Studie untersucht 36 Leitbetriebe
Wirtschaft brummt, Arbeitsmarkt leergefegt

06.07.2017 | Stand 13.09.2023, 3:58 Uhr

Österreicher suchen in Spanien, Bayern setzt auf eigenen Nachwuchs.

BERCHTESGADENER LAND/SALZBURG Foto: Sie stellten die erste, grenzüberschreitende Studie über Leitbetriebe vor (v.l.): Thomas Birner, Rudolf Zrost und Herwig Schneider.

Die Leitbetriebe im Bundesland Salzburg, sowie den beiden bayerischen Nachbarlandkreisen produzieren gemeinsam Güter im Wert von 9,6 Milliarden Euro pro Jahr, die Wertschöpfung beträgt 3,6 Milliarden Euro. Die 36 untersuchten Leitbetriebe beschäftigen rund 40.000 Mitarbeiter. Und, die Leitbetriebe sichern weitere Arbeitsplätze, so zieht ein Job in einem bayerischen Leitbetrieb zwei weitere Jobs in Deutschland nach sich, ein Arbeitsplatz in einem Salzburger Leitbetrieb sichert fast drei Arbeitsplätze im Rest Österreichs. Hauptproblem auf beiden Seiten ist derzeit der Fachkräftemangel, die österreichische Wirtschaft versucht vor Ort in Spanien neue Arbeitskräfte zu finden, die bayerische Seite setzt auf eigenen Nachwuchs.

Die erste, grenzüberschreitende Studie über die wirtschaftliche Bedeutung der Leitbetriebe zeigt, was Politik und Wirtschaft auch vorher schon wussten: die großen Unternehmen haben eine enorme Bedeutung für die gesamte Region. Studienautor Herwig Schneider definiert, dass ein Leitbetrieb mindestens eine Wertschöpfung von 10 Millionen Euro im Jahr erreichen muss, Produkte müssen also nach der Verarbeitung um insgesamt 10 Millionen Euro wertvoller sein als vorher.

Im Landkreis Traunstein hat die Studie insgesamt 14 Leitbetriebe untersucht, im Berchtesgadener Land und in Salzburg jeweils elf, also insgesamt 36 Leitbetriebe. Zu den Leitbetrieben zählen in Salzburg zum Beispiel Kaindl, Liebherr und Miele, im Berchtesgadener Land zum Beispiel das Stahlwerk Annahütte, Hawle und Robel sowie in Traunstein zum Beispiel Heidenhain, Adelholzener und die Papierfabrik Trostberg.

Gegenseitige Wertschöpfungseffekte

Diese 36 Leitbetriebe produzieren insgesamt eine Wertschöpfung von 3,6 Milliarden Euro, die in der Region bleiben, davon entfallen 1,4 Milliarden Euro auf die 11 untersuchten Unternehmen im Bundesland Salzburg und 2,2 Milliarden Euro auf die 25 Leitbetriebe im Berchtesgadener Land und im Landkreis Traunstein.

Aber die Betriebe sorgen nicht nur für Umsatz vor Ort, sondern auch beim jeweiligen Nachbarn. So sorgen Salzburger Unternehmen für Umsatz in Bayern und bayerische Unternehmen für Umsatz in Salzburg, wenn zum Beispiel das Stahlwerk Annahütte eine Salzburger Werbeagentur beauftragt. Die Zahlen zu den grenzüberschreitenden Effekten: die 25 bayerischen Leitbetriebe erzielen bei Salzburger Unternehmen eine zusätzliche Wertschöpfung von 94 Millionen Euro, in dem zum Beispiel Ersatzteile oder Produktionsteile in Salzburg eingekauft werden. Umgekehrt bewirken die 11 Salzburger Leitbetriebe eine Wertschöpfung von 44 Millionen Euro bei Betrieben in Berchtesgadener Land und im Landkreis Traunstein.

Zusätzlich profitieren von den 36 Leitbetrieben weltweit 20.000 andere Unternehmen, vor allem Klein- und mittelgroße Unternehmen, sogenannte KMUs. Die Studie wurde vom Industriewissenschaftlichen Institut in Wien durchgeführt, Auftraggeber waren neben der Industriellenvereinigung Salzburg auch die beiden Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land.

Arbeitskräfte fehlen

Für den Präsidenten der Salzburger Industriellenvereinigung, Rudolf Zrost, steht fest, „dass Salzburg, BGL und Traunstein zwischen München und Wien durchaus eine sehr attraktive Region ist“, stellt aber gleichzeitig fest, dass es mittlerweile zu wenig hochqualifizierte Arbeitskräfte gibt und die Arbeitszeiten, zumindest in Österreich, zu unflexibel sind. „Außerdem brauchen wir eine bessere Infrastruktur, zwei leistungsfähige Brücken über die Salzach in der Region sind einfach zu wenig.“

Thomas Birner als Wirtschaftsförderer im Kreis Berchtesgadener Land stimmt zu, auch auf bayerischer Seite sei das Fehlen von Fachkräften das Hauptproblem. „Wir versuchen schon im Kindergarten, das Interesse für die sogenannten MINT-Berufe zu wecken“, also naturwissenschaftliche Fächer wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In Österreich gibt es bereits Wirtschaftsvertreter, die zum Beispiel gezielt vor Ort in Spanien Fachkräfte anwerben wollen.

„Wir haben in Österreich Vollbeschäftigung“, so Zrost, „also wenn die Wirtschaft weiter wachsen will, brauchen wir neue Mitarbeiter, woher auch immer.“ Ähnliche Anwerbungsaktionen in anderen EU-Ländern gibt es auch in Bayern, „mit mäßigem Erfolg“, attestiert Birner. Der Wirtschaftsförderer ist überzeugt davon, dass der Arbeitskräftemangel nur vor Ort gelöst werden kann. „Der Inder zum Beispiel wird nicht zu uns kommen, der geht in die USA in die Schweiz.“ Eine mögliche, kurzfristige Lösung im Landkreis Berchtesgadener Land: technisch gut ausgebildete Soldaten sollten nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr im Landkreis gehalten werden.

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