Die Landshuterin Dr. Maria Fick und der Fall Mollath
"Im Namen des Volkes, das sollten sie nicht mehr sagen"

08.07.2017 | Stand 13.09.2023, 2:34 Uhr
Alexander Schmid
−Foto: n/a

In Landshut kennt man Dr. Maria Fick vor allem als Hausärztin und als resolute Stadträtin. Was kaum einer weiß in der Bezirkshauptstadt: Die umtriebige Medizinerin ist auch die Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer in Bayern – und sie spielte eine nicht unerhebliche Rolle in der Aufarbeitung des Falles Mollath.

LANDSHUT Vor dem Regensburger Landgericht wird die Angelegenheit demnächst neu aufgerollt. Die 66-jährige Landshuterin wird dann natürlich im Zuschauerraum sitzen. Egal wie der Prozess ausgehen wird – für sie steht eines bereits jetzt schon klipp und klar fest: „Im Namen des Volkes, das sollten die bei Gericht nach allem, was im Fall Mollath gelaufen ist, nicht mehr sagen.“

Es gibt wohl nur wenige, die sich außerhalb der Justiz so intensiv mit dem aufsehenerregenden Fall befasst haben, wie Dr. Maria Fick. Nach einer Bitte von Mollaths damaliger Anwältin hatte sich die Menschenrechtsbeauftragte der Ärztekammer des Falls angenommen. Im August 2012 hat sie Gustl Mollath in der Forensik in Bayreuth besucht, mit ihm und dem Leiter der Psychiatrie, Dr. Klaus Leipziger, der gleichzeitig Mollaths Gutachter war, gesprochen. Nach der Durchsicht der Akten und den Gesprächen machte sich bei ihr ein ganz ungutes Gefühl breit: „Ich merkte, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt.“

Schüchtern sei Mollath im Gespräch gewesen, „sehr skeptisch und ein bisschen unsicher“, erzählt Fick. „Und er hat mich gefragt, was ich erreichen kann.“

Das war dann tatsächlich einiges. Denn ihre Einschätzung des Falls, den die Ärztin am 29. Oktober 2012 in einem Brief an die damalige Justizministerin Beate Merk und in Kopie an die damalige Anwältin Mollaths geschickt hatte, landete im Netz und hatte Folgen. Die Passagen, die während der folgenden Medienlawine von überregionalen Medien aus dem Schreiben zitiert wurden, waren an Eindeutigkeit nicht zu übertreffen.

Von „Unstimmigkeiten“ ist da die Rede, die ihr während der Durchsicht der Unterlagen und im Gespräch mit Mollath aufgefallen seien, davon, dass eine anhaltende Gemeingefährlichkeit von verschiedenen Medizinern nicht festgestellt werden konnte. Medizinisch-psychiatrische Gutachten hätten zudem keine eindeutige Diagnose ergeben, die die 7-jährige Unterbringung in der „Forensik mit unbestimmter Dauer rechtfertigen würden.“

Weiter heißt es in Ficks Stellungnahme: „Wenn eine Gemeingefährlichkeit mit Reifenstechen und Autoverkratzen mit einem unbestimmt langfristigen Freiheitsentzug geahndet wird, versteht diese Entscheidung kein juristischer Laie mehr. Diese Tatsache erscheint mir unbillig und ungerecht.“ Man gewinne den Eindruck es sollte etwas nicht auf- sondern „abgeklärt werden und Herr Mollath sollte aus der Öffentlichkeit auf unbestimmte Zeit verschwinden.“ Dafür, dass Fick sogar von einem „möglichen Gefälligkeitsgutachten sprach“, bekam sie sogar eine Strafanzeige an den Hals, die aber ohne Folgen blieb.

An ihrer Meinung hat sich seit dem Schreiben, das seitens des Justizministeriums übrigens mehrere Monate unbeantwortet blieb und schließlich laut Dr. Fick mit einem „fünfseitigen Irgendwas in juristischem Kauderwelsch“ beantwortet wurde, nichts geändert.

Mollaths Würde, heißt es in dem Brief an die Ministerin, sei in all den Jahren „mit Aufenthalten in der Forensik mit teils Schwerstverbrechern, primitiven und real psychisch kranken Menschen“, mit Füßen getreten worden. Sie fordert deshalb jetzt ganz klare Konsequenzen in der Rechtsprechung: „Man muss in Zukunft eine Beobachtungszeit festlegen, nach der neu entschieden werden muss, ob es noch gerechtfertigt ist, den Betreffenden weiter in der Psychiatrie zu behalten.“ Auch müssten in Zukunft in solchen oder vergleichbaren Fällen zwei Gutachten von „total unabhängigen Experten“ erstellt werden. Es könne nicht sein, dass jemand dafür, dass er Reifen aufgestochen und jemanden geschlagen habe, lebenslang in der Psychiatrie verschwinde. „Mollath hat seine Strafe bereits mehr als abgesessen“, so die 66-Jährige.

Vor allem aber sollten sich die Gerichte einen Grundsatz wieder in Erinnerung rufen: „In dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten. Im Fall Mollath hat man das, davon ist Dr. Fick überzeugt, wohl vergessen.

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