Die etwas andere Kolumne von Mike Schmitzer
Abgeschnitten

25.10.2017 | Stand 03.08.2023, 0:34 Uhr
−Foto: Foto: 123rf

Abgeschnittene Fotos sind wie Gift für die Männerwelt

Nach 14 Jahren hat sich Sabine von Helmut getrennt ...

Ist ja gut, Sabine. Ich fange noch mal neu an:

Nach 14 Jahren hat sich also Sabine von diesem miesen Penner namens Helmut getrennt.

Sorry Helmut.

Was tut Sabine nach dem Beziehungsende, noch bevor sie sich Gedanken über Dinge macht, wie eine kleinere Wohnung? Genau: Sie fällt über die Fotoalben her.

In diesem Moment sitzt sie auf dem Doppelbett und arbeitet feinsäuberlich ein Album nach dem anderen durch. Sämtliche Einzelfotos von Helmut werden zuerst hasserfüllt beäugt und dann in besonders viele kleine Teile zerrissen.

Meiner Erfahrung nach, ist es eine Spezialität von Frauen, den Ärger über eine gescheiterte Beziehung an Fotos auszulassen. Männer verspüren diesen Drang nicht. Ich habe die Fotos meiner Ex-Freundinnen alle feinsäuberlich in einem Schuhkarton aufgehoben, obwohl manche dieser Beziehungen kein angenehmes Ende gefunden haben. Viele Frauen haben ja ohnehin nicht das geringste Problem damit, Fotos zu zerreißen, auf denen sie sich nicht gefallen. Ich bringe das nicht übers Herz. Nicht bei „richtigen“ Fotos. Für mich sind das auf Papier konservierte Augenblicke, man könnte auch sagen: Momente, die man der Zeit gestohlen hat.

Sabine hat sich inzwischen zu den Fotos vorgearbeitet, auf denen sie und Helmut gemeinsam abgebildet sind: am Strand, vor dem Weihnachtsbaum, beim Skifahren, im Lieblingscafé ...

Auf manchen dieser Bilder gefällt sich Sabine richtig gut und deshalb kommt jetzt die Schere zum Einsatz. Helmut wird quasi chirurgisch entfernt, vom Ohrläppchen bis hin zur letzten Haarlocke. Zurück bleibt ein Foto, auf dem sofort zu erkennen ist, dass da etwas fehlt: ein zweiter Mensch.

Die Welt ist voller solcher verstümmelten Fotos. Da bekommt der Begriff „Lebensabschnittsbegleiter“ eine ganz neue Bedeutung ...

Fragt man Sabine, warum sie ausgerechnet dieses halbierte Foto zum Profilbild bei Facebook und bei der Online-Singlebörse gemacht hat, erklärt sie, dass es von ihr kein schöneres Foto gäbe.

Gleichzeitig wundert sie sich, warum sich kein einziger Mann bei ihr meldet, obwohl sie ihren Beziehungsstatus zu Single geändert und ihr Interesse an Männern bekundet hat.

Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: Ein Bild, in dem der „Ex“ offensichtlich abgeschnitten wurde, wirkt auf Männer extrem abtörnend. Männer vermuten beim Anblick eines solchen Bildes, dass die Frau eben erst eine langjährige Beziehung hinter sich gebracht hat und ihrem Verflossenen noch immer nachtrauert. Den Stress, sich auf so etwas einzulassen, wollen sich die wenigsten Männer antun, ganz egal wie hübsch die Frau auf dem Foto aussieht.

Als Mann kann ich nur jeder Frau, die mit einem abgeschnittenen Foto „unterwegs“ ist, raten: Mach es weg. Lass Dich neu ablichten. Jedes Handyfoto ist besser als so eines.

Am Besten wäre es, dem Wunsch zu widerstehen, die Erinnerungsfotos zu zerstören. Den „Ex“ kannst Du doch damit sowieso nicht treffen und irgendwann bereust Du es vielleicht. Immerhin zeigen die Bilder doch glückliche Momente Deines Lebens ...

Altötting