Die etwas andere Kolumne von Mike Schmitzer
Eine Drei, fast eine Zwei

11.07.2017 | Stand 03.08.2023, 6:23 Uhr
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Die Lehrer wollen uns doch nur ärgern, oder?

Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob Lehrer eine sadistische Ader haben. Nein, nicht wie in „50 Shades of Grey“ - ihr könnt das Kopfkino gleich wieder ausschalten. Ich spreche hier von Schulnoten, okay?

Erst kürzlich ist mein Sohn wieder mit einer Drei heimgekommen, die - laut Lehrer - fast eine Zwei war. Um nur einen Punkt verfehlt ...

„Du sollst doch dem Papa so etwas nicht mehr erzählen“, hatte meine Frau noch versucht, den Filius zu bremsen, doch da war es bereits zu spät.

Ja, ich gebe es zu: Mich regt das auf.

„Warum bringst Du nicht einmal eine Zwei heim, die fast eine Drei gewesen wäre?“, möchte ich von meinem Sohn wissen.

„Eine Drei, fast eine Zwei, das klingt wie fast im Lotto gewonnen. Was hat man letzten Endes davon? Nichts! Nada!“

Versteht mich nicht falsch, ich habe nichts gegen ein Drei. Das ist ja immer noch befriedigend und besser als die meisten meiner früheren Noten. Aber dann bitte eine ehrliche Drei und keine solche, die eigentlich eine Zwei hätte werden können, wäre ihr nicht ganz kurz vor der Ziellinie die Puste ausgegangen.

Eine Umfrage in meinem Bekanntenkreis hat ergeben, dass alle Eltern diese „Fast-Noten“ kennen und sich gleichermaßen darüber ärgern.

Ziel erreicht?

Bei den alten Preußen hätte es so etwas übrigens nicht gegeben. Die hatten nur drei Noten. 1: g´scheit, 2: passt, 3: blöd.

Okay, das war geschummelt, ich weiß nicht, wie die Noten aussahen, aber vor 150 Jahren gab es in Preußen tatsächlich nur drei. Bei so wenigen Noten stelle ich es mir schwierig vor, wegen eines Punktes an der besseren Note vorbeizuschrammen. Nicht unmöglich, aber schwierig ...

Wenn wir schon gerade auf einem kleinen geschichtlichen Exkurs in Sachen Schulnoten sind: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden aus drei Noten vier gemacht: 1: sehr gut, 2: gut, 3: genügend, 4: ungenügend.

Die bekannten sechs Noten gibt es bei uns in Deutschland erst seit 1938.

Habe ich geschrieben „sechs Noten“? Das ist natürlich falsch, es gibt elf, denn zu jeder normalen Note (außer der Eins), existiert dank der diabolischen Lehrer noch eine „Fast-Note“.

Elf Noten, wow, das sind genau so viele wie die Italiener regulär haben. Im italienischen Schulsystem gibt es Noten von null bis zehn, wobei null die Schlechteste ist. Ab einer Fünf steigt die Lautstärke der italienischen Eltern stufenweise an.

Jetzt stellt Euch nur mal vor, die italienischen Lehrer würden ebenfalls noch „Fast-Noten“ vergeben ...

Ich halte es für nicht völlig ausgeschlossen, dass unsere lieben Lehrer die Schüler und (deren Eltern) mit der Drei, die fast eine Zwei ist, anspornen wollen. Bei mir bewirkt das aber das Gegenteil.

Ich will es einfach nicht wissen, okay?

Mike Schmitzer

Altötting