den Vulkan die älteren einmal, denn nur an den Flanken des Sees befindet sich der wertvolle Rohstoff, die bedeutendste Schwefelansammlung Indonesiens. Bis zu 8 Meter dick sind die Schwefelbänke die unter dem Gestein ruhen. Mittels Rohrleitungen befreien die Arbeiter den Berg von dem enormen Druck, der im Innern herrscht, regulieren den Austritt des Gelben Goldes, steuern die Austrittsstärke der giftigen Schwefelgase. Der Schwefel tritt als heftig dampfende zähflüssige orange bis rotfarbene Masse zu Tage, bis zu 310 Grad heiß, die sich erst nach Abkühlung in ein leuchtendes Gelb verwandelt.Sie holen das Blut des Teufels, so reden die Arbeiter über den Rohstoff. Aber das Blut des Teufels wird zum Schatz der Götter, dann, wenn die viele Müh in Form von Geld belohnt wird. Hier sterben jährlich mehrere Arbeiter, durch Verbrennungen oder durch herunterstürzende Steine. Aber auch, weil sie ihre Kondition überschätzen dann sacken sie einfach leblos zusammen.2002 erhöhte der Vulkan seine Aktivität von einer Sekunde auf die andere, tödliche Chlordioxidgase traten aus dem See. Diese Gase sind schwerer als Luft und legen sich deshalb wie eine tödliche Decke über den Krater und ersticken in wenigen Minuten alles Leben darin. Es starben 49 von den 50 Arbeiter, die täglich hier arbeiten.Der Ijen ist in den letzten 200 Jahren mehrfach ausgebrochen Der folgenschwerste und längste, er dauerte fast 6 Wochen, war im Jahre 1817. Hier kollabierte der Kratersee und Schlammströme zerstörten drei Dörfer Aber auch viele Touristen unterschätzen oftmals die Situation weshalb etliche im Jahr von den Arbeitern mit Atembeschwerden, gebrochenen Beinen, Schürfwunden und Herzbeschwerden ins Tal getragen werden müssen.Unter nahezu unmenschlichen Bedingungen wird hier der Schwefel gewonnen um ihn dann ca. 100 Meter steil bergauf zum Kraterrand und ca. 3,5 km zum weiter unten liegenden Wiegeplatz zu transportieren.Auf den Schultern bis zu 110 kg, verteilt auf zwei Bambuskörbe, dazwischen eine Holzlatte, die unter dem Gewicht kracht und ächzt. Wippend setzen die Männer die Last mehrmals um, entlasten so für Bruchteile ihre Schultern. Die Träger brechen nicht selbst den Schwefel aus dem Schwefelstock. Dies erledigen die Schwefelschürfer, viele ohne Masken. Tag für Tag holen sie bis zu 10 Tonnen Schwefel aus dem Gestein –unvorstellbar-, aber der Schwefelstock ist sehr ergiebig. Aus entfernten Schwefelquellen wird mittels Rohrsysteme der flüssigen Schwefel an den Abbauplatz geleitet.Wer hier arbeiten will, muss eine Prüfung absolvieren. Die Nachfragen nach diesem Job sind hoch, verdienen diese Menschen hier in einem Monat doch ein Vielfaches von dem, was auf Java ein Bauer erwirtschaftet. Beginnend mit 40 kg muss sich der Bewerber innerhalb einiger Monate auf über 60 kg und mehr steigern. Jedes Kilogramm zählt, weshalb viele der Arbeiter auf eigene Gefahr hin über 100 kg transportieren und dies bis zu zweimal pro Tag, mit Gummilatschen oder Gummistiefel an den Füssen bei mindestens 40 Grad, berauf, bergab, immer dem Abgrund nah, vorsichtig, Schritt für Schritt.Im Dorf genießen die Schwefelmänner großen Respekt, und Anerkennung, denn sie sind mutig und wohlhabend. Umgerechnet 25 bis 30 Euro im Monat bringen die Arbeiter nach Hause. Viel Geld für sie. Genug für ein eigenes Haus. Pro kg erhalten die Träger 5 Cent. Davon müssen sie aber auch die Arbeiter bezahlen, die den Schwefel für sie unten am Kratersee abbauen. Meistens sind es ehemalige Geher, Korbträger, deren Knochen schon längst versagt haben. Dann die Unterkunft, das Essen, Alkohol, Zigaretten, viele Zigaretten, und? die leichten Mädchen, die einmal wöchentlich in den Unterkünften erscheinen. So schmälert sich sehr schnell ihr Lohn.Obwohl nur wenige Euro bleiben, erledigen die Inselbewohner diese harte Arbeit, die sich viele von uns gar nicht mal vorstellen können, mit Stolz. Sie sind glücklich darüber, ihre Familien ernähren und ihren Kindern vielleicht ein besseres Leben ermöglichen zu können. Mit seinen türkiseren Farben, hervorgerufen durch den hohen Anteil von Alaun, Schwefel und Gips, ist der See ein zwar eindrucksvolles, aus Sicherheitsgründen aber nicht immer frei zugängliches Gebiet. Der Ijen befindet sich im Halbschlaf, dabei immer ein Auge offen haltend. Die Temperatur des Wassers schwankt, jedoch ist von einem Durchschnittswert von 45 Grad auszugeben. Sollte die Wassertemperatur auf über 50 Grad steigen, steht ein Ausbruch kurz bevor, aber, wer misst die Temperatur? Wer stellt fest wann es gefährlich wird? Niemand! So begeben sich die Menschen Tag für Tag in eine Ungewissheit, ständig begleitet vom Tod, vom Teufel, der schnell Unheil über eine Familie bringen kann. Dieser Vulkan gilt als unberechenbar und wird als äußerst aktiv eingestuft, er brodelt Tag und Nacht. Schlamm und Gasausbrüche werden mehrmals im Jahr registriert. Erst 2007 wurde die Gefahrenstufe des Ijen auf 2 erhöht, was weltweit bei den zahlreichen Vulkanen schon sehr hoch ist. Eine tickende Zeitbombe. Wann der Vulkan wieder richtig spuckt weiß niemand, jedoch dürfte es gar nicht mehr so lange dauern.Laufend produziert er Schwefel – rot, solange dieser flüssig ist und strahlendgelb in seiner erstarrten Form. Durch ihren Knochenjob liefern sie den Rohstoff zur Streichholz- oder Waschmittelherstellung, zur Reifenherstellung, dem Bleichen von Zucker, zur Herstellung von Farben aber auch für Hautcremes wird Schwefel benötigt. Welch Ironie! Hier wird die Haut aufgeätzt, zerstört, damit der Rohstoff später zu Hautschutzmittel verarbeitet werden kann.Teilweise fangen die Männer im jugendlichen Alten von 13 Jahren an, hier zu arbeiten. Sie sind gerne Bergarbeiter, leben vom Schwefel, der jedoch ihre Lungen verätzt. Es ist ein Job, der den Tod auf Raten bedeutet. Wer hier in der größten Mine Indonesiens arbeitet, wird nicht alt. 42 bis 45 Jahre, so der Durchschnitt. Höchstens mal 50! Wie viele von ihnen mögen wohl schon verstorben sein, seitdem wir sie 2010 besuchten? Um an das gelbe Gold, den reinen Schwefel, heranzukommen, müssen die Arbeiter bis dicht an die Quelle heran -mit Steinen und einfachen Eisenstangen. Eine erbärmlich einfache Ausrüstung. Die Kraft liefert der eigene Körper, liefern die Muskeln, auch wenn es Stunde für Stunde immer schwerer fällt, hier, in der wohl ungewöhnlichsten Schatzkammer der Natur, zu arbeiten. Menschen sind hier in Indonesien nun mal billiger als Maschinen.Mit einer dieselbetriebenen Pumpe wird ab und zu Wasser des Sees in eine Gesteinswanne gepumpt, um damit zu stark erhitzte Rohre kühlen zu können. Das heiße, flüssige Sulfat, sowie der kaum auszuhaltende ätzende Gestank lassen den Vorgeschmack auf die Hölle entstehen. Der stechende Lungenschmerz und die permanente Atemnot lenken jedoch von den ermüdeten Knochen ab.Hellrote Rinnsale sickern aus dem unförmigen Bauch des Berges, erinnern unangenehm an frisches Blut. Der Vulkan faucht in tiefen Basstönen. Der Boden unter uns vibriert. Dieser Vulkan lebt, er atmet, und, er gibt niemals Ruhe.Aber heute sei es noch ein leichtes Arbeiten, erklären die Männer, denn der Wind treibt die beißenden Wolken von ihnen weg. Oft sind sie jedoch davon eingehüllt, sehen die eigenen Hände vor ihren Augen nur noch schemenhaft. Kaum ausgesprochen, drehte der Wind. Die Schwefelwolke zog direkt über uns hinweg, verdunkelte die Sonne. Wir kauerten hinter großen Felsbrocken, die Köpfe eingezogen. Unsere Masken waren schon längst vollgesaugt vom Schwefeldampf, unsere Lungen brannten, die Augen tränten, gelblich ätzend wurden die Perlen an der Luft getrocknet. Schlimme 30 Minuten bis wir den Rückweg wagen konnten. Dem Ende nochmals entkommen!Was wir hier erleben durften, ließen die Strapazen der Anreise vergessen, entschädigten für das körperliche Unwohlbefinden. Daheim werden wir sicherlich eine ganz andere Einstellung zur Arbeit haben, werden das eine oder andere Produkt besser schätzen, denn wir wissen unter welcher unvorstellbaren großen Müh der Rohstoff gewonnen wurde, werden sehr oft an den Platz hier und an die Arbeiter denken.Ein letzter Blick zurück, bevor es wieder auf den Kraterrand ging und weiter zur Sammelstelle.Langsam wird die Luft reiner, frischer. Wir konnten unsere Masken absetzen, konnten befreit tief durchschnaufen, durchatmen, die Lungen voll saugen. Erst jetzt merkten wir, was wir auf uns genommen hatten. Gegen 16.00 Uhr erreichten immer mehr Arbeiter die Sammelstelle. Dort wurde ihre Ausbeute gewogen und das Ergebnis in eine Liste eingetragen. Jeder der Arbeiter erhält erst am Monatsende sein Geld, dann, wenn er für einige Tage seine Familie besuchen darf. Die Gefahr, dass alles hier ausgegeben wird und die Familien dann keine Unterstützung erfahren, wäre zu groß.Gleich nebenan erfolgte die Weiterverarbeitung, die Reinigung des noch verschmutzten Schwefels. 5 offene Steinöfen erhitzen das gelbe Gold, lassen es erneut schmelzen. In mehreren Sieben wird der nun flüssige Schwefel gereinigt, vom Gestein und Schmutz befreit. Eine mörderische Hitze in dieser Wellblechhütte. Erneut brennen unsere Augen, fällt das Atmen schwer.Auf einer mit Wasser benetzten Steinplatte wird die rötlichbraune Masse geschüttet wo sie erkaltet und wieder den festen Zustand einnimmt, diesmal jedoch von Sand und Gestein gereinigt. Die entstandenen Platten, der Schwefelbruch, kommen in Säcke und sind bereit zum Abtransport, sind bereit zur Weiterverarbeitung für den Wohlstand in der Welt, für Menschen, die sich niemals vorstellen können, wie schwer es ist, den Schatz des Kawah Ijen zu gewinnen."

Passau